„Auf Herz und Nieren“: „Die Maske“ oder Verantwortung? Nein danke!
Nachdem ich „Mord mit Aussicht“ des Kirchendiebstahls überführte, nun wieder unsystematische Ausführungen zu einer einzelnen Folge einer Fernsehserie, die ihrem Gesamtbild nicht gerecht werden dürften.
Diesmal geht es aber nicht um ein spezielles Vergehen, sondern ein allgemeines Problem, welches ich schon öfters angemerkt haben dürfte, aber selten so geballt sah, wie hier.
In der zweiten Folge dieser Serie um einen ehemaligen Schickeria-Schönheitschirurgen, der gezwungen ist, in einer Praxis in einem sozialen Problemviertel zu arbeiten (so die TV-Zeitschrift – ich habe die Pilotepisode nicht gesehen und mit dem „fish out of water“-Zeug hält man sich angenehm zurück) geht es um einen Drama-Dauerbrenner, nämlich einen kleinen Jungen mit Leukämie. Lebensrettend könnte eine Knochenmarkspende des Vaters sein, da dieser aber eine gruselig tätowierte Kiezgestalt ist, will die Mutter keinen Kontakt zu ihm aufnehmen. Also muss unser Doktor den Job übernehmen und darf sich erstmal beschimpfen und bedrohen lassen. Es gelingt schließlich, den Unhold doch zu überzeugen (weil sich hinter seiner monströsen Schale ein kinderliebes Herz versteckt), doch stellt sich heraus, dass er gar nicht der Vater ist!
War es also doch der üble Zuhälter, mit dem die Frau ihn damals betrogen hat, ehe sie abschiedslos abgehauen ist. Entsprechend wütend haut der Tattoo-Riese dem Doktor eine rein – schließlich schlägt man ja keine Frauen – bevor sich dieser aufmacht, den Luden zu kontaktieren, was ihm aber durch besagte Kinderliebe abgenommen wird: Auch wenn es nicht biologischer Vater des Jungen ist, fühlt das Monster ausreichend für ihn, um den wahren Erzeuger gewaltsam zum Eingriff in seinen Körper, sprich, der Knochenmarkspende zu zwingen.
Fällt was auf? Richtig!
Die Rolle der Mutter hier ist eine einzige Abfolge moralischen Versagens, für dass sie nie die Konsequenzen tragen muss und auch nie nur leise kritisiert wird – anders übrigens, als der Doktor, der sich schwer ins Gewissen reden lassen muss, dass er nicht schnell genug aufbricht und sein Leben riskiert. Der Reihe der Erzählung nach:
– Tattoo-Monster ist gut genug, um mit ihm ins Bett zu gehen, aber nicht, um später mit ihm zu sprechen, wenn es um das Leben des eigenen Kindes geht.
– Monster hat auch allen Grund, da er damals wusste, dass sie schwanger war und ihn vom Kontakt zu seinem Sohn abhielt (und dabei dem Jungen den Vater verweigerte).
– Ist ja aber halb so schlimm, da sie ihn ja eh betrogen hat.
– Auch der Zuhälter war vögelbar, aber ist nun nicht ansprechbar.
Eine ganze Reihe hässlicher Dinge also. Und die Konsequenzen für sie? Der Doktor, der keinem was getan hat, kriegt aufs Maul und der Typ, mit dem sie ihren Partner betrogen hat muss sich gegen seinen Willen Knochenmark entnehmen lassen. Dennoch gibt es keinen Moment, in dem sie mal anders, denn als die notleidende Mutter eines kranken Kindes dargestellt wird. Die Folgen ihres Handelns müssen stets andere tragen und solange diese männlich sind, ist das ja auch kein Problem.
Im Prinzip eine uralte Sicht, die aus mittelalterlicher Frauenverachtung stammt (als niederes Wesen war die Frau eben nicht verantwortlich zu machen) und heute, gern eingebettet in emanzipatorische Phrasen medial weiterbetätigt wird. Ja, man will gleiche Rechte, aber nicht die gleichen Pflichten, wie der Mann.
Dieses Ärgernis ist Grundlage ganzer Serien: Geschlechterübergreifend etwa im schon besprochenen „Danni Lowinski“, wo praktisch jeder Mandant seiner Anwältin wesentliche Fakten vorenthält, aber trotzdem gerettet wird und auch „Desperate Housewives“ lebt praktisch davon, dass die Seitensprünge seiner Heldinnen sie als gerissene Biester, die ihrer Männer diese aber als gewissenlose Schweine zeigen. Wie schon diese Beispiele andeuten, insbesondere in „frauenaffinen“ Sendungen zu finden. Ist, nicht für seine Handlungen geradestehen zu müssen, der aktuelle Wunschtraum der modernen Frau, wie der des Mannes der in jeder Hinsicht überpotente James Bond ist? Der Fairness halber sei angemerkt, dass auch im „männeraffinen“ Actionfilm (attraktive) Schurkinnen weit häufiger bekehrt, statt getötet werden, als ihre männlichen Kollegen.
Das Phänomen ist verwandt der noch immer verbreiteten realen Sichtweise, dass bei einem Date der Mann auch für die gleichberechtigte Frau zu bezahlen habe oder körperliche Gewalt, von weiblicher Hand ausgeführt, nicht weiter schlimm (von sexuellen Übergriffen ganz zu schweigen). Oft unter „positive Diskriminierung“ gerechnet, für mich aber althergebrachte, klassische negative Diskriminierung – nur eben des Mannes. Genauer gesagt, ist es eigentlich sogar eine doppelte Diskriminierung: Männerfeindlich, weil es diesen weniger Rechte und mehr Pflichten auflastet, frauenfeindlich, weil es diese nicht als erwachsene, selbstbestimmte und entsprechend selbstverantwortliche Menschen ernst nimmt.
Wie gesagt. Das ist ein allgemeines und verbreitetes Problem, welches insbesondere die Romantische Komödie plagt und nichts, was meines Wissens „Auf Herz und Nieren“ generell auszeichnet, von dem ich ja nur diese eine Folge gesehen habe. Hier aber so deutlich demonstriert, wie selten zuvor.
(Dirk M. Jürgens)