Diversity done right & wrong (1/2)
Gleich zu Anfang räume ich hier ein, nicht der Welt größter „Ghostbusters“-Fan zu sein. Klar mag ich die Franchise, aber neben den Filmen kenne ich nur eine Handvoll Folgen der Trickserie(n) und keinen der Comics. Die Ankündigung eines neuen Films nahm ich daher interessiert, aber ohne größere Gefühlswallungen zur Kenntnis.
Inzwischen wird aber jedes neue Detail davon Anlass für einen Glaubenskrieg in den Kommentarspalten, seit bekannt wurde, dass die neuen Ghostbusters allesamt Frauen sein werden.
Um also nach der Eingangsmeldung, welche mich schon so einige Nerdpunkte gekostet haben dürfte, auch hier Stellung zu beziehen: Ich habe kein Problem damit.
Die originalen Ghostbusters sind inzwischen zu alt und auch nicht mehr vollständig an einem Sequel interessiert oder auch nur am Leben. Insofern scheint mir ein kompletter Neustart eine bessere Entscheidung, als mit Teilen der Originalbesetzung, Ersatzleuten und vielen, vielen Stunt Doubles eine Fortsetzung zu machen, die am Ende niemanden zufrieden stellt. Aber ein komplett neues Team, welches entweder die Jobs übernimmt, oder in einer komplett neuen Continuity tätig ist, beschädigt auch im Fall des Misslingens nicht die Originale. Und der Geschlechterwechsel schafft zusätzlichen Abstand zwischen den beiden Versionen. Man genderbendert nicht die bekannten Charaktere, sondern schafft neue, mit denen man neues ausprobieren kann. Es geht hier nicht um die konkreten Figuren, sondern nur den Beruf des Geisterjägers, warum also nicht?
Ein schwarzer James Bond
In den letzten Jahren haben derartige Diskussionen zugenommen und selten irgendetwas Konstruktives erbracht. Statt, dass wirklich argumentiert und sich mit der anderen Position auseinander gesetzt wird, läuft es auf wiederholtes Beharren, wie eine Figur zu sein habe bzw. was der Andersdenkende doch für ein Rassist/Sexist sei.
So etwa auch gerade, seit der schwarze Schauspieler Idris Elba (der ja schon als Heimdall in „Thor“ für Kontroverse sorgte) als nächster James Bond vorgeschlagen wurde.
Nun: Hätte „Skyfall“ nicht die beliebte Fantheorie, Bond sei lediglich ein Deckname für verschiedene Agenten ausgeschlossen, hätte ich nichts dagegen. So aber bin ich unschlüssig. An sich sehe auch ich Bond als weiße Figur: Er ist die Verkörperung, männlichen, westlichen, kapitalistischen, heterosexuellen Chauvinismus‘ und damit vom Grund auf keine politisch korrekte Figur (es hat schon seine Berechtigung, dass er in Alan Moores „League of Extraordinary Gentlemen“ so schlecht wegkommt). Herrje: Seine Coolness basiert unter anderem darauf, dass er die Lizenz zum Töten hat und diese reichlich und fröhlich nutzt. Das ist nicht das Material für einen liberalen Helden. Er ist eine Machtfantasie.
Ich mochte die Filme mit Pierce Brosnan, aber als Bond-Filme versagten sie ziemlich. Gerade im, von mir besonders geschätzten „Goldeneye“ sind die Szenen, in denen der eiskalte Killer Bond über das Töten jammert, seine Chefin ihr bestes Mordwerkzeug als reaktionär anschnauzt oder eine gehirngewaschene Monneypenny von sexueller Belästigung redet furchtbar gezwungen. Die Macher schämten sich anscheinend für das, was sie taten, wollten aber dennoch von der Marke profitieren. Gespielt von Daniel Craig hat sich die Figur Bonds hingegen etwas behutsamer verändert, so dass auch ein Rassenwechsel kein ganz so krasser Bruch wäre, aber es bliebe das Problem, dass man damit endgültig von dem Stil der Figur abrückt.
Gänzlich anders sehe ich es übrigens bei „Doctor Who“: Dort verwandelt sich der Protagonist statt zu sterben immer in eine gänzlich andere Person, entsprechend spräche für mich nichts dagegen, den nächsten Doctor schwarz, indisch, weiblich oder sonstwie unkonventionell zu besetzen. Da mir persönlich das Verhältnis des Doc zu seinen Companions etwas gequält und wenig abwechslungsreich erschien, würde eine Frau Doktor da vermutlich frischen Wind einbringen, welcher der Serie insgesamt gut täte.
Gender- und Racebending
Ein ähnlich umstrittener Fall ist das angekündigte Reboot der „Fantastic Four“, in dem Johnny Storm (die menschliche Fackel) ebenfalls von einem Schwarzen gespielt werden wird.
Wie erwartet erzeugte diese Nachricht enormen Unmut unter den F4-Fans und wie erwartet tönten ihnen sofort Rassismusvorwürfe entgegen. Vernünftig diskutiert wurde natürlich nicht. Wäre ja auch Appeasement und morgen marschieren die Nazisaurier ein.
Jetzt mal Schritt für Schritt: Einen großen Teil des Reizes einer Comic- oder Videospielverfilmung macht es aus, Dinge und Figuren, die man gezeichnet oder digital kennt, in real nachgebildet zu sehen. Sehen diese Dinge oder Figuren nicht aus wie ihre Vorlagen, geht dieser Reiz verloren. Wenn Mr. Storm, den man als jungen Blondschopf kennt, auf einmal alt, dick, schwarz, asiatisch oder mit superstarken Roboterarmen ausgerüstet auf der Leinwand erscheint, ist der Comicleser um diesen Reiz gebracht.
Ich weiß, es ist ein schönes Gefühl, zu den Guten zu gehören, und jemanden zum Rassisten zu erklären. Mag ich selbst auch wirklich gern! Aber nun fragen wir uns mal ehrlich: Wenn der nächste Superman blond, also noch weißer/arischer wäre… glauben wir wirklich, die Comicfans würden nicht genauso protestieren? Wenn sie wirklich nur weiße Rassisten sind, wie wir uns stolz immer wieder selbst versichern, müssten sie dann nicht froh sein?
Ein ähnlicher Fall Lucy Lius Besetzung als Sherlock Holmes‘ Sidekick Dr. Watson in „Elementary“ (einer Serie, die ihrer Pilotfolge nach unabhängig aller Ideologie absoluter Mist zu sein scheint, aber darum geht es nicht). In Sir Arthur Conan Doyles Geschichten ist Watson ein biederer, viktorianischer Gentleman, Kriegsveteran und Arzt. Lius Version ist eine weibliche, asiatischstämmige Ärztin im modernen Amerika. Ich mag Lucy Liu – aber ich mag auch Ron Pearlman und würde ihn trotzdem nicht als Jeanne d’Arc sehen wollen. Hier ist einfach kaum ein Merkmal der Figur geblieben, weshalb man als Fan der Vorlage um seinen Dr. Watson gebracht wird. Sich über dieses Vorenthalten zu beschweren, hat nichts mit Geringschätzung von Lius Geschlecht oder Herkunft zu tun. Ein Watson als skandinavischer Skinhead wäre ebenso unwillkommen. Hätte man die Figuren einfach zu Nachfahren von Doyles Charakteren gemacht, wäre das Problem umgangen worden.
Nachdem ich nun also anhand einiger aktueller Fälle meine Position deutlich gemacht habe, zerschmetter ich den sauberen Aufbau dieses Artikels mit einem Richtungswechsel.
Denn statt an fremden Geschichten herumzunörgeln, warum sie nicht die Diversität enthalten, die man gerne hätte, rate ich, lieber solche zu unterstützen, die sie haben und so empfehle ich hier einmal einen Einzelfall, der viel zu wenig Beachtung zu bekommen scheint.
Doch das in einem zweiten Teil
Graublau
7. Februar 2015 @ 18:15
„Inzwischen wird aber jedes neue Detail davon Anlass für einen Glaubenskrieg in den Kommentarspalten, seit bekannt wurde, dass die neuen Ghostbusters allesamt Frauen sein werden.“
Diese Meldung alleine würde bei mir tatsächlich gemischte Gefühle auslösen. Die Horrorvorstellung wären Geisterjäger, die auch vollgeschleimt noch eine perfekte Frisur haben und ganz normale Leute sind, aber eben super aussehen – oder die eingeforderten „starken weiblichen Charaktere“, die kaum Potential zum Entwickeln oder Vielschichtigkeit einer Figur bieten. Die gesunder-Menschenverstand-Vorstellung ist jedoch: Die Zeit ist doch längst reif dafür. Wir haben genügend Frauen als liebenswerte und sympathische Charaktere in Komödien gesehen, warum also nicht gleich vier davon? Vielleicht sogar noch welche aus der zweiten Reihe, die noch nicht berühmt und satt genug sind. Die können dann einerseits sympathisch sein (wichtig fürs mitfiebern), müssen aber nicht stets aus dem Ei gepellt auftreten (vgl. vollgeschleimt werden) und sollten eher ein paar liebenswerte Macken haben (Geisterjäger sind schrullig, Nerds gehen sowieso immer). Also, mit fünf Sekunden Nachdenken ist das doch wunderbar möglich.
„Insofern scheint mir ein kompletter Neustart eine bessere Entscheidung, als mit Teilen der Originalbesetzung, Ersatzleuten und vielen, vielen Stunt Doubles eine Fortsetzung zu machen, die am Ende niemanden zufrieden stellt. Aber ein komplett neues Team, welches entweder die Jobs übernimmt, oder in einer komplett neuen Continuity tätig ist, beschädigt auch im Fall des Misslingens nicht die Originale.“
Vergleiche Blues Brothers und Blues Brothers 3000. Da hat man das genauso versucht.
„Hätte „Skyfall“ nicht die beliebte Fantheorie, Bond sei lediglich ein Deckname für verschiedene Agenten ausgeschlossen, hätte ich nichts dagegen.“
Aber Roger-Moore-Bond legt 1981 Blumen auf das Grab seiner Frau. Sie heißt Theresa, ist 1969 gestorben und auf dem Grab steht „We have all the time in the world“ – was zum George-Lazenby-Bond passt. Alles nur Zufall?
„An sich sehe auch ich Bond als weiße Figur: Er ist die Verkörperung, männlichen, westlichen, kapitalistischen, heterosexuellen Chauvinismus’ und damit vom Grund auf keine politisch korrekte Figur“
Vor allem funktioniert James Bond deswegen, weil er all das macht, was eigentlich nicht mehr geht bzw. nicht korrekt ist. Ungebrochen ging das alles spätestens Ende der 1960er nicht mehr. Die Filme sind eines der letzten Reservate des Macho-Mannes und bedienen die verbotene Fantasie, dass man gerne auch alles mögliche in die Luft jagen würde, die Bösen einfach mit einem coolen Spruch auf den Lippen tötet und einem nebenbei keine Frau widerstehen kann. Und nebenbei reist man um die Welt, hat tolle Ausrüstung und die Leute nehmen einen sofort als einen fähigen Typen wahr. Da irgendwelche Korrektheit einführen zu wollen, ist zum Scheitern verurteilt – auch wenn die Filme gesellschaftliche Entwicklungen (etwa die Entspannungspolitik in den 1970ern) und die Zuschauergewohnheiten berücksichtigen mussten.
„Ich mochte die Filme mit Pierce Brosnan, aber als Bond-Filme versagten sie ziemlich. Gerade im, von mir besonders geschätzten „Goldeneye“ sind die Szenen, in denen der eiskalte Killer Bond über das Töten jammert, seine Chefin ihr bestes Mordwerkzeug als reaktionär anschnauzt oder eine gehirngewaschene Monneypenny von sexueller Belästigung redet furchtbar gezwungen.“
„Goldeneye“ musste jedoch gleich zwei Hürden nehmen: Zum einen die extrem lange Pause seit dem letzten Film und zum anderen die politisch völlig veränderte Wetterlage. M mit einer Frau zu besetzen, erwies sich als Glücksgriff. Interessant die Parallele zu „Sag niemals nie“, wo der neue/andere M James Bond ebenfalls als in die Jahre gekommen ansieht.
„Einen großen Teil des Reizes einer Comic- oder Videospielverfilmung macht es aus, Dinge und Figuren, die man gezeichnet oder digital kennt, in real nachgebildet zu sehen. Sehen diese Dinge oder Figuren nicht aus wie ihre Vorlagen, geht dieser Reiz verloren.“
Naja, man hat doch oft genug die bunten Kostüme durch etwas Zeitgemäßeres (schwarze Ledermäntel) ersetzt. So einfach ist es dann auch nicht.
<em"Ich mag Lucy Liu – aber ich mag auch Ron Pearlman und würde ihn trotzdem nicht als Jeanne d’Arc sehen wollen."
Das Kopfkino! Argh! Das Kopfkino….
„Ein Watson als skandinavischer Skinhead wäre ebenso unwillkommen. „
Das Kopfkino! Argh! Das Kopfkino….
Dirk M. Jürgens
7. Februar 2015 @ 18:45
Ja, die Sorge, dass man sich mit dem „starke Frau“-Schlagwort begnügt und keine echten Charaktere macht, besteht natürlich auch, aber das muss ja zum Glück nicht so kommen.
Dennoch sei natürlich mal wider Sophia McDougall famoser Artikel zum Thema verlinkt:
http://www.newstatesman.com/culture/2013/08/i-hate-strong-female-characters
Über die Szene mit Roger Moore am Grab wurde schon öfter spekuliert, aber die Anhänger der Decknamentheorie deuten sie so, dass der Vorgänger nach dem Tod seiner Frau ausgestiegen ist und sein Nachfolger ihrer gedenkt, weil sie für ihn die Gefahren des Jobs zeigt.
Die Kostümveränderungen bei Superhelden sind natürlich auch immer ein Streitthema, aber inzwischen doch ziemlich zurückgegangen. Bei „X-Men“ beschwerte sich keiner, weil damals Superheldenfilme ihre Vorlagen meist völlig ignorierten, so dass man froh war, was sonst an dem Film stimmte, aber mittlerweile ist man da verwöhnter. Natürlich werden die Kostüme modifiziert, damit sie auf der Leinwand nicht albern wirken, aber man gibt sich in der Regel schon Mühe, sie möglichst erkennbar zu halten.
Noch immer denke ich schwärmerisch an „Dellamorte Dellamore“, der nicht nur ein toller Film ist, sondern auch der inoffizielle aber einzig wahre „Dylan Dog“-Film, da die Comicfigur nach Rupert Everett gestaltet wurde und man den für den Film so kleidete, wie sein Comicabbild.
Robin
9. Februar 2015 @ 2:33
„Wenn der nächste Superman blond, also noch weißer/arischer wäre… glauben wir wirklich, die Comicfans würden nicht genauso protestieren?“
Jop. Mich persönlich störte es schon total, dass Supermans Haare in diversen Realfilm-Adaptionen meist nicht wirklich schwarz, sondern nur sehr dunkelbraun waren, als wäre es ein großes Problem, das zu färben. Oder ein Harry Potter mit blauen Augen… Und sind die Fans nicht auch bei Daniel Craig zunächst übelst aufgeplatzt, eben genau aus dem Grund, weil der blond ist?
„Ein ähnlich umstrittener Fall ist das angekündigte Reboot der „Fantastic Four“, in dem Johnny Storm (die menschliche Fackel) ebenfalls von einem Schwarzen gespielt werden wird.
Wie erwartet erzeugte diese Nachricht enormen Unmut unter den F4-Fans und wie erwartet tönten ihnen sofort Rassismusvorwürfe entgegen.“
Mich hat das auch etwas befremdet. An sich interessieren mich die Fantastic Four überhaupt nicht, aber auch als DC-Fan kriegt man ja ein bisschen was aus dem anderen Universum mit. Mir stellte sich sofort die Frage, wie Johnny Storm schwarz sein kann, Susan Storm – seine SCHWESTER – jedoch nicht?
Deren blonde Haare sind noch viel mehr Markenzeichen als Johnnys Blondschopf und ihr Aussehen zu ändern ist daher wesentlich schwieriger als Johnnys.
Noch ein Beispiel: In der neuen Flash-Serie ist Iris Allen, sein Love Interest, ebenfalls anders als in der Vorlage schwarz – und ich habe ein gewaltiges Problem damit. Einerseits genau wegen den von dir vorgebrachten Argumenten (wenn auch nicht mal so wirklich wegen Iris, sondern wegen eventueller Nachkommen, die ich mit ihren speziellen Aussehen ins Herz geschlossen habe). Andererseits deswegen, weil mir diese Figur tatsächlich rassistisch vorkommt. Sie haben nämlich die weiße Iris aus der Vorlage nicht nur schwarz gemacht, sondern aus der toughen Powerfrau auch ein unglaubliches Dummchen!! Und das hat für mich einfach ein Geschmäckle. Überhaupt machen es sich Serienmacher zu einfach, wenn sie irgendwelche weiße Personen schlicht durch PoCs ersetzen und dann denken, dass sie ihre Pflicht erfüllt haben.
PS: Wer, wie Dr. Wertham, vorwurfsvoll einwendet, dass Superman ja so arisch sei (trotz schwarzer Haare), dem erwidere ich gerne, dass er nicht mal ein Mensch ist – auch wenn das viele immer wieder vergessen ^^
Dirk M. Jürgens
9. Februar 2015 @ 11:34
Der Craig-Bond ist ein guter Punkt! Selbst bei einer Figur, die optisch soviel weniger festgelegt ist, ging der Nerdrage los.
Die „Wieso ist Susan Storm weiß?“-Frage hat übrigens noch zu einem ganz absurden Diskussionableger geführt: Die Verteidiger der schwarzen Besetzung erklärten, das wäre in einer Patchwork-Familie doch durchaus möglich und wer darüber stolpere, sei offenbar zumindest unbewusst gegen Rassenmischung. 😛
Die Flash-Serie werde ich erst diese Woche im Free-TV begutachten, kann also noch nichts dazu sagen, aber das klingt traurig plausibel.
Zu Supermans Nichtmenschlichkeit bleibt meine Lieblingsstelle immer die „Swamp Thing“-Story, in welcher die Frau des Titelheldin wegen Sodomie vor Gericht steht, weil das Sumpfding ja kein Mensch ist. Batman löst den Fall, indem er den Staatsanwalt auffordert, wenn er das Gesetz so auslegt doch bitte Anklage gegen Lois Lane zu erheben. ^^