„Küss den Frosch“ oder Disney mag brave Mohren
„Küss den Frosch“
(2009) von Ron Clements & John Musker
Dass Disney wieder einen klassischen Zeichentrickfilm herausbrachte statt einfach nur in der CGI-Schwemme mit zu schwimmen, ist zweifellos löblich, aber ein anderer Punkt wurde im Marketing des Films besonders betont: Disney bringt uns erstmalig schwarze Hauptfiguren!
– Na gut, den glücklichen Sklaven Onkel Remus wollen wir jetzt mal nicht mitzählen.
Darum wollen wir in der Tradition meines üblichen Geschreibsels hier gar nicht länger auf Optik (natürlich makellos und überwältigend wie immer), Musik (leider jazzig, was ich hasse) oder Humor (halt der übliche Slapstick) eingehen, sondern gleich zur allseits beliebten Ideologiekritik kommen.
Kein Problem, so sei vorausgestellt, habe ich damit, dass das Thema Rassismus komplett verschwiegen wird, gemischtrassige Beziehungen, sowie selbstständiges Geschäftemachen einer schwarzen Frau unproblematisch ist, obwohl der Film im New Orleans der 20er spielt. Das ist natürlich historisch komplett falsch, aber ich billige einem Märchenfilm zu, eine Märchenwelt als Setting zu wählen und da sollte etwas Neuzeitliches ebenso zulässig sein, wie das sonst meist übliche europäische Mittelalter. Ich verstehe, dass es jemand stört, halte es aber für zulässig – schon, da ich glaube, dass unaufgeregte Selbstverständlichkeit ein besseres Mittel gegen Rassismus ist, als aufdringliche Thematisierung.
Betrachten wir also nicht, was der Film nicht ist, sondern was er ist: Da haben wir also die fleißige junge Kellnerin Tiana, die von ihrem Vater gelernt hat, dass man mit genug harter Arbeit alles erreichen kann und darum zwei Jobs hat, um sich eines Tages den Traum eines eigenen Restaurants zu erfüllen. Wenn der Film im Original also auch „The Princess and the Frog“ heißt, ist seine Heldin mitnichten königlichen Bluts.
Ihr love interest Prinz Naveen ist es hingegen schon, doch unterscheidet er sich in einem Punkt deutlich von anderen Märchenprinzen, nämlich ist er ein aufschneiderischer Hallodri, der sein Vermögen verprasst und nie gearbeitet hat. – Kenn jemand den grotesk rassistischen Merry Melodies-Kurzfilm „Coal Black and de Sebben Dwarfs“? Dort wird die negroide Entsprechung eines Prinzen von einem Zuhältertypen verkörpert. Insofern ist es zweifellos ein Fortschritt.
Auch Schurke Dr. Facilier (dessen unabhängig von ihm agierender, dämonisch eckiger Schatten äußerst eindrucksvoll ist) besitzt keine eigene Macht, sondern hat sich diese lediglich von finsteren Voodoo-Geistern geborgt, bei denen er darum enorm in der Kreide steht und letztlich unsere Helden verderben will, um seinen Hals zu retten. Es fällt also auf, dass die schwarzen Männer des Films leichtsinnig über ihren Verhältnissen leben und so vom rechten Pfad abkommen.
Nach vielleicht zwanzig Minuten ist unser Heldenpaar dann auch in Frösche verwandelt, um die meiste Zeit im rassisch unproblematischen Grün zu verbringen, was den so hoch angepriesenen Umstand ihrer Hautfarbe doch etwas relativiert. Im Laufe der Geschichte wird die arbeitsame Tiana dann zwar auf ihr Herz hören, wichtiger jedoch ist, dass Naveen zu arbeiten lernt, so dass sie schließlich zusammen ein Restaurant betreiben können, in dem die gekrönten Häupter Afrikas als Köchin und Kellner arbeiten.
Ja, Disney hat uns hier tatsächlich ein (zumindest in seiner menschlichen Form) dunkelhäutiges Paar gebracht, aber dessen ganze Entwicklung zielt darauf ab, brave anständige Dienstleister zum Nutzen Amerikas zu werden. Ein wenig märchenhaftes Ziel, dem sich die weißen Heldinnen vergangener Disneyfilme irgendwie nie unterordnen mussten.
(Dirk M. Jürgens)
Peroy
7. Januar 2013 @ 19:12
Mal gucken, was es hier so Neues gibt… joa…
Lutz
25. März 2013 @ 13:50
Klonk! Soeben ist mit das Brett vom Kopf abgefallen und mir ist klargeworden, dass Dirk M. Jürgens und der DMJ, mit dem ich bei Sir Donnerbolds Bagatellen über diesen Artikel ein und dieselbe Person sind. Nun gut, man kann mir also auch in diesem Fall Blindheit vorwerfen. 🙂
Wie dem auch sei… auch, wenn ich deinen Artikel hier drüben bei Donnerbold ziemlich in der Luft zerreiße habe ich mich hier danach durch deine Arteikel geklickt und Vieles gefunden, dem ich zustimme oder wo ich neue Ansätze gefunden habe, die mir interesant erscheinen.
Besonders gefallen mir übrigens deine Ausführungen zum Problem mit dem deutschen Regietheater in der Kritik zu „The Black Rider“. Ich habe die Kieler Aufführung nicht gesehen, kenne aber das Hamburger „Original“ von Robert Wilson. Aus unterschidlichen Gründen, auf die ich an dieser Stelle jetzt gerade nicht eingehen möchte, greift die Argumentarion mit dem Regietheater in diesem Fall nicht so richtig, aber so ganz allgemein gesprochen hast du da Gefühlen, die ich seit langem hege, auf hilfreiche Weise Worte gegeben.
Übrigens komme ich auch aus Kiel. Solltest du den Wunsch verspüren, bei einer Tasse Kaffee oder nem Bier die Diskussion über „Küss den Frosch“ fortzusetzen, bin ich gern dabei 🙂
Lutz
25. März 2013 @ 13:52
Schlimme Fehler im Text… Ich werde mich bemühen in Zukunft besser Korrektur zu lesen. Das ist leider eine blöde Angewohnheit von mir. Ich bitte um Entschuldigung.
Dirk M. Jürgens
25. März 2013 @ 15:48
Kein Problem, kein Problem – Tippfehler sind nach letzter Zählung für noch weniger Todesfälle verantwortlich als Meteoriteneinschläge. 😉
Freut mich aber, dass der Rest meiner Artikel freundlichere Aufnahme findet und in ihrem Licht vielleicht auch deutlicher wird, dass ich halt recht tief im Reich der Ideologiekritik wohne, was den Blick natürlich einschränkt. Denn, um es im vorliegenden Fall zu sagen, natürlich ist auch „Küss den Frosch“ keineswegs ein rassistischer Film, mir ging es eben nur um das Gesamtbild und gerade darum, wie er beworben wurde.
Ähnlicher Fall „The Black Rider“. Sicher ein zu exzentrisches Stück, um daran viel Allgemeines über das moderne Theater zu sagen, aber ich springe jedesmal darauf an, wenn es auch nur in einem Nebensatz auftaucht.
Und in jedem Fall natürlich eine angenehme Überraschung, in den unendlichen Weiten des Netzes gerade einen Kieler zu treffen!