C. S. Lewis: „Die Perelandra-Trilogie“
C. S. Lewis: „Die Perelandra-Trilogie“
„Out of the Silent Planet“, 1938 – „Peleandra“, 1943 – „That Hideous Strength“, 1945
Science Fiction vom “Narnia”-Autor
Hierzulande kennt man C. S. Lewis praktisch nur wegen seiner „Narnia“-Romane, doch es gibt ein zweites Werk, das meines Erachtens mehr Beachtung verdient. Und sei es nur als Kuriosum, denn die „Cosmic Trilogy“ gehört dem selten vorkommenden und noch seltener Qualität aufweisenden Genre der christlichen Science-Fiction an.
Die drei Romane handeln von dem Wissenschaftler Ransom, der von seinen schurkischen Kollegen Devine und Weston auf einen privaten Raumflug zum Mars entführt wird. Dieser (in der adamitischen Ursprache Malakandra genannt) wird von drei intelligenten Spezies‘ bewohnt, die in friedlicher Nächstenliebe miteinander und der Natur leben. Gott (unter seinem intergalaktischen Namen Maleldil) lässt jeden Planeten von einem seiner Statthalter, den Oyeresu verwalten, welche die antiken Götter sind, nach denen wir ihre Reiche benannt haben. Nur der Oyarsa der Erde hat sich gegen Maleldil aufgelehnt, weshalb seine Welt zum Exil und zur Quarantänezone erklärt wurde. Dass sich Maleldil in Form von Christus dort inkarniert hat, erhebt nicht die Erde über die anderen Planeten, sondern ist eine Rettungsmaßnahme, um den „schweigenden Stern“ zu rehabilitieren.
Mit der ersten Raumexpedition ist die Quarantäne jedoch durchbrochen und auf der Venus (eben Perelandra) stellt Ransom fest, dass Satan sich im Körper Westons eingenistet hat, um so der Verbannung zu entkommen und seine Herrschaft über das All auszubreiten.
Wozu braucht Gott ein Raumschiff?
Man sieht, nicht ungeschickt hat Lewis christliche Mythologie hier in die SF übertragen. War „Narnia“ recht eklektisch und ohne ein großes Gesamtbild, hat er hier sauber und durchdacht konstruiert. Natürlich liegt die Betonung hier mehr auf Fiction, denn auf Science: Die Technik des Raumschiffs kümmert Lewis wenig und auch was die Gestaltung der Planeten angeht, lässt er seiner Fantasie freien Lauf. Und davon profitieren die Romane enorm!
Auf Perelandra etwa gibt es kaum festes Land. Die Bewohner leben auf schwankenden, treibenden Algeninseln, die ständig ihre Form ändern, so dass es dort nichts von Bestand gibt. Satyrn, Drachen und Seejungfrauen sind Bewohner anderer Planeten, aber der Menschheit durch das kollektive Unterbewusstsein bekannt. Alles ist eben nicht durch die Leere des Weltalls getrennt, sondern die Fülle des Himmels verbunden – so der Kern von Lewis‘ Konzept des Universums.
Zuweilen reizt es schon ein wenig zum Lächeln, wenn die natürliche Monogamie als Prinzip des sündenfreien Universums gilt und niemand auch von fast unbegrenzt vorhandenen Früchten mehr isst, als er wirklich braucht, weil auch Genügsamkeit zum Urzustand gehört.
Einen Kontrast zu dieser Biederkeit bietet die recht eindrucksvolle Konfrontation mit Satan. Denn dessen Erscheinung wird als durchweg rein und unschuldig geschildert: Was wir als Bosheit und Verschlagenheit kennen, ist laut Lewis nämlich der Konflikt zwischen satanischem Einfluss und göttlicher Natur. Ein rein böses Wesen hat diese Reibung nicht.
Doch hier kommen nun leider auch ideologische Probleme auf. Dass die Wissenschaft, welche die Raumfahrt ermöglicht hat, in diesem Konzept widergöttlich ist, ist notgedrungen der Idee von Satans Exilplaneten geschuldet. Aber wenn auf Peralandra der Sündenfall wiederholt werden soll, kommen unangenehme Züge zutage.
Wissenschaftsfeindliche Science Fiction
Denn auch auf der Venus hat Maleldil ein anscheinend sinnloses Gebot (die Übernachtung auf der einzigen festen Insel) erlassen, welches der Versucher die Königin des Planeten übertreten lassen will. Sein Trick ist, dass er sie erst einmal dazu bringt, sich einfach nur vorzustellen, wie es wäre es zu tun. – Die bloße Vorstellung, also das Denken wird dabei als erster Schritt zur Sünde dargestellt. Passend dazu gibt es statt „weiser“ oder „klüger“ auf der Venus nur das Wort „älter“. So fremd ist das Denken dort, wo Gott vollständig herrscht.
Erst sträubt sich die Königin: „Aber wenn ich versuche, die Geschichte über das Leben auf dem Festen Land zu machen, weiß ich nicht, wie ich es mit Maleldil halten soll. Denn ich kann sie nicht so machen, dass Er Sein Gebot geändert hat.“ – Es ist also nicht nur so, dass sie das Gebot achtet, sondern bereits das Nachdenken darüber ist falsch. Gottes Wille ist also ein Denkverbot.
Satan suggeriert ihr schließlich, Maleldil wolle durch sinnlose Gebote gerade Ungehorsam herausfordern, also genau das, was die sympathische Aussage Arronfskys „Noah“ war. Doch das ist hier Frevel. Maledils wahres Ziel ist es, die „Freude des Gehorsams“ zu lehren.
Satan lobt auch ausdrücklich gerade die Bildung von Frauen, aber das vertiefe ich nicht, um endlich mal wieder einen Artikel ohne den Tag „Geschlechterzeug“ zu schreiben.
Schlimmer aber noch, wie die Situation aufgelöst und der venusianische Sündenfall verhindert wird: Da er Satan in der Diskussion nicht schlagen kann, greift Ransom zur Gewalt. Nicht etwa zögernd und widerstrebend, sondern voller Freude, weil er nun endlich erkennt „wozu Hass gut war“. Natürlich: Da sein Gegner unsterblich ist, kann er nur dessen Körper zerstören und der Hass wird hier ausdrücklich gegen einen Nichtmenschen gut geheißen, aber der assoziative Sprung von da zum Heiligen Krieg ist nicht allzu weit.
Im dritten Band tauchen dann die sogenannten „Progressive Elemente“ auf, welche wieder ein unglückliches Licht auf Lewis‘ Vorstellung von Wissenschaft werfen, denn die Vorstellung dieser, wie man der Menschheit dienen könne beziehen sich auf „Sterilisierung der Untauglich, Liquidierung rückständiger Rassen […] und Zuchtwahl“ und eine Erziehung „die mit dem Prinzip der Freiwilligkeit und ähnlichem Unsinn aufräumt“. Ausdrücklich weisen sie aber auf die Notwendigkeit hin, diese Ziele zu verschleiern. Sie sind also zumindest nicht wissenschaftlicher Konsens.
Etwas gemildert wird dies dadurch, dass auch ein fanatischer Priester den Verschwörern angehört. Dieser sieht die Wissenschaft als Mittel, das Reich Gottes auf Erden zu errichten und die Religion von den „schmutzigen Fetzen des Humanismus“ zu befreien. Damit mögen Lewis‘ Ansichten unsympathisch sein, aber zumindest distanziert er sich damit von Theokratien. Man mag seiner Meinung nach in die Hölle kommen, weil man Krebs heilen will, aber er sieht es nicht als Aufgabe des Menschen, einen dorthin zu schicken.
Bekenntnis zu christlicher Toleranz?
Da mir der Ideenreichtum der Bücher sympathisch ist, freue ich mich aber, etwas darin ausmachen zu können, was man durchaus als fortschrittlich sehen könnte. Denn obwohl die Oyeresu körperlos und entsprechend asexuell sind, haben sie doch Geschlechter. Mars ist eindeutig männlich, Venus eindeutig weiblich:
„Das Geschlecht ist eine Realität, eine grundsätzlichere Realität als die Sexualität. Die Sexualität ist nur die Anpassung organischen Lebens an eine grundsätzliche Polarität, die alle erschaffenen Geschöpfe scheidet.“
Vielleicht urteile ich da sehr wohlwollend, aber mir scheint, daraus ließe sich durchaus Akzeptanz von Homosexuellen und Transpersonen ableiten. Diese wären dann in einzelnen Aspekten andersgeschlechtlich, als in der Sexualität. Ebenso könnte man natürlich konservativ argumentieren, wenn das Geschlecht so eine grundlegende göttliche Ordnung sei, verbiete sich jede eigene Veränderung daran. Da Lewis aber dazu nichts sagt, interpretiere ich es mal positiv.
Religion als Verbindung von Science Fiction und Fantasy
Die erwähnten Zentauren und Nixen bereiten vor, was sich in „Die böse Macht“ schließlich ganz entfalten wird. Denn der dritte Band spielt auf der Erde und bringt mit der Wiedererweckung des Zauberers Merlin weitere Fantasy-Elemente ein. Die Trennung ist hier durch den religiösen Unterbau natürlich nicht trennscharf. Ob Außerirdischer oder Gespenst, alles sind Geschöpfe Maleldils.
Enttäuschend aber doch die kleinere Dimension des Finales. Gewiss: Satans Intrigen an einer englischen Universität dienen langfristig auch der Unterwerfung des Universums, aber die Szene bleibt doch etwas hinterwäldlerisch irdisch. Dafür ist das Ende, wenn der zwar dem Guten zugerechnete, aber eben archaisch brutale Merlin losgelassen wird, dann erstaunlich blutig. Die apokalyptischen Szenen, in denen er Satans irdische Helfer niedermäht, sind fesselnd, aber ein weiterer Bruch zu den ersten beiden Bänden, welche ja eher von Harmonie handelten.
Ein Vorteil gegenüber „Narnia“ ist, dass Lewis hier eine komplette, lückenlose und eigene Mythologie schafft, statt sich in frei assoziiertem Märchendurcheinander zu ergehen. Sein Hauptwerk ist darum handwerklich dem des systematischen Tolkien recht eindeutig unterlegen, hier sind die beiden Klassikerautoren schon eher auf Augenhöhe. Wie Tolkien den Kunstmythos einer Kunstwelt auf Grundlage nordischer Sagen schuf, schrieb Lewis mit „Perelandra“ auf christlicher Grundlage eine fantastische Erweiterung der Realität selbst.
Eine höchst ungewöhnliche und empfehlenswerte Lektüre also. Die „Cosmic Trilogy“ ist quasi ein Anti-Lovecraft-Werk: Wo dieser die Einsamkeit des Universums noch steigerte, ersetzt Lewis sie durch Geborgenheit. So reizvoll nihilistische Monsterwelten sind, ist das doch mal eine originelle Abwechslung. Zwar gibt es wie oben erwähnt immer wieder ideologische Stolpersteine, aber anders als „Narnia“, ist diese Reihe für ein erwachsenes Publikum gedacht und diskutiert diese Punkte offen aus, so dass man nichts „untergejubelt“ bekommt, sondern selbst sehen soll, wie man dazu steht.
Nun bleibt nur noch die Frage, ob Iron Maiden wegen Ihres Songs „Out Of The Silent Planet“ nun White Metal sind.