“Domino” (2005)
„Domino“ oder Hollywoodkino als Privatvergnügen
(2005) von Tony Scott
Das zur Kopfgeldjägerin umgesattelte Ex-Modell Domino Harvey (Keira Knightley)erzählt einer Polizeipsychologin (Lucy Liu) die Geschichte ihres Lebens und des gerade furchtbar schief gegangenen Falls. Begleitet vom Kamerateam einer Reality-TV-Show, zusammen mit ihren Kollegen Ed (Mickey Rourke) und Choco sollte sie die Beute eines Raubüberfalls zurückbeschaffen, doch offenbar gerieten sie in ein Netzwerk von Plänen sowohl der Mafia, als auch ihres eigenen Auftraggebers.
Tja, der zweite Film von Richard Kelly (wenn diesmal auch nur als Autor), den ich nach seinem „Donnie Darko“ unsagbar verehrte, Regie von Tony Scott, Mickey Rourke, Christopher Walken und eine kurzhaarige Hauptdarstellerin mit Knarre… hätte eigentlich gut gehen sollen!
Leider scheitert der Film gerade am Drehbuch. – Rourke & Walken sind gewohnt cool, der überzogene, an „Natural Born Killers“ erinnernde Stil gefiel mir auch sehr gut und ich bin wirklich froh, ihn im Kino gesehen zu haben, wo er sicher mehr Wirkung entfaltete, als er es später auf DVD tun wird.
Man verstehe mich nicht falsch, die Story ist durchaus gewitzt, gut erzählt und verzichtet trotz des Themas auf billige Feminismuseinsprengsel, aber der Film hält sich einfach für intelligenter als er ist und verspielt damit Sympathien.
Wenn uns Domino, die eine kleine, aufmerksamkeitsgeile Kopfgeldjägerin ist, im Voice-over pseudo-philosophisch zutextet (und annimmt, ihre gefallenen Kollegen kämen gleich in den Himmel, nachdem sie irgendwelche Unschuldigen verstümmelt oder in die Luft gesprengt haben), ist das wenig überzeugend.
Sorry, Kelly – beim philosophischen und intelligenten „Donnie Darko“ kamst du ohne so direkte Holzhammermonologe aus, wieso zum Geier hier nicht?
Davon abgesehen nervt der Film mit den Standartfigurrn „big black momma“ und „hysterischer Schwuler“, die mir hier besonders auf den Geist gingen und Drama-Fertigbauteilen wie einem kranken Kind, das dringend Geld für eine Operation braucht. Als unsere Helden unter Meskalin stehend in der Wüste einen Unfall haben, verkommt der Film fast zur Parodie: Wer ist der philosophierende Fremde, der auftaucht, ihnen hilft und ihnen allwissend rät, wie sie ihre Leben zu ändern haben? Tom Waits! – Ich fühlte mich stark an „Wayne’s World 2“ erinnert, in dem unser Held von einem nackten Indianer zu Jim Morrison geführt wird.
Einen Pluspunkt bekam der Film bei mir für seinen Anfangstitel: „Based on a true story – sort of…“, der gleich ironisch anzeigt, dass es zwar eine Kopfgeldjägerin namens Domino Harvey gegeben hat, der Film jedoch nicht als Dokumentation zu betrachten sei. Da der Fall selber jedoch fiktiv ist, Domino niemals von einem Kamerateam begleitet wurde und allem Anschein nach nicht einmal ein Model war, fragt man sich, was der Film dann noch mit ihr zu tun hat Hätte man sich die Rechte für ihre Geschichte nicht sparen können, wenn man diese eh nicht verwendet?
Im Nachspann (der übrigens nur die Vornamen der Schauspieler listet), grinst dann auch noch die echte Miss Harvey in die Kamera, weicht dann aber einem „In loving Memory“-Schriftzug, da sie noch vor Fertigstellung des Films einer Überdosis erlag – was gewissermaßen auch ihre Darstellung als weise Philosophin ad absurdum führt.
Nein, der Film sieht wirklich gut aus, unterhält auch ganz gut, verschenkt aber eine Menge Potential und nervt des Öfteren. Man merkt einfach zu deutlich, dass Scott und Kelly nicht für den Zuschauer, sondern für den eigenen Geschmack gearbeitet haben. Das mag künstlerisch ehrenwert sein, doch dann sollen sie auch nicht auf das Eintrittsgeld des ignorierten Publikums spekulieren.
(Dirk M. Jürgens)