„Mord ist mein Geschäft, Liebling“
„Mord ist mein Geschäft, Liebling“ oder Die Rache der Supernasen
(2009) von Sebastian Niemann
Schauspielerei ist eine schwierige Kunst, Komödie zu spielen sogar noch schwieriger. Ich beherrsche diese Kunst nicht, doch trotz dieser Gemeinsamkeit wurden der Film und ich keine Freunde.
Es sollte nicht sein schlimmstes Problem werden, doch obwohl man sich bemüht hatte, allerlei bekannte Namen zu versammeln – Rick Kavanian, Nora Tschirner, Christian Tramitz, Franco Nero und Bud Spencer – wurde fast durchgängig so augenrollend überzogen gespielt, als gelte es, sich von einer viel zu weit entfernten Bühne aus einem kurzsichtigen Publikum aus Autisten verständlich zu machen. Besonders negativ fiel die attraktive, aber offenbar unbegabte Frau Tschirner auf, die den schon bei „Keinohrhasen“ gewonnenen Eindruck, schlicht und ergreifend nicht spielen zu können hier bestätigte (und diesmal ohne die Entschuldigung der qualitätshemmenden Wirkung Til Schweigers). Ebenfalls ein Tiefpunkt war Janek Rieke, der mir ansonsten nicht bekannt ist und hier das Schamgefühl durch besonders überzogene Clownereien malträtiert, doch in diesem Fall könnte es an der Schauspielführung liegen.
Diese müsste dem Regisseur und Drehbuchautor Niemann unterlegen haben, der auch bei seinen übrigen Aufgabenbereichen furchtbar scheitert. Er begann mit einer lahmen Verwechslunsgkomödienstory (Auftragskiller gibt sich als Autor eines Mafia-Enthüllungsbuches aus, um sich an eine heiße Verlagsmitarbeiterin heranzumachen, doch nun ist die Mafia hinter ihm her) und machte sich dann an das ehrgeizige Projekt, darin nicht einen einzigen, noch nicht altbekannten und ausgelutschten Gag einzubringen. Und es gelingt ihm!
Das ist kein Scherz, keine Übertreibung um der Komik Willen: Tatsächlich hat man ALLES, was hier an Versuchen von Humor aufgefahren wird, schon einmal gesehen: Den Killer, der bei der Arbeit ständig auf dem Handy angerufen wird, der Psychologe, der mitten während der Schießerei anbietet, die Sache auszudiskutieren, das schnelle Verstecken einer Leiche, wenn jemand hereinkommt und das ausgiebige Lästern über jemanden, der gerade hinter einem steht. Gestreckt wird das Ganze mit Dauerbrennern aus Stummfilmtagen, bei denen Leute stolpern, Dinge umstoßen oder von Gegenständen am Kopf getroffen werden, worauf sie GANZ GANZ LUSTIG die Augen verdrehen und ohnmächtig werden. Modernisiert werden diese Mottenkistennummern durch einen hysterischen Krach auf der Tonspur, der alles, aber auch wirklich alles mit vermeintlich lustigen Geräuschen untermalt und keine Minute der Ruhe zwischen seinen FIIIIUUUUUs, PLINGs und KABOINGs lässt. Das bringt uns natürlich gleich zu Bud Spencer: Der ist hier reines Gimmick. Er sitzt in einem Café und dient Kavanians Figur als Vertrauter, dem gegenüber er simpel und direkt seine Gedanken mitteilen kann, so dass die Mühe erspart bleibt, sie irgendwie vorzuführen.
Bevor es aber zu Szenen von Mafiakillern kommt, die sich, auf unseren Helden zielend gegenseitig erschießen, wie zu schönsten „Supernasen“-Zeiten, darf Spencer auch für eine wichtige Charakterszene dienen. Denn jedes Mal, wenn Kavanian mit jemanden Kaffee trinkt, fragt er, ob er dessen dazu gelieferten Schokobohnen essen könne. Darauf reagiert man für gewöhnlich mit dem blanken Entsetzen, weil NIE irgendjemand die essen würde. NIEMALS! Als er dann die Tschirner trifft, isst diese sie ebenfalls, was natürlich ausreichend Grundlage für eine unsterbliche Liebe der beiden sein dürfte. Trotzdem darf Spencer uns später noch mal erklären, dass hier Schicksal am Werk ist, für den Fall, dass wir durch die enorme Entfernung zur Bühne und unseren Autismus diese Subtilität nicht erkennen.
Aber das Geheimrezept einer guten Komödie, so scheint man hier zu meinen, sei die Vermeidung jeder Überraschung, stattdessen hülle man den Zuschauer in die warme, weiche Decke von Vorhersehbarkeit. Witze sind ja schließlich wie guter Wein und werden mit der Zeit immer besser. Ich habe angefangen, am Anfang jeder Szene laut zu sagen, welchen Gag sie später bringen würde und hatte fast immer recht – zu meinem Leidwesen, möchte ich sagen. Doch selbst, wenn man zuvor noch nie einen Film gesehen hätte, würde einem vermutlich auffallen, wie viel zu lang jeder einzelne der vermeintlichen Witze ausgewalzt wurde.
Als Komödie also ein kompletter Rohrkrepierer, blieb für einen deutschen Film relativ viel Action, die aber auch vollkommen in die Hose ging.
Denn Actionszenen sind im Grunde angewandte Kausalität: Du siehst, wie jemand einen Auslöser drückt, daher weißt du dann, wieso jetzt was explodiert und wer dadurch bedroht ist. Du empfindest Spannung, weil du die Situation überblickst und weißt, wo unser Held Deckung sucht und von wo aus er beschossen wird. „Mord ist mein Geschäft, Liebling“ verzichtet auf solche Kausalität. Wenn der Abzug einer Waffe betätigt wird, passiert irgendwo, irgendwas (begleitet von einem Inferno aufdringlicher Slapstick-Geräusche). Im Universum dieses Films hätte Lee Harvey Oswald gemütlich zuhause auf dem Sofa sein Gewehr in die Wand feuern können und gleichzeitig wäre Kennedy von einer vom Himmel stürzenden Kuhglocke erschlagen worden. Spannung erzeugt man so nicht. So undurchschaubar wie die Naturgesetze sind dann auch die Handlungen der platten Figuren – denn was tut etwa die Mafia, wenn sie aus jemanden herausholen will, wo er sein belastendes Manuskript versteckt hat? Richtig, sie setzt einen Scharfschützen auf ihn an, der ihn an einem öffentlichen Platz erschießen soll. Macht Sinn.
Man könnte noch viel mehr und noch detaillierter die Unwitzigkeiten, Schwachsinnigkeiten und Dummheiten dieses ärgerlichen Films aufzählen, doch stattdessen finde ich nun eine weitere Gemeinsamkeit mit ihm, indem ich ebenso wie er ohne auch nur den Versuch eines Schlussgags ende.
(Dirk M. Jürgens)