„Sad Puppies“ und aller Grund zur Traurigkeit
Dieser Artikel wird mich nicht froh machen. Ich habe gegrübelt, ob ich ihn überhaupt schreiben sollte, aber nachdem ich GamerGate, ComicGate und #ChangeTheCover behandelt habe, sollte ich den gleichen alten Wein wohl auch in diesem neuen Schlauch aufbereiten.
Meine Lustlosigkeit hält mich allerdings davon ab, mich allzu tief in die Materie einzulesen. Das mag für Uneingeweihte ungünstig sein, weil sie sich so auf die einseitigen Artikel beider Fronten verlassen müssen, aber mir geht es weniger um die konkreten Vorfälle, als das größere Problem, welches durch all diese Artikel hindurch die Nerdwelt plagt. Ich werde des öfteren auf Blogbeiträge George R. R. Martins verweisen, sage aber gleich, die auch nur überflogen zu haben.
Sad Puppies und die Hugos
Es begann im Januar 2014, als die mir unbekannten Autoren Larry Correia und Brad R. Torgersen zu dem Entschluss kamen, die Verleihung des Hugos (des wohl wichtigsten SF-Preises) sei vollkommen politisiert worden. Eine linksliberale Clique würde sie kontrollieren und nur, wer in ihr politisches Bild passe, könne gewinnen.
Darum riefen sie ihre Fans auf, kostenpflichtig Mitglieder der World Science Fiction Convention und damit stimmberechtigt zu werden und für eine Liste von ihnen gesammelter Autoren zu stimmen. „Sad Puppies“ war der Name der Aktion, die bis heute läuft aber dieses Jahr erstmals wirklich effektiv war. Ihr Erfolg wurde sogleich dem, ja erst ein halbes Jahr später entstandenen GamerGate angelastet und damit erst diese Verbindung wirklich hergestellt. Denn das rief GG nun tatsächlich auf den Plan: Man war es gewohnt, dämonisiert, diffamiert und zur Wurzel allen Übels gemacht zu werden, insofern ging man gern Bündnisse mit scheinbaren Leidensgenossen ein.
Mein Hugo-Wissen ist gering, also glaube ich jetzt mal Martin, wenn er die Grundannahme der Puppies falsch und die Reihe der Preisträger recht gemischt bezeichnet, was ihre Herkunft und Haltung angeht. Ich widerspreche ihm auch nicht, wenn er die Aktion als „mean-spirited and unsportsmanlike“ bezeichnet, danke ihm aber für den wichtigen Hinweis, dass generelle Kampagnen zur Beeinflussung der Preise schon lange und unabhängig von politischer Herkunft üblich sind. Ach, wenn wir schon dabei sind, werfe ich auch noch gleich sein gutes Argument ein, dass die Hugos nicht den Lesern allgemein, sondern der Worldcon gehören. Wer also nur eintritt, um sie zu beeinflussen, ohne sich für die Convention interessiert, eigentlich fehl am Platz ist. Und nun schließe ich den Verweis-Reigen mit seinem Appell, die Regeln jetzt nicht zu ändern :
„They started this whole thing by saying the Hugo Awards were rigged to exclude them. That is completely untrue, as I believe I demonstrated conclusively in my last post. So what is happening now? The people on MY SIDE, the trufans and SMOFs and good guys, are having an endless circle jerk trying to come up with a foolproof way to RIG THE HUGOS AND EXCLUDE THEM. God DAMN, people. You are proving them right.“
So… Nun fühle ich mich als dreckiger Parasit, da ich von Martin bisher nur eine einzige (wenn auch längere) Kurzgeschichte gelesen habe und „Game of Thrones“ nur als TV-Serie kenne. Aus Gründen der Fairness hier auch noch eine Antwort Correias darauf. Unabhängig davon, wie man zur Sache steht, schön zu sehen, wie die beiden zivil diskutieren können.
Hinzufügen möchte ich, dass man durchaus der Meinung sein kann, im Internetzeitalter tauge ein solch breites, basisdemokratisches Abstimmungssystem nicht mehr, aber es jahrelang hinzunehmen und nun erst zu protestieren, wenn die „falschen“ Leute gewinnen ist auch nicht gerade ein Musterbeispiel demokratischen Denkens.
Das ewige WIR gegen DIE!
Die Puppies scheinen mir also im Unrecht, aber nicht gleich des Teufels zu sein. Entsprechend verweigere ich mich der Zuordnung zu einem der beiden Lager.
Denn genau die sind das Problem. Die sind das Problem bei GamerGate, die waren das Problem bei #ChangeTheCover und die werden das Problem in der nächsten dummen Affäre sein, zu der ich mich vermutlich trotzdem wieder äußern werde.
Denn auch wenn ich mich politisch eher auf der Linken verordne (so man sich denn verordnen muss – mit Robert Anton Wilson halte ich diese Art politischer Geographie für falsch) muss ich feststellen, dass mein liberaler Stamm irgendwie in letzter Zeit seine Liberalität zu verlieren droht. Unter den Vertretern der Toleranz bildet sich derzeit eine unangenehm intolerante Strömung.
Ich rate, die Zeit zu nehmen und diesen ewig langen, aber sehr interessanten Artikel zu lesen, dessen Titel das Problem wunderbar zusammenfasst: „I can tolerate anything except the outgroup“. Kurz gesagt: Man glaubt sich tolerant, wenn man nichts gegen Leute hat, die man mag, wahre Toleranz zeigt sich gegenüber dem, den man nicht mag.
Mit Brecht gesagt: „Ein guter Mensch sein! Ja, wer wär’s nicht gern?“ – Doch so einfach ist das Gutsein nicht. Daher haben schon zu allen Zeiten Menschen die Idee gehabt, doch einfach das ihnen zusagende Böse, aber eben im Namen des Guten zu tun, dann wären sie doch auch gut, oder nicht? Auf die Outgroup eindreschen, aber nicht, weil man sie hasst, sondern weil sie dem Guten im Wege steht! So kann man im Namen christlicher Nächstenliebe Kreuzzüge führen, kann für die Freiheit Überwachungssysteme und für die Demokratie Diktaturen errichten. Der wohlige Kitzel, den man dann beim Untergang seiner Feinde spürt deutet man als Freude am Guten, welches man gerade getan hat.
In diese Falle geht man leicht und ich beleidige euch nicht, indem ich vorgebe, mir ginge es da nicht so wie so ziemlich jedem anderen Menschen.
So finden sich auch schon wieder reichliche wutschäumende Artikel, welche die Puppies nicht einfach als Konservative, sondern gleich Extremisten bezeichnen. Man machte sie (wahrheitswidrig) zu einer reinen Gruppe weißer Heteromänner und erklärte sie allesamt zu fanatischen Schwulen- und Frauenhassern und den, mit einer Schwarzen verheirateten Torgersen gleich zum White Supremacist. Wie schon bei GamerGate wurden Minderheitenangehörige, die nicht so dachten, wie man es von ihnen erwartete, kurzerhand ignoriert.
Das glaube ich übrigens auch ist der Hintergrund der einseitigen und irreführenden Berichterstattung über GamerGate: Keine Verschwörung, sondern simple Bequemlichkeit. Man nimmt die erstbeste Meinung, welche sich mit einem positiven Label schmückt und übernimmt sie restlos. Damit ist man, ganz ohne Mühe, auch ein guter Feminist/Antirassist/Was auch immer.
Um sein Weltbild so einfach zu halten, muss man alles, was dagegen spricht natürlich schnellstmöglich ausschalten: Die Gruppe, deren Trikot man trägt nennt sich Feministen und bezeichnet Gleichberechtigung als Ideal? Dann wird jede Outgroup nicht näher erforscht, sondern einfach als Gegenteil davon angenommen. Und schon wird die Feministin Liana Kerzner mal eben zur selbsthassenden Anti-Feministin erklärt.
So ergeht es auch den Autoren, welche auf der Liste der Puppies stehen. Sie müssen keinen Kontakt zu den Puppies gehabt haben, aber schon sind sich lauter Leute, die sie nie gelesen haben einig, dass ihre Werke sicher reine rechte Propaganda wären. Auch dagegen verwehrt sich Martin:
„I do not believe in Guilt by Association, and that’s what we’d be doing if we vote against every name on the Puppy slates simply because they are on the slate. That was a classic weapon of the McCarthy Era: first you blacklist the communists, then you blacklist the people who defend the communists and the companies that hire them, then you blacklist the people who defend the people on the blacklist, and on and on, in ever widening circles. No. I won’t be part of that.“
Der McCartheyismus ist da übrigens schon weiter, als er denkt. Man überlegt derzeit, die Twitter-Blockliste angeblicher Belästiger auch auf Leute auszuweiten, die nur nachforschen, ob sie darauf stehen. Wie damals, als der Vatikan den Index verbotener Bücher selbst indizierte. Die Leute, die dahinter stecken glauben sich liberal und links, ihre Handlungen sprechen aber eine andere Sprache.
Geht mir weg mit euren Labels!
Dieses archaische Stammes- und Lagerdenken verkrüppelt jegliche Diskussion und das Denken selbst. So wunderten sich etwa Leute über meinen #ChangeTheCover-Artikel. Ich sympathisiere doch mit GamerGate, da müsste ich doch wüten, die feministische Weltverschwörung wolle Comics verbieten.
Aber so einfach ist das nicht. Ich habe Anita Sarkeesian kritisiert weil ich Einwände gegen ihre Thesen und Methoden hatte (wofür ich natürlich gleich beschimpft würde, was für ein privilegierter Ignorant ich doch sei). Entsprechend wusste ich, als allenorts GG als Teufel bezeichnet wurde, wie schnell so etwas geht und wie wenig es aussagt. Bei #ChangeTheCover ging es aber darum, dass ein Autor fand, dass ein Cover nicht zu seinem Inhalt passte und ich für seine künstlerische Selbstbestimmung bin.
In all diesen Affären habe ich danach geurteilt, was ich für richtig halte und immer hatte ich auf meiner Seite auch Leute, mit denen ich ansonsten wenig Übereinstimmung habe und nicht immer waren es die gleichen Leute. Wem ich in Sachen GamerGate zustimmte, dem konnte ich bei ChangeTheCover widersprechen, ohne mich im Konflikt zu fühlen.
Ich kann einen Menschen auch dann schätzen, wenn ich mit ihm in einzelnen Punkten anderer Ansicht bin und kann es auch würdigen, wenn jemand, den ich eigentlich nicht schätze, in einem Punkt meiner Ansicht bin. Es geht nicht darum, einem Clan ewige Treue zu schwören, aber genau das ist es, was gerade die Diskussionen in diesen Angelegenheiten erschwert.
Am Ende meinen es alle Leute gut, sie alle haben Ideale, die ich befürworte: Die einen sind für Toleranz, die anderen für Freiheit. Aber irgendwie hat sich der Irrglaube entwickelt, man müsse sich dazwischen entscheiden.
Meinungsfreiheit heißt, nicht das Richtige, sondern das Falsche sagen zu dürfen
Ein gewisses Erweckungserlebnis war es, als man mir eine Petition antrug, DC solle den, gerade für sie schreibenden Orson Scott Card feuern, weil er ein Schwulenhasser sei. Ich hatte „Ender’s Game“ damals noch nicht gelesen, also überhaupt keine Ahnung, wer er sei. Ich wusste, er war SF-Autor und vertrat eine politische Ansicht, die ich für falsch hielt (und halte) – ich hätte es unterzeichnen können und mich fühlen, als hätte ich ein gutes Werk getan. Aber es wäre kein gutes Werk gewesen.
Ich bin gegen schwarze Listen, durch die Leute Berufsverbote aufgrund ihrer Meinung bekommen. Ja, in diesem Fall war es eine falsche Meinung, aber ich kann nicht mir zubilligen, was ich der Gegenseite nicht erlaube.
Wer „Pippi Langstrumpf“ umschreibt, weil die Verwendung des Wortes „Neger“ darin nicht mehr zeitgemäß ist (was sie tatsächlich nicht mehr ist), darf sich auch nicht beschweren, wenn ein Diktator prodemokratische Schriften beseitigt – in seiner Ordnung sind nämlich auch diese nicht mehr zeitgemäß.
Wie bitte? Der Unterschied ist, dass meine Werte in diesem Fall richtig sind, die des Diktators nicht? Das höre ich natürlich gern, aber ich wette, der Diktator sieht das ganz genau so. Daher sollten wir faire Spielregeln für alle gelten lassen.
Wer diesen Idealismus nicht teil, den erinnere ich mit dem bekannten Niemöller-Zitat daran, dass es auch gute egoistische Gründe für eine solche Haltung gibt. Wer nicht protestiert, wenn sie die Outgroup holen kommen, darf sich nicht wundern, wenn er später selbst geholt wird.
Ich will hier gar nicht groß selbstlos tun: Auch die Ironie meiner „Strichmann“-Comics wurde schon verkannt und ich für den Unsympathen gehalten, der dort Hauptfigur ist. Auch meine Werke haben schon Leute schockiert, angeekelt oder wütend gemacht. Wenn ich erlaube, dass Künstler, die ich nicht mag zu Unmenschen erklärt werden, kann ich der Nächste sein.
Ist das egoistisch? Es mag sein. Vielleicht bin auch ich gerade dabei, mir ein schönes moralisches Konstrukt zu suchen, in dem das, was ich eh machen will als Idealismus tarnen kann. Vielleicht ist selbst dieser Moment der Selbstreflexion etwas Koketterie. In dem Fall hätten wir gleich ein praktisches Beispiel dafür, wie leicht man sich die Dinge zurecht legt, wie sie einem passen. Bist du, lieber Leser, dir wirklich sicher, immun gegen diese Falle zu sein?
Der Balken im eigenen Auge
Toleranz muss da enden, wo sie Intoleranz Macht gibt. Das ist richtig. Aber sie muss auch aufpassen, dass sie keine selektive Toleranz wird, welche der Ingroup alles, der Outgroup nichts durchgehen lässt. Die einen Scherz der anderen Seite zum Hassverbrechen erklärt, die Attacken der eigenen Seite als unwesentlich abtut. Ein Mensch muss private Meinungen haben dürfen, die falsch sind, ohne darum zur Unperson zu werden die aus der Gesellschaft verdrängt werden muss und dass ein guter Zweck die Mittel heilige, ist einer der größten und fatalsten Irrtümer der Geschichte.
Nehmt hin, wenn jemand einen anzüglichen Witz macht, nehmt hin, wenn jemand etwas, was euch harmlos erscheint, als politisch inkorrekt beklagt. Beides sind Meinungen und die müssen frei sein.
Ich habe miterlebt, wie die Meinung von Frauen abgetan und als wertlos erachtet wurde, weil sie nicht feministisch genug waren bzw. der falschen feministischen Schule angehörten. Wie Verteidiger der Kunstfreiheit Künstler drängten, was sie gefälligst tun sollten, weil sie ihre Feinde ärgern wollten. Habe miterlebt, wie der reiche weiße Joss Whedon dafür als linke Ikone gelobt wurde, multikulturelle Andersdenkende für ihre Meinung mit dem KKK zu vergleichen. Da ging es nicht um Ideale. Weder um Freiheit auf der einen, noch Toleranz auf der anderen Seite. Da ging es nur darum, die Feinde des eigenen Stammes zu schlagen.
Und ja, auch wenn ich zur Mäßigung aufrufe, leugne ich nicht, dass auf beiden Seiten wirkliche Schurken in der Sache unterwegs sind, welche sich die Ideale umhängen, um selbst Macht zu gewinnen. Die anklagend auf angebliche Zensoren oder Sexisten zeigen, um eine Karriere als Ankläger zu beginnen. Diese sollten uns Warnung sein, dass jemand, nur weil er ein hohes Ideal beansprucht, nicht unbedingt wirklich Idealist ist. Sondern dass wir darauf achten sollten, dass er dieses Ideal auch lebt. Toleranz wie Freiheitsliebe beweist man beim Umgang mit dem, was man nicht mag.
Doch in dieser Debatte dürften eher wenige schnurrbartzwirbelnde Vollschurken unterwegs sein. Die meisten Beteiligten sind wohlmeinende Menschen, die aber nicht aus ihrer eingeschränkten Perspektive heraus können oder hoffen, einen einfachen Weg zum Guten gefunden zu haben. Bequeme Denker, die der ersten Quelle glauben, welche ihnen versichert, wie sie zu den Guten gehören können. Reine Opposition sollte keine Motivation sein, hier irgendetwas zu tun. Wenn jemand etwas Falsches tut, greife man nicht gleich zur groben Kelle der Schwarzpädagogik und verdamme ihn als Rassisten, Sexisten, Faschisten oder was auch immer, sondern halte sich doch einfach die Möglichkeit offen, dass er einfach nur irrt.
Reden wir, anstatt zu schreien und führen wir Diskurse, statt Kämpfe!
Spu
13. April 2015 @ 21:24
Was ich an deinen Artikeln zu diesen Themen nie verstehe, ist dass du gegen „wir gegen sie“, gegen den Zweck heiligende Mittel, gegen eine falsche Meinung = Unperson, gegen Versuche andere Meinungen mundtot zu machen plädierst, und dann Gamergate als zu unrecht, oder zu tief in eine Ecke gestellt interpretierst. Gamergate, das all diese Dinge in einer nie dagewesenen Extremität und Reinkultur betreibt, das sich seine Ideale größtenteils erst im Nachhinein auf die Fahnen geschrieben hat und so gut wie jede wirkliche Möglichkeit diese Ideale (mit richtigen oder falschen Mitteln) zu verteidigen verstreichen lässt um sich auf Grabenkämpfe mit Enemies by Association zu konzentrieren, das überall noch einen Schritt weitergeht, „andere Meinungen“ nicht „nur“ als „falsche Meinungen“ sondern als „Lügen“ bezeichnet. Oder wie bei der größten, organisiertesten Einzelgruppierung, und Zielgruppe quasi aller Mainstreamspiele von einer „Outgroup“ gesprochen werden kann.
Ja, Extremaktivisten neigen dazu jeden zu verteufeln der einmal was falsches sagt, oder den sie auch nur einmal falsch verstehen, selbst Beführworter werden, wenn sie sich einmal nicht absolut perfekt ausdrücken in falsche Ecken gestellt, aber Gamergate, das mit dem Klappspaten versucht die Ecke noch tiefer auszuhöhlen um noch weiter in sie hinein zu kommen ist das denkbar schlechteste Beispiel. Jon Ronson’s Buch „So You’ve Been Publicly Shamed“ sollte da, z.B. bessere Beispiele bieten.
Und, aber das ist ein anderes Thema, der McCarthy-Blockbot-Vergleich hinkt doch etwas sehr. Die Twitter-Blockbots ermöglichen es idiotischen Extremisten nichts lesen zu „müssen“ was ihrer Weltanschauungsblase nicht entspricht, sie hindern aber niemanden in irgendeiner Form daran irgendetwas zu schreiben und von der eigenen Blase, oder Neutralen, gelesen zu werden. Wenn sich die ganzen Extrempole, bei denen, wenn es um einen Diskurs geht, Hopfen und Malz eh verloren sind etwas mehr ignorieren würden, statt sich zu beschweren, dass ihre Meinungsfreiheit eingeschränkt wird wenn die Leute die sie hassen ihre Tweets nicht lesen, gäb es auch ein etwas ruhgieres Umfeld in dem sich die Nichtextremen entspannter austauschen könnten. Am Ende schaden die alle ihrer eigenen „Seite“ sowieso mehr als sie ihr nutzen.
Dirk M. Jürgens
14. April 2015 @ 11:07
Wenn man etwas in eine Ecke stellt, verweigert man ihm damit eine vielseitige Betrachtungsweise. Das ist zuweilen zweifellos korrekt (bei Nazis etwa überdeckt das Nazisein andere Faktoren, wie dass sie vielleicht über tragische individuelle Umstände dort hinein gerutscht sind), aber GG zumindest ist eine zu vielseitige (und vor allem ja nicht klar abgegrenzte) Gruppe, als dass man sie über einen Kamm scheren könnte.
Natürlich unterliegen auch viele GGler dem Klandenken! Darum geht es mir ja – wir alle verfallen dem. Es ist uns antrainiert, weil unsere Vorfahren nur so überleben konnten. Wie Scott Alexander in dem Slate Star Codex-Artikel schreibt: Erst glaubte er, davon frei zu sein, weil er beide Stämme kritisierte, als ihm aufging, dass er nur eben zu einem dritten Stamm gehörte uns so lediglich über zwei Outgroups sprach.
Und hier ist es auch nach über einem halben Jahr so, dass GG fast nur schlechte Presse bekommt. Über einen schreienden Spinner berichten alle, jemand, der logische Ausführungen macht wird ignoriert. Bin erst letztens jemanden begegnet, der sich nicht eingehend damit beschäftigt, sondern mal eben mitkriegt, was so die wenig netzaffinen Medien sagen und voller Stolz verkündete, jeder, der GG unterstütze sei ein intolerantes Arschloch. Da dachte ich gleich an die sympathische feministische Videospielbloggerin Vicsor und dass jemand, der diese so bezeichnet kaum Ahnung haben kann.
Wie gesagt, da steckt keine Verschwörung hinter, sondern bloße Faulheit und das angenehme Gefühl, dass man hier durchs Verachten ein guter Mensch werden kann. Gerade darum halte ich es für wichtig, auf diese Seite hinzuweisen, die in der Öffentlichkeit und auch unter meinen Lesern kaum mitbekommen wird. Wäre dies ein undergroundiger Gegenkulturblog, der hauptsächlich von Gatoren besucht wird, würde ich mehr gegen die Dämonisierung der anderen Seite schreiben, um gegen das Lagerdenken vorzugehen.
Würde der Blockbot tatsächlich nur eine Scheuklappe für Leute sein, die eine bestimmte Denkrichtung nicht sehen wollen, wäre der McCarthy-Vergleich tatsächlich fehl am Platz. Aber er ist von Twitter offiziell als Werkzeug gegen Belästiger anerkannt und damit ist seine Blockliste eine dauerhafte Verleumdung gegen diejenigen, die darauf stehen. Seine Macher und Anhänger diskutieren schon, ob man sie nicht zu einer Blacklist der Industrie machen kann, um die als falsch verstandenen Leute aus technischen und journalistischen Berufen draußen zu halten. Das geht natürlich nicht einfach, weil die Industrie kein Kollektiv ist, aber irgendwo als angeblicher Belästiger aufgeführt zu werden, weil man wissenschaftliche Kritik geübt hat, kann dennoch karriereschädlich sein. Will sagen, das Ding ist abgesegnet und groß und nicht nur das Spielzeug einer schrägen Randgruppe.
Zudem ist eine solche Liste natürlich die höchste Vollendung des Lagerdenkens: Die von mir immer wieder gelobte Liana Kerzner etwa steht ja auch drauf, obwohl sie nicht einmal GG ist, aber eben Anita Sarkeesian ausführlich und sachlich kritisiert hat. Der Uneingeweihte (wie oben zitierter Zeitgenosse) scheint sie dann als eine Eva Herrmann und was solche Fehleinschätzungen befördert erscheint mir nicht vertretbar.
Warum ich regulierte Popkultur für eine verlorene Sache halte | Geschlechterallerlei
12. Mai 2015 @ 7:02
[…] Buddelfisch hat sich in seinem letzten Beitrag zu den ganzen Popkultur-Aufregern der letzten Zeit abwägend geäußert und sich nicht auf eine bestimmte Seite geschlagen. Ein schöner Ansatz, den ich gerne […]