Police Story 2013 (2013)
Für viele Filmfans ist die „Police Story“-Reihe schon lange ein Synonym für HK-Actionkomödien und die beliebteste Filmreihe der Actionlegende Jackie Chan. Mit dem US-Vertrieb des dritten Films versuchte man direkt an Chans Box-Office Hit „Rumble in the Bronx“ anzuknüpfen, der 1995 die Herzen der westlichen Zuschauer im Surm eroberte. Ein Jahr später erschien dann die US-Schnittfassung von „Police Story 3 – Supercop“ mit einer großangelegten Marketingaktion in den Staaten und bereitete eine Welle amerikanischer Produktionen vor, die mit „Rush Hour“ 1998 ihren Anfang nahm. Ende der 90er Jahre verschwand Jackie Chan nach recht rustikalen HK-Produktionen wie „Accidental Spy“ und „Who Am I“ bei vielen Genrefans von der Landkarte und wendete sich nicht nur dem westlichen Kino sondern auch auch (sowohl in der Heimat auch als in den USA) den Durchschnittskomödien und lauwarmen Spezialeffektvehikeln zu, die eine ganze Generation neuer Kinofreunde vergessen liessen, warum der nette Mann eigentlich mal so eine Legende gewesen war.
Ende des letzten Jahrzehnt mengten sich in die Filmographie zunehmends Historienfilme, von denen die wenigstens die Zuschauer zu überzeugen wussten und vielmehr einen Trend in China bedienten, der aus Mainland-China nach Hong Kong übergriff und bis heute manch einen potentiell unterhaltsamen Wuxia-Film (Martial Arts und Schwertkampf) mit überlangen Spielzeiten und (pseudo-)historischem Pathos zu einem postmodernen Geschichtsmärchen vergurkt. Zu Gurken passt Quark ganz gut und den verzapfte Jackie Chan in den letzten Jahren des öfteren, gerade wenn es um das Lobpreisen der chinesischen Regierung ging und man mag an anderer Stelle nachlesen, ob das gut ist oder schlecht. Als großer Schauspieler im Rampenlicht mag sich nicht jedem die Möglichkeit offener Kritik bieten (jedenfalls nicht in einem Maße wie wir es aus dem Westen gewohnt sind), aber das Anbiedern an die Volksrepublik hat schon so manchem HK-Filmfreund den Spaß am Filmkonsum verleidet. Aber zurück zu „Police Story“. Der letzte Film der Reihe („New Police Story“ aus dem Jahr 2004) bleibt mir als düster und ernst in Erinnerung. Spektakuläre Action mischte sich mit einer völlig humorfreien Handlung, die wiederum aber auch keinen echten Tiefgang entwickeln konnte, zumal sie sich um eine Gruppe hipper Gangsterkids herum entwickelte, die zwischen Hi-Tech Gadgets, Drogen und Exzessen eben gerade mal für eine maue Lektion in Sachen Verrohung und Wertefall taugten.
2013 erschien nun das sechste Kapitel der „Police Story“ Reihe und wie der fünfte steht auch dieser Eintrag ganz für sich und verzichtet auf jegliche Entgleisung der Geschichtszüge in die obere Vertikale. Regie führte diesmal Sheng Ding, somit auch das erste Mal ein Mainland-Regisseur, dessen Erstlingswerk „Ying Han“ (engl. „The Underdog Knight“) mich persönlich sehr begeistert hat (nicht nur wegen Anthony Wong, bevor jemand fragt) und den ich deshalb ohnehin im Auge behalten wollte. Sheng Ding kommt aus dem schönen Qingdao und hat daher auch noch einen maritimen Sympathiepunkt auf dem Karmakonto. Nutzen wir also die Gelegenheit mit „Police Story 2013“, der hierzulande als „Police Story – Back for Law“ vermarktet wird, sowohl das Spätwerk Jackie Chans, den Schwanengesang der „Police Story“, als auch den neuen Eintrag in das Portfolio von Sheng Ding zu begutachten.
Die Handlung: Polizist Zhong Wen (J. Chan) wird von seiner Tochter um ein Treffen in einer trendigen Industrial Bar gebeten. Die ehemalige Fabrik liegt in einem verruchten Viertel, in dem Leute mit Segways durch die Gegend düsen, Rockbands auf der Open-Air Bühne spielen und junge Menschen offenbar Geld ausgeben und herumflanieren. In der eindrucksvollen, mehrstöckigen „Wu Bar“ angekommen, in der getrunken, gestrippt und sogar Irokesenhaarschnitt getragen wird, trifft der Polizist also auf seine Tochter Miao Miao (Jing Tian), die scheinbar als Krankenschwester arbeitet und sich nicht mehr so recht mit Papa identifizieren mag, der sie nämlich auch direkt auf ihr Make-Up und, oh Schreck, auf ihre Tätowoerungen anspricht. Natürlich kommt es noch dicker, als sie ihm den Besitzer der Bar (Ye Liu) als Lebensabschnittsgefährten vorstellt. Zhong Wen ist gegen die Beziehung, kein Wunder, denn nur wenige Minuten Laufzeit später stellt sich heraus, daß er ein böser Bube ist und alle Barbesucher als Geiseln nimmt, der Lover hat auch Miao Miao nur als Köder für ihren Vater warm gehalten. Bald wird klar, dass viele der Barbesucher, die sich nun in der Gewalt der Geiselnehmer befinden, eine gemeinsame Geschichte verbindet. Zhong Wen muß also nicht nur versuchen, die Geiseln am Leben zu halten sondern auch, das Geheimnis hinter der Geiselnahme zusammenzupuzzeln.
Mehr verrate ich an dieser Stelle nicht, handelt es sich doch um ein recht unspektakuläres Kammerspiel. Und hier dürfte dann schon der Spinnensinn der „Police Story“-Fans klingeln: Ein Kammerspiel? Eine Geiselnahme in einer Bar? Nicht die besten Vorrausetzungen, um die Actionqualitäten der Serie auszuleben. Tatsächlich finden die einzigen vollwertigen Außenaufnahmen als Flashbacks innerhalb der ersten dreissig Minuten des Films statt, und diese Szenen haben keinerlei Bezug zu Handlung. Die wenigen Actionhighlights der Restspielzeit beschränken sich auf zwei Zugriffsmomente durch die Spezialeinheiten und diverse Ringkämpfe zwischen Wen und den Geiselnehmern. Letzten Endes bekommen wir ein paar Explosionen in Zeitlupe, unspektakuläre Kämpfe, ein paar „Was wäre wenn?“-Flashes in Jackie Chans geistigem Auge (eben wie bei Guy Ritchies Sherlock Holmes Filmen) und schlechtes CGI-Blut. Die Setdekoration gemahnt ein wenig an Tim Burtons Batman und lässt sich zum Schluß dann auch besonders leicht zerstören, sah man doch von Anfang an, dass es sich um ein ausstaffiertes Filmset handelt.
Was bleibt, ist ein Duell zwischen Chan und seinem Geiselnehmer Ye Liu sowie ein karges Whodunit, das weder sonderlich überraschend aufgelöst wird, noch zu spannend ist.
Stilistisch ist der Film überraschend unspektakulär, Lederjacken und Rohre sind hier stilbildend, der Symbolismus im Produktionsdesign wird mit dem Holzhammer eines B-Films serviert. So ist des Schurken Wappentier eine Spinne und überall sind Spinnennetze in die Architektur seines Fantasiebunkers eingebaut, und Kamera und Drehbuch stürzen sich so arglos ins Netz, dass es einem schon als Zuschauer peinlich ist, wie stumpfsinnig das herüberkommt. Der Soundtrack des Films ist recht stimmig, im Finale (das übrigens die großen Versprechen des Trailers alle bricht und sein Dilemma dann als überraschende Wendung verkauft) darf Jackie Chan dann auch nochmal besonders ergreifend ins Mikro raunen und eine Hitsingle einsingen (Ja, nur auf der Tonspur).
Fazit:
Am Ende von „Police Story 2013“ bleibt nicht viel übrig, das einen Kauf oder auch ein zweites Ansehen rechtfertigen würde. Der Film ist als Police Story gänzlich falsch deklariert. Für sich betrachtet versagt er als Kammerspiel a la „The Petrified Forest“ (haha, als ob es nur ansätzweise in die Richtung ginge) dadurch, dass er sich zu sehr auf sein Set und auf seine Gadgets verlässt, dann aber auch auf dieser Baustelle nichts Gescheites abliefert. Am Ende bleibt der Eindruck eines TV-Films aus den 90ern und endet in den letzten Sekunden auf einer selten dämlichen Note. Sheng Ding liefert etwas ab, das ebenso ungeschliffen wirkt wie sein erster „Underdog Knight“, allerdings wirkt der neue Film durch die bierernste Stimmung, ein gigantisches Marketingbudget und fehlende charismatischer Hauptfigur weitaus weniger sympathisch und letzten Endes fade und verunglückt. Dass man dann am Abspann einen scherzenden Jackie Chan bei den Stuntouttakes sieht, erinnert einen umso mehr daran, was dem Film von der ersten Minute an fehlt: Spaß und Glaubwürdigkeit gerade in den haarsträubenden Situationen.
6 / 10
In memoriam Police Story: