Nordkorea-Special – Teil 1: Der coole Kim und seine Mädels
Nachdem die Reihe mit Filmen des Dritten Reiches ja gut ankam, nahm sich das Kommunale Kino Kiel im Herbst 2011 die Filmproduktion einer anderen Diktatur vor: Die, der Demokratischen Volksrepublik Korea, wie sie sich nennt, hierzulande eher als Nordkorea, oder Kims Abenteuerspielplatz Des Todes bekannt.
Nordkorea kommt nach Kiel
Namentlich als Filmwoche bezeichnet, ging die Reihe vom 25.09. bis zum 16.10. 2011 und wurde sogar in Anwesenheit einer Nordkoreanischen Delegation begonnen. Diese war zwar optisch eine hübsche Ergänzung (die Damen kamen in traditionellen Gewändern), trug aber ansonsten wenig bei, da sie weder eine Rede hielt, noch für eine Fragerunde offen war. Wenig verwunderlich, kann ein falsches Wort in der Heimat doch leicht mal zu Unannehmlichkeiten führen, erkläre ich es mir mittels gängiger Klischees.
Auskunftsfreudiger war da der Gastredner Malte Herwig, welcher das Land, um das es ging, einmal besucht hatte und berichten konnte, dass es dort sogar Zensoren im Projektorraum der Kinos gibt, die im Notfall schnell eine Pappscheibe vor die Linse halten, dass auf öffentlichen Plätzen Markierungen sind, wo man zu stehen hat und die nordkoreanischen Filmstudios sich rühmen, dass alle ihre Kulissen echte Bauwerke seien, was einen kuriosen Kontrast zum Rest des Landes bildet, der ja zum großen Teil Attrappe ist.
Die urbane Legende, dass die Übersetzer/Fremdenführer/Spitzel, welche westliche Besucher rund um die Uhr begleiten, die Existenz einiger Gebäude auch dann leugnen müssen, wenn sie direkt davor stehen, konnte er als real bestätigen. Es gab noch einen zweiten Vortrag von Bernd Göken (Cap Anamur, Deutsche Not-Ärzte e.V.) über die Menschenrechtslage dort, den habe ich jedoch nicht besucht, da ich annehme, mir sowohl das Verhungern, als auch die Folterungen und Ermordungen dort selbst ganz gut vorstellen zu können. Tyrannei hat ja immer wieder ähnliche Erscheinungsformen, ich interessierte mich mehr für die einzigartigen Aspekte des vielleicht bizarrsten Landes der Welt.
Warum ich mich erst jetzt, drei Jahre später dazu äußere?
Nun, die Antwort ist so einfach wie wenig ehrenvoll: Der ja für seine Großzügigkeit bekannte Kim (damals noch Jong-Il) revanchierte sich für die Reihe mit einer Gegeneinladung an den Veranstalter (was erst unter Jong-Un verwirklicht wurde) und ich witterte eine Möglichkeit, mich der Reise anzuschließen. Und auch wenn sich die Gefahr für Touristen in Grenzen halten dürfte, wollte ich doch nicht das Risiko eingehen, nur eine Google-Suche vom Arbeitslager entfernt zu reisen. Daraus wurde nichts, also kann ich ja jetzt zumindest den Profit zweier Artikel daraus schlagen.
Von den zwölf Filmen, die gezeigt wurden sah ich fünf, deren Handlung ich hier lang und breit ausplaudern werde, aber da man sie ja eh nie wieder zu sehen kriegen wird, denke ich nicht, dass ich wem was verderbe.
„A Schoolgirl’s Diary“
(Jang In Hak, 2006)
Ein junges Mädchen ist verärgert, dass ihr Vater den ganzen Tag mit ominöser, nicht näher ausgeführter Wissenschaft beschäftigt ist, statt sich um seine Familie zu kümmern. Dies ändert sich, als sie schließlich herausfindet, dass seine Arbeit ungeheuer wichtig ist, um Nordkorea weiterhin seine internationale Spitzenposition zu erhalten.
Der Einstiegsfilm sollte gleich recht repräsentativ für den Rest der Reihe werden: Technisch rückständig und inhaltlich äußerst plump. 2005 gedreht, sieht er von seinen Farben und schlecht angebrachten Zeitlupen aus, wie einer jener italienischen Billigfilme aus den 70ern, deren Titel der deutsche Verleih je nach Mode mit ZOMBIES, BESTIEN oder KANNIBALEN garnierte. Nur wo in diesen Filmen auch eine entsprechend ärmliche Ausstattung herrscht, gibt es hier immer wieder gewaltige Massenszenen. Menschen sind schließlich wohl auch das einzige, was es in Nordkorea zur genüge gibt (neben Kim-Bildnissen). Und was machen diese vielen Menschen? Sie freuen sich, dass es ihnen so gut geht. Dank Kim.
So unterbrechen sie den Fluss des Films, um ein Lied darüber zu singen, dass sie alle Urlaub machen, nur der große General Kim nicht, denn der arbeitet unermüdlich für ihr Land. Das Lieblingslied unserer Heldin, welches ihr Vater ihr in einer rührend gemeinten Szene vorsingt handelt ebenfalls davon, dass wir nie allein sind, weil die Schritte General Kims uns immer begleiten. Halt ein Wohlfühl-Überwachungsstaat!
Auffällig ist auch, dass in dem Film fast durchgehend gegessen wird. Wenn sich Figuren treffen, dann zum Essen, wenn jemand zu Besuch kommt, bringt er etwas zu essen mit, wenn sich gestritten wird, dann um unterschiedliche Essenswünsche. Man gibt sich also äußerste Mühe zu zeigen, dass diese ganzen Geschichte über Hungersnöte außerhalb der Großstädte nichts als Propagandalügen des imperialistischen Feindes sind. Äußerst überzeugend.
Eine zusätzliche gruselige Dimension bekam der Film noch durch die Ausführungen Herwigs, der auf die zeitliche Einordnung aufmerksam machte. „A Schoolgirl’s Diary“ wurde nämlich kurz vor der Offenbarung der nordkoreanischen Atombombe gedreht, so dass man im Nachhinein einen gewissen Verdacht hat, woran der nette Vater im Film denn so arbeitet.
„The Flower Girl“
(Pak Hak, Choe Ik Gyu, 1981)
Das zweite Mädchen dieser Reihe lernt ebenfalls wichtige patriotische Pflichten kennen. Lebt es doch zur Zeit der japanischen Besatzung im tiefsten schlimmsten Elend, nachdem die fiesen Kollaborateure der blutdurstigen Japaner ihrer kleinen Schwester das Gesicht verbrühten, ihren großen Bruder einsperrten (und das nur, weil er eine Brandstiftung begangen hatte) und ihre arme alte Mutter zu niedrigster Arbeit zwangen. Sie selbst verkauft Blumen, erkennt jedoch schließlich, dass sie lieber die „roten Blumen der Revolution“ verbreiten sollte.
Nach einer Revolutionsoper Kim Il-Sungs höchstpersönlich gehört dieser Film zu den großen Klassikern der DVRK und seine Hauptdarstellerin (die angibt, alles, was sie über Gesang und Schauspiel weiß, nur dem großen Kim persönlich zu verdanken) hat es dort sogar auf einen Geldschein geschafft. Nirgendwohin geschafft hat es hingegen die Subtilität, die vermutlich in irgendeinem Umerziehungslager schmachtet. Nach dem Motto „Mehr wirkt mehr“ zieht der Film jede Leidensszene seiner gequälten Heldinnen ewig in die Länge. Ob es die Mutter bei viel zu schwerer Arbeit ist, die blinde Tochter mit ihren Verbrühungswunden oder das Blumenmädchen, wenn es trauert: Alles ist ewig lang, überdeutlich, laut und tränentriefend, bis das Mitleid des Zuschauers überstrapaziert ist und man die Schnauze voll von dem Gewinsel hat. Auch in der Konstruktion der Leiden wenig subtil trifft die Familie halt ein Schlag nach dem nächsten, ohne dass darum viel Handlung aufgezogen wird. In der Konstruktion seines Dramas ist „The Flower Girl“ also so sorgfältig wie der landläufige Porno bei der Konstruktion seiner Liebesgeschichte.
Wenn in den letzten zehn Minuten des überlangen Films dann endlich die Revolution ausbricht, nachdem der Große Führer Kim symbolisch den toten Bruder wiedererweckt hat, geht es propagandaüblich schnell und sauber vonstatten. Die bösen Japaner und ihre Helfer werden weggedrängt, dann holt jemand zum Schlag aus und die Kamera, die sich zuvor am Schmerz der Heldin so penetrant weidete, wie die Super Nanny an Familienproblemen, guckt woanders hin.
Na ja, zumindest die erstaunlich wenigen Lieder sind tatsächlich ganz hübsch und handeln mal nicht von Kim (womit sie eine Ausnahme in der Filmreihe sind).
Weiter geht es mit Teil 2: Märtyrer, Monster, Martial-Arts
Buddelfisch Funk #08: „Trailer Roundtable… part deux“ – MEGALIFE RADIO
22. Juli 2017 @ 20:01
[…] Dirk und ich haben Matthias und Corinna beim Buddelfisch Funk zu Gast und diese Woche setzen wir die Diskussion zu aktuellen Filmtrailern fort. Wir sprechen über Jurassic World und James Bond: Spectre. Ausserdem mache ich mich sehr unbeliebt bei meinen Kollegen und werde verbannt. Ups!! Na, aber wer was bewegen will, muß eben auch provozieren, wir sind ja hier nicht in Nordkorea! […]