„Kevin allein zu Haus und in New York“ oder Der wahre Alpha-Kevin
„Kevin allein zu Haus“ 1991) & „Kevin allein in New York“ (1992) von Chris Columbus
Als der erste Teil rauskam, war er überall und spielte Tonnen an Geld ein. Ich habe ihn damals nicht gesehen und hatte auch schlicht kein Interesse daran. Was ich davon mitbekam, war mir irgendwie unsympathisch: Ich mochte Macaulay Culkins Schrei-Gesicht nicht und die Idee, Kindern zu zeigen, wie man mit einfachen Haushaltsmitteln Todesfallen baut, schien mir fragwürdig (ja, ich war wohl ein äußerst spießiger Zehnjähriger).
Irgendwie mauserte sich der einstige Blockbuster bald zu einem Weihnachtsklassiker, so dass ich mich jeden Dezember wieder weigern konnte, ihn zu sehen. Die Nerdwelt mochte diskutieren, ob der erwachsene Kevin der Jigsaw-Killer aus den „Saw“-Filmen ist und ob es Solid Snake schaffen würde, in das McCallister-Haus einzudringen. Ich war immer draußen.
Dieses Jahr aber begab es sich, dass die fiesen Typen vom Nerdship Podcast einen Mehrteiler über ihre liebsten Weihnachtsfilme brachten. Während einige Beiträge umstritten waren, waren sich alle einig, dass „Kevin“ rund und nahezu perfekt war und als dann Heiligabend beide Teile am Stück liefen, beschloss ich, das Thema endlich abzuhaken.
Schritt 1: „Kevin allein zu Haus“
Was soll ich sagen? Es geschah kein Weihnachtswunder, ich wurde nicht plötzlich zum Fan bekehrt, ich entdeckte kein idealistisches, unzynisches Kind in meinem Inneren (also abgesehen von dem, was ich als Weihnachtsessen hatte). Dennoch war ich positiv überrascht, wie gut der Film geschrieben war. Er bekommt es tatsächlich auf die Reihe, plausibel zu machen, wie die Familie McCallister ihren Sohn daheim vergessen konnte und auch, wie er mit der Situation zurecht kommt. Es werden jede Menge Dinge (wie die Vogelspinne oder der gruselige Nachbar) frühzeitig eingebracht, die später wichtig würden, kaum etwas wird plötzlich aus dem Hut gezogen.
So betet Kevin nach einem Streit mit seiner Familie, von derselben befreit zu werden, so dass er glaubt, das sei der Grund, warum er am nächsten Morgen allein ist. So stiehlt Kevin, vom vermeintlichen Schaufelmörder erschreckt versehentlich eine Zahnbürste und hat damit einen guten Grund, nicht die Polizei zu rufen, obwohl er weiß, dass Einbrecher sein Haus ausgeguckt haben. Das ist jetzt keine Raffinesse vom Kaliber der „Zwölf Geschworenen“, aber für eine Familienkomödie sehr solide gemacht.
Auch Macaulay Culkin macht seine Sache tatsächlich gut, obwohl seine deutsche Synchronstimme nicht gerade überwältigt. Er wirkt authentisch und nicht aufdringlich oder altklug.
Meine größte Freude war aber, dass es so angenehm lange dauert, bis der Slapstick-Teil mit den Einbrechern beginnt. Dieses Herzstück des Filmes sagte mir dann nämlich doch so wenig zu, wie gedacht. Die Schurken spielen überzogen kalauernd und der Gewaltgrad des Films schlingert ziellos umher. Da es einen kleineren Teil des Films einnahm, als erwartet, kam ich damit klar, es verdarb mir die Laune nicht zu sehr, dennoch war auffällig, wie wenig Heiterkeit diese Komödie bei mir auslöste.
Schritt 2: „Kevin allein in New York“
Kaum waren meine Vorurteile etwas gelockert, kam das Sequel, um sie mir gleich hämisch lachend zurück in den Hals zu stopfen. Nicht nur, dass hier der Slapstick-Teil schon früher begann, mehr Zeit einnahm und teils wirklich unangenehm brutal wurde, auch die Dinge, die mir im ersten Teil gefallen hatten, ließ man diesmal weg.
Die Angestellten des Nobelhotels, in dem Kevin absteigt, misstrauen und verfolgen ihn bald ohne jeden Grund und ohne jede Glaubwürdigkeit. Ja, ein Kind, dessen Vater man nicht sieht, ist eine seltsame Sache, aber seltsam genug, in das Zimmer eines Gastes zu schleichen?
Culkin, der mir im Vorgänger ja durchaus gefiel, scheint durch dessen Erfolg irgendwie verdorben. Statt der echten kindlichen Unschuld, die er dort spielte, strahlt er jetzt eine gewisse Selbstgefälligkeit aus – was aber nicht an ihm liegen muss, sondern auch am Skript liegen kann. Denn schließlich WAR der Kevin des Vorgängers kindlich unschuldig, dieser hier hingegen benutzt bewusst die Kreditkarte seines Vaters, um damit in unverantwortlichem Luxus zu schwelgen. Er weiß, dass er Falsches tut und es kümmert ihn nicht. Der Kevin des ersten Teils glaubte sich in einem Weihnachtswunder, der Kevin dieses Films will halt lieber allein Urlaub machen und kümmert sich nicht um die Konsequenzen. Damit fehlte hier für mich auch der emotionale Überbau, der damals noch leicht durchschimmerte.
Größtes Manko des Films ist jedoch der Umstand, dass er den ersten Teil so schamlos zwanghaft wiederholt, wie es sonst nur „Hangover 2“ gewagt hat.
Die abwesende Familie sieht im Fernsehen US-Weihnachtsfilmklassiker in fremdsprachiger Synchonisation, der „Grinch“ läuft, Kevin erschreckt jemanden mit dem Ton eines alten Gangsterfilms, mit einer Figur an Fäden simuliert er die Anwesenheit eines Erwachsenen und der Handlungsstrang mit dem Schaufelmörder wird nahezu 1:1 mit einer Obdachlosen nachgestellt.
Schon beim okayen ersten Teil hatte ich nicht wirklich Anlass zum Lachen gehabt, bei diesem noch viel weniger – wenn mich natürlich auch aus historischen Gründen der Cameo des baldigen Gottkaisers und wahren Königs des Nordens erheiterte. Die Story mit dem netten Spielzeughersteller, der an Kinderkrankenhäuser spendet, wirkte auch eher an den Haaren herbei gezogen und die Sorge der beiden, aus dem Gefängnis ausgebrochenen, medial bekannten und gesuchten Verbrecher, ein Foto könnte sie mit einem Einbruch in Verbindung bringen, überzeugt auch nicht so ganz.
Als Pluspunkt will ich anmerken, dass Catherine O’Hara (die bei mir natürlich durch „Beetlejuice“ einen Stein im Brett hat) ihr Haar hier hübsch kürzer trägt, doch das wird gleich dadurch wettgemacht, dass ihr Charakter unsympathisch und selbstgerecht geworden ist (wer sein Kind zweimal im Urlaub verliert, sollte sich mit moralischen Vorwürfen an Hotelpersonal zurückhalten, auch wenn er es für unverantwortlich hält). Jedenfalls hatte dieser Teil nun meine Erwartungen doch noch erfüllt und meine Laune verdorben, entsprechend sind wir jetzt ungefähr wieder da, wo wir angefangen haben. Egal! Hauptsache, ich habe endlich diese Pflichtübung von Film hinter mich gebracht.
Danke, Zwangsneurose, die mich alle irgendwie relevanten Filme sehen lassen will, danke, ihr elende Nerdship-Podcastbande und vor allem natürlich danke, 2016!