„Rogue One“ oder „Star Wars“ musste erst aufhören, „Star Wars“ zu sein, ehe es wieder „Star Wars“ werden konnte
„Rogue One“ (2016) von Gareth Edwards
Ihr alle habt (gefälligst!) meine Frustration über „Star Wars Episode VII – The Force Awakens“ mitbekommen. Schon damals stöhnte ich ob der Zukunftsaussicht, diesen Frust jedes Jahr neu zu erleben (denn dass ich die Filme trotzdem im Kino ansehe und damit das fördere, was mir missfällt, ist klar). Nun bin ich optimistisch, es vielleicht nur jedes zweite Jahr erleben zu müssen, denn zwischen den weiteren Episoden, in denen mich Mary Sue Ray langweilen wird, kommen die „Star Wars Tales“, die eigene Wege beschreiten können.
Dieses Interquell spielt vor „Krieg der Sterne“ (wie „Episode IV – A New Hope“ in meinem Herzen immer heißen wird) und erzählt die Geschichte der dort am Rande erwähnten Rebellen, die ihr Leben gaben, um an die Pläne des Todessterns zu gelangen.
Es gab wohl von Seiten der alt-right-Clowns Proteste, weil einer der Macher sich gegen Trump äußerte, woraus sie schlossen, das werde auch das Thema des Films sein, aber so sehr ich sonst Analogien und Metaphern mag – hier sind sie fehl am Platze. Der Film gibt sich immer wieder gern tiefsinnig, aber zu mehr als etwas „Hoffnung ist voll knorke!“-Geseiere und ungewohnt finstere Kriegsdarstellung (dazu später mehr) reicht es nicht. Ja, die Helden sind betont vielfarbig (und das mir realen Farben) und Donnie Yens „Zatoichi“-Abklatsch ist als Blinder sogar behindert. Kann man kurz drüber lächeln, aber wer sich ernsthaft darüber aufregt, hat ernsthafte Probleme mit seinen Prioritäten.
Die neuen Helden zwischen Anakin und Luke
Apropos Figuren: Die waren mir so ziemlich egal. Die neue Heldin Jyn Erso hatte war eine wenig bemerkenswerte Standard-Powerfrau. Natürlich wie Rey braunhaarig, denn wie Liana Kerzner bemerkte, gelten nur die als ausreichend wenig kontrovers, einen Blockbuster zu tragen. Blondinen könnten zu sexy, Schwarzhaarige zu exotisch gelten und Rothaarige sind bekanntlich Hexen. Sie war zumindest wieder ein echter Mensch, großartigen Charakter hatte sie aber auch nicht, gerade mal Daddy-Issues, aber da ihr Vater Mads Mikkelsen war, sei ihr das gestattet. Ich erwarte ja jetzt in „Star Wars“ keine großen Charakterstudien, aber mich langweilt, dass man sich noch nicht mal Mühe macht, die Helden wenigstens optisch irgendwie interessant zu machen. Sowohl Jyn- als auch Rey-Cosplayer würden in größeren Städten kaum auffallen. Gebt denen doch zumindest mal eine interessante Weltraum-Frisur! – Na gut… aber nicht die von Forest Whitaker. Den hat man mit schräger Haartracht, Sauerstoffmaske und seltsamer Sprechweise zwar markant gemacht, aber vor allem peinlich. Habe jede Sekunde seiner Anwesenheit gelitten.
Eine zwiespältige Sache ist der Fanservice, denn der wird mit vollen Händen ausgeteilt: Ob Bail Organa aus den Prequels, Mon Mothma, aus dem ersten Film oder Designs aus dem Expanded Universe – vieles erfreut das Fan-Herz, auf den kurzen, erzwungenen Auftritt von R3-D2 und C-3PO hätte ich hingegen verzichten können.
Wohl umstritten, aber mich vollkommen erfreuend, war die Rolle des finsteren Tarkin, der wie im Original von Horrorlegende Peter Cushing gespielt wurde. Da der van Helsing der Hammer-Filme ja leider nicht mehr unter uns weilt, wurde er hier von einer Computeranimation verkörpert, die ihre Rolle erstaunlich gut machte. – Klar, wenn man ihm in die Augen sah, erkannte man, dass es kein Mensch war und ich gebe zu, dass Cushings Gesicht schon immer etwas nach Comicfigur aussah, so dass es eine relativ leichte Übung gewesen sein dürfte, aber die Aussicht, was sich dort entwickeln mag, ist schwindelerregend.
Der aktuelle Schurke Krennic ist übrigens ebenso langweilig, wie die Helden und folgt Kylo-Ren auf dem Pfad der würdelosen, erbärmlichen Bösewichte. Wo mir beim vorherigen Film damit aber etwas fehlte, stehen hier Tarkin und sogar Darth Vader selbst zur Stelle, um diese Lücke mehr als ausreichend zu füllen. Nebenbei sehen wir hier Vader mal wirklich in Action: Nachdem er früher ja mal einen alten Mann und einen jungen Amateur besieht hat, darf er jetzt mal wirklich Badass sein, wenn er sich mit Lichtschwert und Telekinese durch ein Raumschiff metzelt, als wäre er „Jason X“.
Echter Krieg im Krieg der Sterne
Nachdem „Das Erwachen der Macht“ als verkapptes Remake des Originals restlos auf Nummer sicher ging, riskierte man diesmal einige unerwartete Dinge: Sowohl der klassische Anfangstext, als auch der legendäre John-Williams-Score fehlen und viel mehr noch, als das Anfangsgemetzel von „Episode VII“ zeigt man den Sternenkrieg hier als echten Krieg. Natürlich für eine gute Sache, aber dennoch grausam und mit wenig Trost. Man sagte ja schon, dass die Todessternpläne mit hohem Blutzoll erkämpft wurden, hier sehen wir den Opfern, die dafür gebracht wurden, ins Gesicht.
Wie schon in „Monsters“ und seinem „Godzilla“ versteht Regisseur Gareth Edwards es, bekannten Wundern der Tricktechnik neuen Glanz zu verleihen, indem er sie aus der Perspektive des einfachen Menschen zeigt. Der Angriff der AT-ATs in „Das Imperium schlägt zurück“ war eine tolle Szene, aber wenn sich ihnen keine Schneegleiter, sondern Fußgänger mit Panzerfäusten entgegenstellen, hat es eine ganz andere, viel spürbarere Wirkung.
Eine weitere Parallele zu Edwards letztem Film ist es, dass er nach zwei recht lahmen Dritteln dann mit seinem Ende mein Herz gewann. Nachdem er sich nicht versuchte, über meine Nostalgie einzuschleimen, wie es „Das Erwachen der Macht“ tat, schlug er dann am Ende mit einer der größten Fanservice-Keulen der Filmgeschichte zu…. und traf. Da merkte ich, dass ich vollkommen mitging. Das Ende begeisterte mich! Ich freute mich wirklich und ungehemmt darüber, in dem alten „Star Wars“-Universum angekommen zu sein, das ich damals mit vielleicht zehn Jahren das erste Mal gesehen und seit den Prequels vermisst hatte.
„Rogue One“ ist nicht perfekt. Filmisch vermutlich sogar nicht einmal besonders gut, aber er schaffte es, mir die Begeisterung, die mir letztes Jahr so enttäuschend versagt worden war, wiederzugeben. Ob sie ausreichen wird, wenn 2017 die nächste Strophe des Hohelieds der Rey kommt? Ich denke nicht. Aber wenn 2018 der junge Han Solo seine Abenteuer erlebt, mag sie vielleicht wieder aufflackern.
Mageia
21. Dezember 2016 @ 16:18
Konnte den Film noch nicht sehen. Was meinst Du mit „die nächste Strophe des Hohelieds der Rey“? Es klingelt bei mir nicht.
Dirk M. Jürgens
22. Dezember 2016 @ 0:29
Das ist mehr mein Pessimismus. Ich konnte Episode VII ja vor allem deshalb wenig abgewinnen, weil mich seine Heldin Rey so langweilte, da ihre Rolle vor allem daraus bestand, alles zu können und dabei immer toller zu sein, als jeder sonst. Noch ein Film davon wäre schon schlimm, aber ich stelle mich vorsichtshalber darauf ein, denn man wird ja lieber positiv, als negativ überrascht. 😉
Gregor
28. Dezember 2016 @ 10:14
Hey DANKE für die SPOILERWARNUNG du MONSTER!!!!!11
Apropos Spoiler: Hab den Film gestern gesehen und in der Pause auf dem Smartphone gelesen, dass Carrie Fisher gestorben ist. Upps. Das gab der zweiten Hälfte noch einmal einen besonderen Geschmack.
„Rogue One“ hat mich grösstenteils kalt gelassen — ähnlich wie „The Force Awakens“ fühlt es sich tatsächlich mehr oder weniger wie „Star Wars“ an, aber man merkt die ganze Zeit, dass irgendwas nicht stimmt. Von daher ist Zombie-Tarkin das perfekte Symbol für die Disney-Ära. Dessen Gummi-Gesicht fand ich übrigens keine Sekunde lang überzeugend, aber da war ich anscheinend auch in meinem Freundeskreis der einzige.
Toll fand ich hingegen den sarkastischen Droiden, der um einiges interessanter war als die kugelrunde R2-D2-Kopie aus dem letzten (oder als alle anderen Figuren in diesem) Film.
Aber hey, jetzt wissen wir endlich, weswegen der Todesstern diese offensichtliche Schwäche eingebaut hatte. Es war absolut nötig, einen ganzen verdammten Film zu machen, um irgendwelchen selbstgefälligen Nerd eins reinzuwürgen.
Sebastian
28. Dezember 2016 @ 12:25
Ich hab Rogue One schon zum zweiten Mal gesehen und mir gefällt er sehr gut. Einfach so 😀
GOI
8. Januar 2017 @ 2:16
Nein Mann.
Klar, der Film hat nicht genug Zeit, den Charakteren genug Geschichte zu geben. Eine Serie wäre dafür geeigneter. Aber {SPOILER VORAUS] es ist klar, dass sie alle sterben müssen, warum sonst, „treten sie nicht im Original auf“?
Ich finde es Klasse, dass mal mehr hinter Sätzen wie „Viele Bothaner erlitten den Tod“ oder „Wir haben eine imperiale Raumfähre gekapert“ steckt. Hier war es der Satz aus dem Vorspann „die Revellen, die von einem geheimen Stützpunkt aus angreifen, haben ihren ersten Sieg errungen.“ Es müssen auch mal die Neben-Charaktere (wie z.B. Wedge Antilles) geehrt werden.
So gesehen bedeutet der Film für mich eine Sache: (neue) Hoffnung!