„Looper“ (2012) oder Endlich wieder „richtige“ Science Fiction
„Looper“ (2012) oder Endlich wieder „richtige“ Science Fiction
von Rian Johnson
Harlan Ellison unterschied einmal zwischen Science Fiction und Sci-Fi, wobei ersteres spekuliert, wie sich wird, wie sich Technik und Wissenschaft auf den Menschen auswirken können, letzteres Abenteuergeschichten im Weltraum bzw. mit Strahlenkanonen. Beides hat seine Berechtigung und seinen Reiz, aber ersteres kam in den letzten Jahren im Kino doch etwas kurz – hier mal ein „Matrix“ (erster Teil; die Sequels taten zwar noch hochgestochen, waren aber nur Sci-Fi… und leider auch keine gute), „Inception“ oder „Surrogates“, aber sonst herrscht ziemliche Ebbe.
„Looper“ flutet diese Ebbe und allein dafür muss man ihm schon danken.
Die Handlung in Kürze: Da in der fernen Zukunft die Kriminalistik so fortgeschritten ist, dass Morde praktisch unmöglich sind, schickt das organisierte Verbrechen seine Opfer in der Zeit zurück, wo sie von in der Vergangenheit angeheuerten Killern umgebracht und entsorgt werden. Joe (Joseph Gordon-Levitt, dessen oft bemängeltes Make-up mich nicht wirklich störte), einer dieser „Looper“ soll eines Tages sein eigenes, dreißig Jahre älteres Ich (Bruce Willis) töten, dieses kann jedoch entkommen. Nun beginnt eine Jagd, bei der der alte Joe versucht, den Auftraggeber seines eigenen Todes in dessen Kindheit zu töten.
Eine hübsche Grundidee, die bestehenden Stories wie „Terminator“ neue Facetten abgewinnt. Auch ist sie schick weitergedacht: So nimmt der junge Joe Kontakt zum alten Joe auf, indem er sich eine Nachricht in den Arm ritzt, die dieser in Form von Narben sieht. Durch die Reise selbst ist die Zeit schon unsicher geworden, weshalb der Alte nicht weiß was der Junge tun wird, sondern nur erinnert, was er schon getan und damit in der Zeit festgeschrieben hat. Einem anderen alten Zeitreisenden verschwinden nach und nach seine Gliedmaßen, als sein junges Ich gefoltert und verstümmelt wird.
Das ist faszinierend, doch nicht immer logisch. So wird in der Zukunft durchaus weiter gemordet und man fragt sich, warum man das Risiko eingeht, die lebenden Zielpersonen statt nur ihrer Leichen in die Vergangenheit zu schicken, und warum man sie ausgerechnet von ihren eigenen jungen Versionen töten lässt. Hätte jemand anderes nicht weniger Skrupel? Das jede zielgerichtete Zeitreise sich selbst ihren Sinn nimmt und damit ein unauflösbares Paradoxon erschafft (wenn ich den jungen Hitler erschieße, gibt es für mich in der hitlerlosen Zukunft keinen Grund, zurück zu reisen und es zu tun), ist ein altes Problem und wird gern der Story zuliebe ignoriert. Die große Pointe, auf die „Looper“ hinausläuft, ist aber ein besonders schlimmer Fall und lässt sich meines Erachtens nicht auflösen. Die Zeit bildet hier mitnichten einen „Loop“, sondern scheint Personen auch über das Maß der Zeitreise hinaus zu verdoppeln.
Problematisch auch das zweite fantastische Element des Films, nämlich die Telekinese. Diese wird anfangs so sinnlos eingeführt und als wirkungsloser kleiner Trick bezeichnet, dass jedem klar sein müsste, dass bald ein „echter“ mächtiger Telekinet auftauchen wird. Besonders ärgerlich, da es sie im Endeffekt gar nicht gebraucht hätte und man dadurch, sie wegzulassen den Film lebensnäher gestaltet hätte.
Womit ich nicht gerechnet hätte, ist die Härte der Gewalt des Films in seinen wenigen, aber äußerst gelungenen Actionszenen. Wenn Willis zeigt, was er in seiner langen Karriere als Action-Star in der Realität bzw. Profikiller in der Fiktion gelernt hat, fällt „Looper“ aus seinem sauberen SF-Ton heraus und stapelt die durchsiebten Leichen bis zur Decke. Das ist gut gemacht und unterhaltsam, ich frage mich allerdings, ob der Film es wirklich gebraucht hätte, oder ob man da weniger graphisch besser dran gewesen wäre. Andererseits erschießt Willis Kinder (es gibt drei Kandidaten für seine Zielperson), damit dürfen eh schon viele zartbesaitete Zuschauer verloren sein.
Mit letzterem Punkt sind wir aber bei einem weiteren Problem, das vielleicht mein subjektives ist, aber dem Film mehr schadete, als seine fragwürdige Auflösung: Er hat praktisch keine sympathische Figur. Sicher, Willis und Jeff Daniels kennt man als Schauspieler und bringt darum ihren Charakteren Wohlwollen entgegen, das sie ob ihrer Taten nicht verdienen, doch der junge Joe bleibt ziemlich blass, das Kind, welches er schützen will ist unangenehm realistisch cholerisch und seine von Emily Blunt gespielte Mutter schafft es, unangenehme Großmäuligkeit und mangelnde, diese rechtfertigende Kompetenz zu kombinieren. Das ist besonders schlimm, da der Film im Grunde auf ein Ende über die Macht und Bedeutung der Liebe hinausläuft. – Wem sollte an der Liebe dieser Typen gelegen sein? Die hier notwendige Empathie rang man mir einfach nicht ab.
Da im Endeffekt Frauen der Antrieb aller Figuren sind, sah der Kollege Wortvogel in dem Film ein feministisches Element. Das wage ich jedoch stark zu bezweifeln: Ja, Frauen sind die Motivation für die Männer des Films, aber darauf beschränkt sich ihr Einfluss. Selbst handeln können sie nicht, der vielleicht fünfjährige Junge ist handlungsmächtiger als seine Mutter, die, wie man sieht, selbst mit einer Pumpgun regelmäßig waffenlosen Kerlen unterlegen ist und deren Rolle es schließlich nur ist, ihrem Sohn ihre Liebe zu verkünden. Diese Art Einfluss hatten Frauen schon in den Ritterromanen des Mittelalters, in denen sie dann aber trotzdem verschachert und unterdrückt werden durften, weil sie ja die Schuld der Erbsünde tragen. Das würde ich kaum als feministisch bezeichnen.
Nun gut. Wie üblich, wenn ich eine Rezension zusammennörgle, klingt alles viel negativer, als gedacht – „Looper“ ist kein schlechter Film. Nach langer Zeit ist er mal wieder SF zum Nachdenken und weiß dennoch darüber hinaus auch durch fetzige Action zu bestechen. Er mag nicht perfekt stimmig sein und auch sonst einige Schönheitsfehler haben, aber er ist dennoch eine Seltenheit, für die man dankbar sein sollte.
(Dirk M. Jürgens)