Helen Fielding: „Die Geheimnisse der Olivia Joules“
Helen Fielding: „Die Geheimnisse der Olivia Joules“
(„Olivia Joules and the Overactive Imagination“, dt. Ausgabe Goldmann 2006) Humor, Thriller
Statt mich gleich zum Roman zu äußern, möchte ich mich erst einmal über die deutsche Verlagslandschaft beschweren – ganz konkret über den Bereich der „Frauenliteratur“.
Ich meine damit nicht jene Ecke, auf deren immergleichen, altmodisch gemalten Titelbildern eine Frau im wallenden Kleid in die Arme eines langhaarigen Traummannes mit offenem Hemd sinkt. Das sind, so argwöhne ich ohne reale Kenntnis, gewissermaßen „Romantikpornos“ und damit das genderstereotype Äquivalent zu Männertrivialromanen voller Sex und Gewalt. Keine hohe Kunst, aber eben ehrliche Unterhaltung mit niedrigem Anspruch. Warum nicht?
Ich meine stattdessen die meist peppig bunt gestalteten Taschenbücher, die im Titel so gut wie immer das Wort „Männer“ oder irgendwelche Lebensmittel haben. Denn immer wieder zwingt dieser Einheitsbrei hochwertigere und durchaus geschlechterübergreifend taugliche Werke, sich seiner einfallslosen Form unterzuordnen. Vom Frauenbild der Verantwortlichen zeugen schon erwähnte Titelteile und der vermeintlich freche Ton ist auch ein bloßer Zwergenaufstand ohne echte emanzipatorische Ziele. Ähnlich, wie der Krampf, Fantasy- und Science-Fiction-Romane immer mit Barbaren bzw. Raumschiffen zu schmücken, nur eben noch mit einer heimlichen Verachtung der eigenen weiblichen Zielgruppe, der man eben keine anderen Interessen als Essen und Männer zutraut.
Helen Fielding scheint mir ein besonderes Opfer dieser Unart. Schon, dass ihr berühmtestes Werk hierzulande nicht simpel und griffig „Das Tagebuch der Bridget Jones“ heißt, sondern unter „Schokolade zum Frühstück“ vertrieben wurde, regte mich auf, doch bei „Olivia Joules“ werden neue Abgründe erreicht. Ich zitiere den Buchrücken:
„Olivia Joules ist eine furchtlose, eigenwillige und äußerst attraktive Journalistin. Doch leider geht die Phantasie manchmal mit ihr durch. Bei ihrer neuesten Reportage meint sie, in einem geheimnisvollen Filmproduzenten einen weltweit gesuchten Terroristen zu erkennen. Ein Irrtum. Aber das hindert Olivia nicht daran, den Mann hartnäckig zu verfolgen – mit nichts ausgestattet als einer Hutnadel, ihrer messerscharfen Beobachtungsgabe und einem ganz besonderen BH…“
Was der Text verschweigt ist, dass der Terrorist, für den sie den gutaussehenden Produzenten hält, niemand geringeres als ein gesichtsoperierter Osama bin Laden ist. Auch folgt sie ihm nach Erkenntnis ihres Irrtums nicht etwa ob seiner guten Figur, sondern weil sie ihn noch immer verdächtigt, ein Terrorist zu sein – ein Anschlag mit über 200 Toten spricht dafür. Doch es scheint, als wenn Goldmann fürchtete, mit Themen, die man man von den Politikseiten kennt, verschrecke man die denkfaulen Hausfrauen, an die man zu verkaufen hofft. Und bin Laden? Kennt den die einfache Frau überhaupt? Ist das nicht Männersache? – Lieber raus damit! Lassen wir einen schrägen und originellen Roman doch lieber wie Dutzendware um die Suche nach Mr. Right aussehen.
Ich habe ja in der Vergangenheit selbst bemerkt, dass wenig intelligente Frauen eine gute Zielgruppe für den Buchmarkt sind. Doch das hier ist eine neue Dimension. Hier wird nicht einfach nur auf schlichtere Gemüter abgezielt, sondern die eigentliche Zielgruppe komplett ignoriert, da man vermutlich nicht einmal an ihre Existenz glaubt: Das Buch ist von einer Frau geschrieben und hat eine weibliche Hauptfigur, also hält man es für unmöglich, dass ein Mann es lesen könnte, vermarktet es also als reines Frauenbuch. Und Frauen hält man entweder für niedere Kreaturen, deren Geist nicht mehr als Nahrung und Fortpflanzung erfassen kann, oder will sie zu solchen machen. Diese sexistische Arroganz gegenüber der eigenen Kundschaft macht mich wirklich fassungslos.
Okay… nach diesen wie üblich ausführlichen Ausführungen will ich mich mit dem Roman nicht lange aufhalten:
Er ist witzig geschrieben, kann aber dennoch seine ernsten Momente gut rüberbringen und man folgt seiner, etwas verschrobenen, aber nicht überdrehten Hauptfigur gern. Teils wirkt er gar wie eine Parodie auf die typischen Frauenromane und ihren romantischen, geheimnisvollen Fremden, wenn er immer wieder deren Situationen und Funktionsweisen anspielt, während besagter Fremder aber möglicher Weise Osama bin Laden ist – und es Olivia trotzdem nicht davon abhält, von ihm hingerissen zu sein. Wo sonst Anzeichen auf eine Nebenbuhlerin auftauchen, deuten sie hier auf al Qaida. Wo die Heldinnen dieser Bücher sonst fürchten, ihnen könnte das Herz gebrochen werden, fürchtet Olivia die Enthauptung vor laufender Kamera. Sie träumt sogar immer wieder davon, den Schurken mit ihrer Liebe zum Guten zu bekehren, auf dass er den Heiligen Krieg beende, um mit ihr eine Familie zu gründen. – Und immer wieder wird ihr wütend bewusst, wie völlig daneben ihre Gefühle sind, rechtfertigt es aber vor sich selbst damit, dass sie ja nur ermittle.
Ich will den Roman jetzt nicht über den grünen Klee loben. Er dekonstruiert sein Genre nicht so sehr, wie es hier klingen mag und weist zuweilen durchaus kleine Spuren weiblichen Chauvinismus‘ auf, aber angesichts der geballten Frauenverachtung seiner deutschen Aufmachung, will ich den Punkt nicht vertiefen. Feministisch ist er dabei allerdings auch nicht, dafür ist Olivia zu sehr hinter den Männern her und die spätere Liebeshandlung zu bemüht hereingequetscht. Er ist kein Meisterwerk, aber er hat keine Längen und macht durchgängig Spaß und das dürfte unabhängig von dem sein, was der Leser zwischen den Beinen hat.
– Außer naütrlich, es ist ein spaßabsaugender Alienparasit.
comicfreak
29. September 2014 @ 9:40
..verdammt, wegen des Klappentextes hätte ich das Ding nie angerührt..
Ich muss dir mal ein Buch von Olivia Goldsmith raussuchen; neben der Lovestory (die zum Scheidungskrieg kippt) geht es um ausgebeutete Textilarbeiterinnen unter US-Labeln und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und den Nutzen von Gewerkschaften.
Wie Goldmann das Teil vermarktet?
Natürlich mit der Großaufnahme eines rotgeschminkten Frauenmundes, der die Hälfte einer Banane abbeisst..
Dirk M. Jürgens
29. September 2014 @ 17:27
Eine kurze Suche bei Amazon ergab dieses Cover:
http://3.static-hood.de/img1/big/2649/26493622.jpg
Aber hey! Sie haben ja offenbar gelernt! Man gucke sich dieses komplett andere Cover einer anderen Auflage an:
http://www.booklooker.de/images/cover/user/0405/3769/diAxNzA%3D.jpg
Keine Banane mehr! 😛
comicfreak
1. Oktober 2014 @ 13:20
*BITTERLICHST_WEIN*
Tante Jay
8. Oktober 2014 @ 13:21
Kleine Rückfrage zu diesem Satz, der mir etwas quergeht *g*
Feministisch ist er dabei allerdings auch nicht, dafür ist Olivia zu sehr hinter den Männern her und die spätere Liebeshandlung zu bemüht hereingequetscht.
Also:
Feministinnen sind grundsätzlich gegen Männer und wenn jemand an Männern interessiert ist, ist sie keine Feministin?
Sebastian
23. Oktober 2014 @ 13:51
Hi Tante Jay, leider ist der Kommentar aus Versehen geblockt worden und ich konnte ihn jetzt erst freischalten. Entschuldige 🙂
Ich bin mir sicher, Dirk wird noch Stellung nehmen zu deiner Anmerkung. Ich persönlich glaube natürlich, daß sowohl Dirks Formulierung als auch deine Interpretation derselben ein wenig den Bogen der Ratio überspannen. In beiden Fällen sicher, um einen Punkt zu betonen, der – wie man ja sieht – die Diskussion am Leben hält!
Dirk M. Jürgens
23. Oktober 2014 @ 14:40
Das war in der Tat nicht gemeint. 😉
Mir ging es nur darum, dass das Streben unserer Heldin, noch während sie einen Terroranschlag zu verhindern versucht, ständig zum anderen Geschlecht geht. Sie träumt von einer Beziehung mit bin Laden, sie guckt Typen am Stand hinterher, wenn sie einen Verdächtigen beobachten soll und kaum ist ein Liebhaber aus dem Spiel (durch Tod oder Enthüllung als Schurke), kommt gleich der nächste.
Würde sie sich diese nun selbstbewusst wie James Bond „angeln“, wäre es alles kein Problem, nur hier bleibt sie doch recht anhimmelnd und so wirkt es in diesem Zusammenhang, als könnte sie schlicht kein Kapitel ohne Mann bleiben… auch, während Tausende von Leben auf dem Spiel stehen.
Das ist nicht aufdringlich, aber es macht die Heldin doch etwas weniger selbstständig, als sie es sonst gewesen wäre. Den „Feminismusmangel“ hat also nicht die Figur, sondern das Buch selbst. Wäre es ein gezielter feministischer Roman gegen das Genre, als welches er hier vermarktet wird, hätte die Autorin es sicher anders konstruiert.
Sebastian
10. Oktober 2014 @ 12:36
😀 Brilliant. Es ist sowieso immer beachtlich, wenn die Flatrate beim Stock Footage Anbieter für jedes Cover ausreicht. Ist ja nicht so, daß Literatur Kunst ist, oder so…. don’t judge a book by it’s cover BUT BY ALL MEANS: JUDGE THE COVER!
Tante Jay
23. Oktober 2014 @ 18:42
Dirk, ich gebe zu, das war etwas getrollt.
Der Plot an sich zieht mich nicht in den Bann (ich lese, was ich schreibe und für meinen Geschmack hats da viel zuwenig Drachen, Orks und Elfen *g*), aber die Review mochte ich. Und der eine Satz stach mir da ins Auge.
Darum auch meine Deutung – Danke für die Klarstellung 😉