„Fantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ oder Dieser Harry-Potter-Film ohne Harry Potter
„Fantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“
(2016) von David Yates
Früher hatten Buchverfilmungen meist das Problem, dass sie viel zu frei angegangen wurden und aus Laufzeitgründen zu viel daraus gekürzt wurde, was die Geschichte ausmacht. Letzteres wünsche ich mir dieser Tage manchmal direkt zurück: Nachdem ja schon einzelne Romane, die keineswegs zu komplex für 90 Minuten gewesen wären, zu Zweiteilern aufgeblasen wurde, errichtete „Der Hobbit“ ja einen neuen Rekord, indem er soviel neues Material hineinnahm, ein schmales, nettes Kinderbuch zu einem Großepos aus drei weit überlangen Filmen zu strecken.
Um noch mehr süßes Geld aus der Zitze der Cash Cow Harry Potter zu saugen, geht man jetzt aber noch eine neue Dimension an: „ Fantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ (von mir nicht gelesen) ist kein Roman, sondern ein Sachbuch über die Zauberwesen des HP-Universums. Dennoch hat man beschlossen, daraus jetzt nicht einen, sondern gleich fünf Filme zu machen, deren erster kürzlich ins Kino kam.
Ich will offen sein. Er hatte schon nicht die besten Chancen bei mir, weil ich
a) kein Fan der „Harry Potter“-Filme bin
b) eigentlich an diesem Abend „Arrival“ sehen wollte.
Wie sich der zweite Punkt ergab, soll hier nicht weiter interessieren, jedenfalls ließ mich der Film recht ungerührt und langweilte mich bald.
Dabei ist er nicht wirklich schlecht, nur… recht egal.
Harry Potter und das verzauberte Drehbuch
Protagonist ist der Magier Newt. Der bringt, seinen Marotten folgend, einen Koffer gefährlicher magischer Wesen ins New York der Zwanziger, was aber okay ist, weil er ja die Hauptfigur und voll nett zu diesen gefährlichen Wesen ist. Als ihm welche davon entkommen, muss er sich mit einer lokalen Magierin und einem nichtmagischen (in Amerika „No-Mags“, statt Muggel genannt), wandelnden Fat Joke zusammentun. Dann ist da eine fanatische Hexenjägerin, die wohl ein Waisenhaus führt, ein Zeitungsverleger, dessen Sohn in die Politik geht und ein hochrangiger Magier (Colin Farrell) der irgendwas Böses plant. Durch eine Montage aus Zeitungen ganz zu Anfang werden wir erinnert, dass der, in den alten Filmen/Büchern erwähnte Superschurke Grindelwald noch aktiv ist.
All das wird aus vollen Kammern auf den Zuschauer gekippt. Einer wirklichen Dramaturgie folgt der Film nicht, lauter Dinge passieren, die CGI-Kreaturen sind technisch makellos und unsagbar langweilig und als am Ende etwas GROSSES passiert, fliegt Superman so lange um die Erde, bis die Zeit zurückgedreht ist und alles wieder gut.
Also… nicht direkt, aber ähnlich aus dem Nichts kommend und wenig überzeugend ist die Auflösung hier. An sich ist der Film recht berechenbar und dort, wo nicht, dann nur, weil er schummelt, indem er etwa eine magische Regel aufstellt und dann ruft „Überraschung! Der erste Fall dieses Phänomens, ist gleich die Ausnahme von der Regel!“
Harry Potter und die magische Fremdscham
Der Humor ist meist recht platt und erzwungen, die Action okay, die Figuren nett und das historische Dekor ganz hübsch. Nachdem er für „Fluch der Karibik“ Keith Richards gab, gibt Johnny Depp hier in einem Cameo einen eher albernen, bärtigen David Bowie, der mich wieder mal traurig daran erinnert, wie der edle Edward Scissorhands inzwischen vom Pfad abgekommen ist.
Nebenbei werden Zauberstäbe hier endgültig wie Pistolen benutzt, so dass nicht einmal mehr magische Formeln gerufen werden müssen.
Im Vorfeld war mir angekündigt worden, Dumbledore hätte darin nun auch sein offizielles Outing (dass Rowling erst sagte, er sei schwul, nachdem die Reihe durch und die Schäfchen im Trockenen waren, hatte ich ihr immer übel genommen), aber das blieb aus. An einer Stelle fragt jemand, wieso der, im Film abwesende Dumbledore den unkonventionellen Newt so fördern würde und dieser antwortet ausweichend, aber ich mag das eher nicht als Bestätigung sehen. Denn das würde ihn quasi auf seine Homosexualität reduzieren („Er hilft jemanden? Dann muss er ihn vögeln wollen!“)
Nebenbei…Wieso leitet Dumbledore seine Zauberschule eigentlich schon siebzig Jahre vor der restlichen Serie? Wie alt war der Mann in den anderen Filmen?
Ähnlich wenig, wie der Film seine Story im Griff hat, kommt er auch mit seinen Protagonisten zurecht, die keine echte Charakterisierung bekommen und deren Entwicklungen nicht entwickelt, sondern nur behauptet werden. Welch grauenvolle Implikationen die, am Ende angedeutete Love Story des Nichtmagiers hat, entgeht den Machern wohl auch.
Harry Potter und das schamlose Namedropping in den Überschriften
Ihr seht… ich kann zu diesem Film nur lauter einzelne Punkte vorbringen, aber nichts zusammenhängendes, irgendwie strukturiertes. Welch Zufall! Genau das schien ja auch Rowlings Problem mit dem Skript zu sein. Wer Fan von Harry Potter (besonders den Filmen, die mir später recht ungelenkt zwischen Kinder- und Erwachsenenfilm zu schwanken schienen) ist, wird wohl auf seine Kosten kommen, wer einen hirnlosen Blockbuster für jüngeres Publikum sucht, wohl auch, wer einen GUTEN Film sucht, eher nicht.
Bleibt die Frage, ob es schon die Furry-Pornoversion „Fantastische Tierwesen und wie sie zu ficken sind“ gibt (und, ob ich mir mit diesem müden Gag nicht mehr Mühe gegeben habe, als Rowling mit ihrem ganzen Drehbuch).
Gregor
8. Dezember 2016 @ 10:08
„Nebenbei…Wieso leitet Dumbledore seine Zauberschule eigentlich schon siebzig Jahre vor der restlichen Serie? Wie alt war der Mann in den anderen Filmen?“
Falls es nicht schon jemand gesagt hat: Dumbledore ist hier erst Lehrer, noch nicht Schulleiter.
Und ja, ich war auch nicht sonderlich begeistert. Als Drehbuchautorin scheint Rowling eine tödliche Allergie auf Originalität und Subtilität zu haben. („Der Zauberer drückt dem Muggel das Fläschchen mit Pheromonen in die Hand? Ich kann mir gar nicht vorstellen, worauf das wohl hinausläuft!“)
Das mit der Pornoversion hab ich mir auch schon überlegt („Fantastic Breasts and How to Fuck Them“). Stattdessen werd ich demnächst was schreiben mit dem Titel „Fantastic Beasts and Where to Eat Them“.
Dirk M. Jürgens
8. Dezember 2016 @ 15:13
Stimmt, Dumbledore musste ja noch nicht zwangsläufig der Chef sein. Da will ich nicht ausschließen, dass mir das Detail entgangen ist.
Die Pheromon-Szene war für mich auch ein besonderer Tiefpunkt: „Hey, statt diese Flasche, deren Inhalt das Monster geil macht, wie all meine anderen Sachen wieder einzustecken, drücke ich sie dir einfach mal offen in die Hand… was SOLL schon passieren?“ – Da haben sie quasi eine Trittleiter aufgestellt, damit der Witz zu seiner Pointe humpeln kann.
Fantastic Beasts and Where to Eat Them | kulturmutant
21. Dezember 2016 @ 10:47
[…] Siehe auch Sailes Meinung zum Film Ebenfalls empfehlenswert ist die Kritik von Kollege Dirk beim Buddelfisch. […]