Weird Fiction Independent/Amateur/Trash-Film-Marathon Ostern 2010!
Ich kann Ihnen nicht sagen, wie befreit man sich nach einer Runde unterhaltsamer Amateurfilme aus dem eigenen Land fühlt. Oft genug deprimieren experimentelle Kurz-, Lang- und Querstreifen aus der Szene ja mit einem drögen Gefühl von „ja, hätt ja gut werden können, wenn…“ oder heftigst zuckendem Abschaltfinger. Nicht so heute, denn WF-Kollege Dirk M. Jürgens nimmt seine Filterfunktion sehr ernst und tischt nur auserlesene Ware auf, zum Teil handsigniert von den jungen Filmschaffenden, zum Teil selbst mitgekurbelt. In der Reihenfolge des Abends nun meine persönlichen Meinungen zum Thema!
„OPERATION DANCE SENSATION“ (2003 / 110 Minuten) von Thilo Gosejohann u.a.
gilt ja mittlerweile schon als Klassiker, trotzdem habe ich ihn bislang noch nicht gesehen. Einfach großartig, das Werk! Energische Darsteller (allen voran die Gosejohanns Thilo und Simon), tolle Ideen, souveräne Umsetzung und nur wenige Längen. Ganz kurz zusammengefasst: Die Kriegshelden „Jackson“ (T.G.) und „Atlas“ (S.G.) treffen 20 Jahre nach ihrem letzten gemeinsamen Einsatz in Vietnam wieder aufeinander. Der Eine ist teilzeitarbeitsloser Kopfgeldjäger, der als Single-Parent auf seinem Dach fläzt und Ninjas im Garten erschiesst. Der Andere kommt nach 20 Jahren aus dem Knast, nur um einmal mehr vom bösen „Zorc“ angeheuert zu werden, der auf der Suche nach geheimen Superwaffen ist, Relikten des Krieges, die (ungeahnter Weise) versteckt in einer Abstellkammer seiner neuen Disco schlummern. Die Operation Dance Sensation kann beginnen.
FAZIT: Ansehen! Diese OffBeat-Granate voller sprühender Dämlichkeiten ist einfach nur als gelungen zu bezeichnen. Ich persönlich bin ja großer Fan abstrusester Komödien aus Hong-Kong und Japan und ich habe selten etwas aus Deutschland gesehen, dass so viel Witz und Tempo produziert ohne peinlich zu werden! Echte Helden. Vor und hinter der Kamera. Mehr zum Film und zu den Menschen dahinter gibt es bei der Neverhorst Filmproduktion.
[rating:5/5]
„ZOMBIE ’09“ (2009 / 90 Minuten) von Lukas Jötten und Dirk M. Jürgens
ist ein Update zu Adreas Schnaas‚ „Zombie ’90“ (ursprünglich einer jener Amateurfilme, die mich davon abbringen, überhaupt welche zu schauen). Der Film als solcher bleibt (bis auf Vor- und Abspann) unangetastet, mutiert aber über Jöttens und Jürgens‘ Tonspur zu einer durchaus ansehbaren Vergnüglichkeit! Toll besprochen und vertont macht „Zombie ’09“ aus Schnaas‘ Material (Wissenschaftler operiert Leute, die zu Zombies werden, Zombies töten Leute, konfuses Hin- und Her, indiskutable Effekte und Technik) etwas völlig Neues: Der geniale Doktor Bert (wieder Thilo Gosejohann), Spezialist für Geschlechtsumwandlungen, und sein Assistent Dr. Okamoto (Ingo Strecker) stolpern durch einen arbeitsreichen Alltag, während Reinkarnationsdetektiv Nikos Maria Feldweg (Lino Endorphino) immer wieder durch plötzliches Ableben und Reinkarniert-werden von seinem aktuellen Auftrag abgehalten wird. Doktor Bert ist kultverdächtig und tatsächlich gelingt „Zombie ’09“ trotz grottigster Vorlage das gewagte Experiment: Unterhaltung! Es sind so wahnsinnig viele Witze und Absonderlichkeiten in das Projekt geflossen, dass es eine wahre Freude ist, Doktor Bert bei der Arbeit zuzusehen.
FAZIT: Ich habe nach gewisser Zeit noch ein bisschen mehr inhaltliche Kontinuität vermisst, zum Ende hin ist das ganze Konzept (the Big Picture) allerdings wieder so gelungen, dass alle Längen schnell vergessen sind. Das ultimative Merchandising für das Projekt wäre sicher eine Fibel mit Zitaten. Operation gelungen, Patient untot! Nur Doktor-Bert-Arbeit ist Wertarbeit! Alles zum Thema gibt es bei Sonderfilm zu lesen!
[rating:4/5]
„Deadly Nam“ (2006 / 60 Minuten) von Markus Hagen und Hendrik Thiele
Der erste norddeutsche Vietnamfilm. Hum. Waren das wirklich sechzig Minuten? Auf der einen Seite sehen wir eine Gruppe Jungs durch einen Wald bei Bremen robben – auf der anderen Seite sind wir mitten im Vietnamkrieg, tief im Feindesgebiet und ohne Rückendeckung. Wie das? „Deadly Nam“ lebt die Parodie der Vietnam-Film-Klischees bis ins Letzte aus. So sehr, dass wir nicht nur sehr amüsiert sind, nein, die Stimmung wird zum Teil so gut getroffen, dass der Pathos und die Melodramatik tatsächlich anfangen zu funktionieren.
FAZIT: Gut gefilmt und mit tollem Soundtrack bietet „Deadly Nam“ also mehr als nur eine Verulkung, sondern erzeugt tatsächlich neben Kopfschütteln und ehrlichen Lachern auch Atmospäre und Stimmung nach Strickmuster Alpha-Tango-Charlie. FUBAR, Baby. offizielle Website!
[rating:4/5]
Dann gibt es da noch eine ganze Reihe Kurzfilme von Daniel Flügger, Jungfilmer aus Bremen, der von sich und seinem Hauptdarsteller Dennis Klose mit Fug und Recht behaupten kann, dass sie A.) Sinn für Humor haben, B.) filmisches Talent besitzen und C.) sich nicht davor scheuen zu unserer Unterhaltung auf die Fresse zu fliegen/kriegen.
„Fireproof Agent“ (2007 / 23 Minuten)
zeigt Dennis Klose als Polizist Jack Rooker, der auf den Schurken Snake angesetzt wird, um dessen üble Pläne zu verhindern. Bombiger Spaß mit blöden Witzen, coolen Sprüchen, die manchmal nicht ganz zünden und einem der reinen Unterhaltung verpflichteten Gesamtkonzept!
[rating:3/5]
Online Anschauen!
„Gusto and the pumpgun girl“ (2009 / 7 Minuten)
Verrückter (Dennis Klose) mit Wollfetisch macht sich an leckere Tuse (Birte Langhorst) ran und verspeist Stück für Stück ihre Bekleidung, bis das Opfer einem zufällig vorbeieilendem Bankräuber die Pumpgun abnimmt… Ähm. Ansehen? Ansehen!
[rating:4/5]
Auch Online anschauen!
„Zombie Warrior“ (2008)
Junger Mann (Flügger) muss seine Frau begraben und sieht sich plötzlich von Zombies umringt. Gut gemacht mit tollem Twist! Was die Zombiemasken nicht können entschädigt die Action im Finale, daß die Mischung unterm Strich wieder stimmt! Lohnt sich, gibts aber nur auf DVD (Dafür mit viel Bonus).
[rating:4/5]
Glücklicherweise hatte Kollege Dirk M. jürgens noch ein As im Ärmel: Birte Langhorst hat auch einen Film in Eigenregie vorzulegen…
„Project Hyper Humanum“ (2009 / 40 Minuten)
erzählt die Geschichte zweier Bremer Polizisten, die einem verrückten Wissenschaftler auf die Schliche kommen. Lustig und souverän erzählt, verlässt sich die Regisseurin auf die Buddy-Movie-Qualität der Bremer Polizisten und macht das ganze mit schnellen Schnitten, ulkigen Musikeinlagen und sympathischen Figuren zu einem kurzweiligen Erlebis. Zugegeben, die Kampfsequenzen sind sehr holprig und bringen kaum Tempo auf, aber der Rest erreicht mitunter Edgar-Wright-ähnliche Höhepunkte und macht Lust auf mehr! Schwerpunkt auf Stimmung und Figuren zahlt sich aus! Weiter so!
[rating:4/5]
Mehr von den Leuten um Daniel Flügger gibt es auf Newsman-show.de (Benannt nach der 6 teiligen Serie auf dem offenen Kanal Bremen). Flüggers neues Filmprojekt, ein düsterer Mysterythriller namens „Dead Past“ ist derzeit in der Mache und bringt uns nebst Dennis Klose auch wieder die Gosejohanns mit auf den Schirm. Wir sind gespannt!
Ach ja, noch einer…
„Hammerman Justice“ (2006 / 7 Minuten) von Ulrich Bruchholz ist auf der „Gusto“-DVD(s.o) enthalten und macht Laune. Mann wird von diversen Passanten im Wald abgezogen und nimmt als „Hammermann“ mittels eines cartoonartig-überdimensionalen Vorschlaghammers übelst Rache. Fragmenthaft, verquer und lustig ist die ganze Chose wohl nicht mehr als eine Fingerübung für „Wireworks“. Macht aber Spaß.
Gibts auch online!
[rating:3/5]
Also, warum organisieren Sie nicht mal ihren eigenen Amateurfilm-Abend. Nein, nicht wie Sie jetzt denken… nicht immer nur Pornos gucken! Hach, so wird das nie was mit dem deutschen Film nach 1933!
BONUS!
Wer sich geschmacklich auf „Zombie ’09“ vorbereiten will, der sehe sich hier „das Stahlwerk-Massaker“ an. Ursprünglich ein gut gemeinter Film von Reinhard Klinksiek ohne wirkliche Schauwerte, den ebenfalls Lukas Jötten mit einer neuen Tonspur (Starring Lino Endorphino) beschenkt hat. Sehr Amüsant!
[rating:4/5]