FFF 2012: „God Bless America“
Dass Bobcat Goldthwaits Amokläuferfilm eine Satire der wenig subtilen Art ist, die sich mit ihren Opfern auf ziemlich einfache Ziele beschränkt („God hates fags“-Prediger, Fox-News-Hetzer, Reality-TV-Stars und Leute, die im Kino telefonieren) dürfte sowohl aus Sichtung des Trailers, als auch jeder simplen Inhaltsangabe deutlich werden. Mit dieser, nicht zu hohen Erwartung lässt er sich auch wirklich genießen und macht einigen Spaß, hat jedoch das zentrale Problem, sich nicht ganz zwischen Zynismus und Idealismus entscheiden zu können.
Idealismus klingt absurd im Falle eines Films, dessen Held einer 16jährigen vor ihrer Schule ins Gesicht schießt, während dazu „School’s Out“ ertönt (überhaupt ist Alice Cooper gleich dreimal auf dem Soundtrack vertreten), aber wenn der Protagonist Frank lange, ernste (wenn auch nichts neues enthaltene) Monologe über die Unmenschlichkeit der modernen Mediengesellschaft hält, ist das offenbar moralisch ernst gemeint. – Denn wenn er wirklich zynisch wäre, währe ihm auch das egal.
Diese Unklarheit schlägt sich besonders in Franks jugendlicher Helferin Roxy nieder, die (in der Tradition ultrabrutaler Mädchen aus „Kick-Ass“ und „Super“ stehend) alles töten will, was nicht ihrem Geschmack entspricht. Ihre Partnerschaft beginnt, als sie von Franks Selbstmordplänen erfährt und gespannt zusehen möchte, doch damit zeigt sie genau die Haltung, die Frank anklagt – wieso ist schlecht, wer Youtube-Clips von Todesfällen genießt, nicht aber, wer sich direkt vor Ort daran erfreut? Wie so viele Filmemacher verzeiht auch Goldtwaith einer Figur zuviel, nur weil sie hübsch und weiblich ist, doch einem Film, der anfangs zumindest eine Botschaft zu haben vorgibt, stellt er ein Bein, wenn er eine Heldin hat, die Teil des angeklagten Problems ist.
Dieser Zwiespalt macht dem Film durchgängig zu schaffen, bis er am Ende dann (endlich?) seinen Idealismus ganz aufgibt und dem reinen Menschenhass verfällt. Das mag keine positive Botschaft sein, bezieht dann aber endlich Stellung, auch wenn unklar bleibt, ob den Machern bewusst war, dass sie damit die flammenden Monologe des Anfangs untergraben. Wohl eine der bittersten Komödien aller Zeiten, die wohl tatsächlich nicht auf das Spiel mit der Geschmacklosigkeit aus ist, sondern wirklich aus tiefem Weltekel entstanden scheint, weshalb er auch konsequent alle Charakterzeichnung oder –entwicklung vermeidet, welche die Annäherung an menschliche Wesen bedeutet hätte, von denen er nun einmal nichts hält.
(Dirk M. Jürgens)
heino
14. Februar 2013 @ 12:59
Auch hier volle Zustimmung. Stellenweise arbeitet Goldthwait mit zu offensichtlichen Mitteln und der Film wäre, wenn er nicht so auf Komödie gebürstet wäre, erschreckend deprimierend. Aber in dieser Form ist er wie Kick-Ass eine zynische Spassgranate, die ihre eigenen anfänglichen Ambitionen zu Gunsten des Unterhaltungswertes einfach über Bord wirft.