„The Marvelous Barastro“ – von Ben Hecht mit Peter Lorre
Der Illusionist blickte den Staatsanwalt mit durchdringenden Augen an. Noch an diesem Abend, so der Große Barastro, würde er einen Menschen töten.
Diese Geschichte liegt gleich in zwei Radioversionen aus den 40er Jahren vor:
1944 – als Episode der Serie „Suspense“ mit Orson Welles
(http://www.archive.org/details/OrsonWellesOnSuspense)
1947 – in der Fassung der Serie „Mystery in the Air“ mit Peter Lorre
(http://www.archive.org/details/MysteryintheAir)
Beide Fassungen von „The Marvelous Barastro“ basieren auf der Kurzgeschichte „The Shadow“ aus dem Jahre 1931. Der Verfasser ist kein geringerer als Ben Hecht – einer der erfolgreichsten Autoren Hollywoods. Sein Drehbuch für den Film „Underworld“ wurde im Jahre 1927 (dem ersten Jahr in dem die Oscars verliehen wurden) mit einem Academy Award ausgezeichnet. In den darauf folgenden Jahrzehnten schrieb er u.a. die Drehbücher für Klassiker wie „Scarface“ (1932), „Frontpage“, „Some Like it Hot“, „Gone with the Wind“, „It´s a Wonderful World“ (1939), „Notorious“ (1946) und „Mutiny on the Bounty“ (1962).
In seiner Geschichte lässt Hecht den Großen Barastro einen Mord ankündigen – den Mord an seinem Kollegen, Konkurrenten und Nemesis, dem größten und erfolgreichsten Bühnenmagier seiner Zeit: Rico Sensoni. Das Motiv: Rache.
Barastro schildert wie er Jahre zuvor als Schausteller durch Europa gereist war. Dort hatte er ein blindes Mädchen namens Anna kennen gelernt, sich in sie verliebt und sie schließlich geheiratet. Wenige Monate später tritt ein Mann an Anna heran und versucht sie für sich zu gewinnen. Anna, ihrem Mann treu ergeben, weist ihn ab – der Mann, Rico Sensoni, bleibt jedoch und sucht die Freundschaft des großen Barastro, denn auch Sensoni arbeitet als Illusionist. Barastro fühlt sich geschmeichelt, denn Sensoni zeigt großes Interesse an der Arbeit des Großen Barastro. Nein … nicht nur an seiner Arbeit. An jeder Geste … jedem Tonfall.
Als Barastro eines Abends nach Hause zurückkehrt und die Wohnungstür öffnen will, hört er das Lachen seiner Frau. Seine schüchterne Frau spricht so offen und vertraut, so ausgelassen und glücklich mit einem Fremden wie sie sonst nur mit ihrem Mann, Barastro, umgehen würde? Da hört Barastro, dass es seine eigene Stimme ist … seine Frau scheint mit ihm selbst zu sprechen! Wie ist das möglich!? Barastro reißt entsetzt die Tür auf …
– nun, mehr soll an dieser Stelle nicht vorweg genommen werden.
Ich empfehle hier die jüngere der beiden Radiofassungen, denn in dieser Episode aus „Mystery in the Air“ weiß Peter Lorre als Barastro sehr viel mehr zu überzeugen als (der ansonsten natürlich nicht hoch genug zu schätzende) Orson Welles. Während Welles den Mord an Rico Sensoni zu charmant ankündigt und dabei fast wie Harry Lime klingt („Der Dritte Mann“ – zu dem er übrigens auch eine sehr faszinierende Radioserie produziert hat) klingt Lorres Barastro kühl und planend. Man nimmt ihm ab, dass er seinen Nemesis um die ganze Welt verfolgt hat um nun endlich Rache nehmen zu können.
Ben Hechts Kurzgeschichte „The Shadow“ scheint in gedruckter Form relativ unbekannt zu sein. Sie erschien aber unter anderem in der Kurzgeschichtensammlung „Whodunit? Houdini? Thirteen Tales of Magic, Murder, Mystery“ (1976, verlegt von Otto Penzler / erschienen bei Harper & Row – eine Rezension des Buches gibt es hier: http://gadetection.pbworks.com/Locked-room+mysteries+and+%27impossible%27+crimes).