Der König der Kannibalen oder ein ehrlicher ß-Film
Der König der Kannibalen (2015) von Master W
Wieder mal Zeit für ein Doppelreview! Diesmal in Zusammenarbeit mit Sonderland.org, wo sich auch der zweite Teil davon findet.
„Das Geheimnis der Zauberpilze“ war ja ein durchaus eigener Film, der schon aus dem deutschen Amateur-Schmodder-Einerlei hervorstach, aber das Prädikat „gut“ leider noch um ein Stück verfehlte.
Ein wirklich klassisches „Gut“ kann ich auch dem Nachfolger „König der Kannibalen“ nicht geben, aber innerhalb seines (ja soviel Leid schaffenden) Umfeldes sticht er heraus. Nicht, weil er einem „richtigen“ Film ähnlicher ist, sondern gerade, weil er es nicht ist und sein eigenes Ding macht.
Zuvor ein hausgroßer DISCLAIMER: Unser ja nicht durchgehend freundliches Review damals lohnten uns die Jungs von P.S.Y.C.H.O. Productions damit, uns das Drehbuch für ein Sequel vorzulegen. Wir nutzten die Chance, gingen ordentlich drüber, stiegen von Skript-Doktoren bald zu Koautoren auf… und hatten am Ende ein Monster mit Massenschlachten, gigantischen Effektszenen, einem gewaltigen Figurenensemble und Überlänge geschaffen.
Irgendwie zog sich Peter Jackson dann aber aus der Produktion zurück und der Film hat bis heute nicht das Licht der Welt gedreht.
Dennoch haben die P.S.Y.C.H.O.s damit natürlich bei uns gepunktet und auch der Umstand, dass die Figur des rassistischen Black Panthers Pfadfinder sowohl in „Zauberpilze 2“, als auch hier vorkommt, gibt dem Kannibalenkönig einen kleinen Sympathienvorsprung.
Aber zurück zur Sache!
Amateurfilme scheitern meist daran, dass sie zu den „richtigen“ Filmen schielen, aber nicht können, was diese machen. Daher ist es wohl auch kein Wunder, dass ihre besten Vertreter oft Parodien sind – also gerade diese Kluft verarbeiten.
„Der König der Kannibalen“ geht aber in die komplett entgegengesetzte Richtung: Er geht gezielt am Mainstream vorbei und hätte in ihm auch gar nichts zu suchen. Allein seine Story ist schon so tief mit anderen Kurzfilmen der Macher verflochten, dass sein erster Akt quasi unverständlich ist. Dass Master W wieder mehrere Rollen spielt und zwischendurch auch mal die Frisur wechselt, nimmt der Film ebenso unbekümmert hin, wie den Umstand, dass ein großer Teil der Kostüme aus P.S.Y.C.H.O. Productions-Shirts besteht. Andere Filme wollen Hollywood sein, sind aber zu sehr den Insidern und Szene-Kumpels verpflichtet, dieser Film spielt sich offen und ehrlich als Film für Insider ab. Wer Spaß hat, dem zuzusehen, kann sich freuen, wer es nicht tut, dem wird es nicht krumm genommen, da er ja eh nicht Zielgruppe war. Viele Filme behaupten derartiges („Ey, der ist halt nicht für so Spießer wie dich!“), dieser aber lebt es wirklich.
Er ist authentisch das, was er ist, statt etwas anderes sein zu wollen.
An einer Stelle diskutieren die Helden selbst ihr filmisches Schaffen als „ß-Filme“: Keine B-Filme, die nur kleiner sind, als „richtige“ Filme, sondern außerhalb der Skala; schließlich ist das ß ja nicht einmal ein „richtiger Scheißbuchstabe“.
Das mag, angesichts eines Wald-Splatterfilms hochgestochen klingen, aber damit ordnet man sich ehrlich und zutreffend als Individualkunst ein (und mit der Benennung hält man zudem Schweizer fern, was ja auch gut ist).
Eines der größten Probleme ist, dass der Film mit zwei Stunden zu lang für seinen Inhalt ist. Man könnte und sollte ihn wohl um eine gute halbe Stunde kürzen. Auch würde ich mir wünschen, die P.S.Y.C.H.O.s würden auf ihren Hang zu Trip-Szenen verzichten, denn die kosten Zeit und machen mit ihren simplen Mitteln eher wenig her. Ein paar bunte Farben und verzerrte Formen sind nicht allzu aufregend und nur sehr begrenzt unterhaltsam. Auch die Splatterszenen sind nicht allzu eindrucksvoll und stechen an sich nicht aus dem einher, was in Amateurkreisen sonst so passiert.
Er hat aber eine Sache den meisten von ihnen voraus: Er hat Figuren.
Klar, keine Konkurrenten für Hamlet, aber die beiden Helden, der Pfadfinder und vor allem der titelgebenden Kannibalenkönig haben durchaus Profil. Sie sind nicht nur die Körper, die das Messer führen bzw. aufnehmen, sondern unterhaltsame Charaktere. Der ehemalige Snuff-Filmer und zufällig zum Messias einer Kannibalenreligion gewordene Alan Jates ist einer der rundesten Antagonisten, die ich in einem solchen Film je gesehen habe.
Keiner wird behaupten wollen, dass hier Talente am Werk sind, die irgendein Genre umkrempeln werden oder auch nur wollen, aber es sind Leute mit einer eigenen künstlerischen Handschrift. Die ist mit ihrer Prollkultur, ihrem Fäkalhumor und Torture Porn-Elementen nicht mein Geschmack, aber… siehe oben. Das verlangt sie auch gar nicht von mir. Ich würde diesen Film an sich niemanden außerhalb der Szene empfehlen, aber ich kann ihn achten und das ist etwas, was man hier nur sehr, sehr selten sagen kann.
Aufgrund seiner trotzigen Individualität sagt „Der König der Kannibalen“ recht wenig darüber aus, ob seine Macher eine Story erzählen könnten, aber was den Film zusammenhält, ist zumindest etwas eigenes und wird mit einer durchaus sympathische Grundhaltung vorgebracht.
Neugierig? Nein? Nun, der Kollegen Lukas van Looping unternimmt drüben auf seiner Seite Sonderland.org einen weiteren Versuch, euer Interesse für dieses kuriose Werk zu erwecken!