„Star Wars – Episode 7: Das Erwachen der Macht“ oder Das Entschlafen des Interesses (UPDATE)
„Star Wars – Episode 7: Das Erwachen der Macht“ (2015) von J. J. Abrams
Machen wir es kurz und unaufgeregt: „Das Erwachen der Macht“ ist kein schlechter Film, aber hat mich vollkommen kalt gelassen.
Im Vorfeld gelang es mir schon nicht, irgendwie am Hype mitzumachen, der die Welt seit dem ersten Teaser erfasste. Auch, als sowohl Mitbuddelfische als auch meine Freundin davon begeistert waren, blieb mein Verlangen klein.
Insofern könnte man mich durchaus als voreingenommen bezeichnen. Als dann aber die berühmte John-Williams-Musik ertönte und der ebenso berühmte Anfangstext erschien, war ich als alter „Star Wars“-Fan gleich wieder gerührt.
Der Anfang, in dem der Storm Trooper Finn (erst nur durch einen blutigen Handabdruck an seinem Helm markiert) erkennt, dass er nicht für das neue und überarbeitete Imperium (Erste Ordnung, oder wie es jetzt heißt) töten will, einen Gefangenen befreit und desertiert ist ganz nett. Er zeigt uns das große, pathetische Star-Wars-Universum mal aus der Fussgängerperspektive.
Doch schon bald gibt der Film diese auf, zugunsten der Mary Sue Rey, die dann Han Solo erklären darf, wie man den Millennium Falcon fliegt und in ihrem ersten Lichtschwertkampf trainierte Superschurken von der Dunklen Seite der Macht besiegt.
Mary Sues können durchaus Spaß machen (Batman ist eine und mein eigener Broton auch), aber hier spart man mit so ziemlich jedem anderen Charakterzug, als dem, großartig zu sein.
Sie ist also Schrottsammlerin auf einem Wüstenplaneten und malt Striche an die Wand, weil sie auf jemanden wartet, den man uns erst in einem Sequel oder Ableger erklären wird. Optisch fehlt ihr auch jegliche Auffälligkeit, durch die man sie wieder erkennen würde.
So bla die Heldin, so bla der Schurke.
Darth Rotznase bemüht sich sogar in der Welt des Films, ein zweiter Vader sein und der Imperator wurde durch das Kind Voldemorts und Snookies ersetzt. Machen alle nicht viel her, der richtig unheimliche „Mächte der Finsternis UND Nazis“-Flair von früher fehlt.
Dazu leidet der Film an etwas, was ich Whedonisierung nennen möchte. Alles muss möglichst schnell ironisch gebrochen werden, Finn muss unpassend noch schnell fragen, ob Rey eigentlich einen Freund hat und schon hat der opernhafte Pathos der Originaltrilogie keine Chance.
Wie gesagt… es ist kein schlechter Film, wie es die würdelose Prequel-Trilogie waren. Er hat hübsche Visuals, schicke Monster, gute Gags und ein tolles Design (vom Score ganz zu schweigen). Wer ihn als ersten „Star Wars“ sieht, wird vermutlich begeistert sein und ich verstehe auch alte Fans, die ihn mögen.
Ich aber mag ihn nicht. Mag sein, dass die Prequels einfach die „Star Wars“-Begeisterung restlos in mir getilgt haben, mag sein, dass mir die dämliche Politisierung schon im Vorfeld die Lust genommen hat. Ich wollte den alten Zauber wiederfinden, fand ihn aber nicht. Ich hasse den Film nicht, aber er gab mir wenig. Es ist die „Hobbit“-Trilogie und nicht die „Herr der Ringe“-Trilogie.
Nennt mich ruhig Darth Grinch.
NACHTRAG:
Anscheinend – „Wie gesagt… es ist kein schlechter Film“ – kam in meinem kurzen Text zu „Star Wars – Episode VII“ nicht deutlich genug heraus, – „ich verstehe auch alte Fans, die ihn mögen.“ – dass ich ihn nicht verdammte, sondern nur von – „Ich hasse den Film nicht, aber er gab mir wenig.“ – meinen subjektiven Eindrücken sprach.
Eigentlich sollte man keine Diskussion an Fanboys (von was auch immer) verschwenden, aber die Kunst, nervende Dinge zu ignorieren, lag leider auch dieses Jahr nicht unter meinem Weihnachtsbaum.
Darum jetzt noch ein paar Ergänzungen.
Ja, es ist bisher der viertbeste „Star Wars“-Film. Er ist ein guter Film, nur nicht überragend. Darth Rotznase ist als Figur in sich stimmig (dass er wie Vader sein will, aber gegen ihn eine Jammergestalt ist, ist ja gerade das, was ihn ausmacht), bei meinen Problemen mit den Helden sollte ich aber ins Detail gehen:
Finn ist durchaus interessant. Er hat eine klare Geschichte, wir wissen über ihn, was wir wissen müssen und können seiner Lage folgen. Und dann wird diese interessante Figur von einem Pappkameraden wie Rey (sogar im wahrsten Sinne des Wortes) niedergeschlagen, damit wir fortan vor allem ihr zusehen können, wie sie charakterlos, aber übermenschlich perfekt ist.
Und das ist alles, was sie ist.
Wir kriegen nur einen seeehr vagen Eindruck von Backstory und keinerlei irgendwelcher Eigenheiten von ihr mit, außer eben, dass sie alles kann.
Luke Skywalker war auch eine Potenzfantasie, aber er musste dafür lernen. Nachdem wir ihn erst als einfachen Farmer kennengelernt hatten, bekam er ein persönliches Motiv (erst die Lust, das Universum zu sehen, dann den Mord an seiner Familie) und wurde fortan Schüler, der selbst die Zerstörung des Todessterns nur unter Obi Wans Anleitung und noch dazu im Team vollbrachte. Und wenn es um den Millenium Falcon ging, musste er sowieso auf die Rückbank und Han Solo das Steuer überlassen. Der wiederum konnte zwar toll schießen, hatte aber keinen Zugang zur Macht, so dass sie als Team funktionierten.
Davon findet man bei Rey nichts. Trotz der kurzen Bekanntschaft ist sie für Finn sofort der Mittelpunkt des Universums, weil… na ja, sie eben als der konzipiert ist. Wie Steven Seagal in seinen späten Filmen.
Sie macht eine Strichliste und wartet wohl auf ihre Eltern, aber näher beleuchtet wird ihr Innenleben nicht. Wie, davon sehen wir mehr in „Episode VIII“? Kann sein, aber das nützt mir jetzt nichts und J. J. Abrams ist definitiv jemand, dem ich keinen Vertrauensvorschuss gebe, was spätere Auflösungen angeht. – „Lost“ anybody?
Macht das den Film zu einer eiternden Wunde im Leib der Kunst? Disqualifiziert das jeden, der ihn irgendwas abgewinnen kann? Hölle, nein! „Star Wars“ war nie ein Charakterdrama und sollte es auch nie sein, wenn da jemand mit einer solchen, mir nichts sagenden Plumpheldenfigur glücklich ist, soll er es von mir aus gern sein. Nur mir eben gestatten, dass ich es anders sehe.
Ich weiß, „Star Wars“ spricht das Kind in uns an, aber wir sollten doch weiterhin gern versuchen, erwachsen zu sein, wenn wir anderen Meinungen begegnen, oder?
Anbei: Die von mir hoch verehrte Liana Kerzner sagte kürzlich, „Mary Sue“ sei in den 70ern ursprünglich ein Spottname für weibliche Elemente in der SF gewesen. Glaube ich ihr aufs Wort, aber die Bedeutung hat es heutzutage verloren. Heute bezieht es sich eben auf übersteigerte, eindimensionale Superfiguren. Manche sehen „Marty Stu“ als männliches Gegenstück, ich aber benutze Mary Sue aber geschlechtsneutral (wie mein Verweis auf Batman belegt).
Denn ja, natürlich wurde gleich die magische Karte „Rey stört dich nur, weil sie eine Frau ist!“ gezückt und sie damit – o Ironie! – nun tatsächlich auf ihr Geschlecht reduziert. Wenn es dem Fanboy nützt, beklagt er halt auch mal Sexismus und ich pawlow’scher Hund springe auf die ganze lästige Geschlechterdiskussion dann gleich mit einem Nachtrag an, der länger ist, als der Artikel selbst…
Wer übrigens einen noch viel längeren, aber wirklich famosen Verriss lesen will, lese Björn Wederhakes langen, und äußerst klugen Artikel. Er hat teils andere Punkte als ich, mochte auch Rey, aber entzückt gleichfalls mit lückenloser Argumentation, als auch amüsanter Schreibe, so dass ich die erhoffte Rückkehr seines Blogs bewerben möchte, ehe sie überhaupt richtig erfolgt ist.
Nessa
29. Dezember 2015 @ 17:24
Hm… Nur kurz zum Thema Rey:
Klar kann man sich fragen, warum sie so vieles so toll kann – man kann aber auch viele Gründe dafür sehen. Als Schrottsammlerin hat sie schon einmal die technischen und theoretischen Grundkenntnisse. Sie ist offensichtlich begeisterter Han Solo-Fan und hat sicher jede Information, die sie über ihn und den Falken aufsaugen konnte, verinnerlicht. Und auch verläuft ihr Erstflug nicht gerade problemlos, genau wie Finns Schießübungen…
Natürlich bleibt weiter die Frage, ob man diese Schwierigkeiten nicht weiter hätte hervorheben sollen um die Figur so glaubhafter zu machen.
Ich jedenfalls bin gespannt, was die nächsten Filme noch so bringen werden.
Dirk M. Jürgens
29. Dezember 2015 @ 17:34
Ich sage ja auch nicht, dass ihre Fähigkeiten ein Logikfehler wären, nur, dass ich die Figur uninteressant fand. Und eben überpowert – wa sie als Schrottsammlerin gelernt hat, schön und gut, aber dass dann auch noch die Macht dazu kommen muss und sie gleich mit dem Schurken mithalten kann, war mir alles etwas viel.
Gregor
16. Januar 2016 @ 9:45
Gestern Abend hab ich den Film noch einmal gesehen. Schon beim ersten Mal war ich nur halb begeistert, jetzt beim zweiten traten die Schwächen dann doch recht deutlich zutage.
Grade als Han-Solo-Fan ist Rey recht offensichtlich ein Self Insert für den Regisseur (bzw. den Zuschauer), der seiner Begeisterung Ausdruck verleiht, mit dem ganzen Star-Wars-Zeug spielen zu dürfen. Und kaum ist sie dem grossen Helden begegnet, zeigt der sich auch schon beeindruckt davon, wieviel sie kann. Das ist schlicht peinlich.
Richtig schlimm wird’s von dem Moment an, als sie von Skywalkers Lichtschwert gerufen wird. Da ist sie plötzlich die Erwählte — und ein paar Stunden nachdem sie überhaupt erst erfahren hat, dass sie ein Talent für die Macht hat, ist sie auch schon viel stärker und besser als Kylo Ren.
Tja. Und dann wären noch die penetrante Rezyklierung bekannter Elemente (ich sag’s geradeaus: BB-8 ist eine lahme Kopie von R2-D2) oder die mangelhafte Erklärung der Kräfteverhältnisse (was genau haben Republik und Widerstand miteinander zu schaffen?). Oder General Hux‘ Hitlerrede — denn dass die Imperialisten Weltraumnazis sind, war in der alten Trilogie viel zu subtil angedeutet.
Das einzig wirklich Spannende am Film fand ich Finn. Aber gerade die reizvolle Idee, eine Star-Wars-Geschichte aus der Sicht eines Sturmtrupplers zu erzählen, wird nach einer Viertelstunde fallen gelassen. Bäh.
Ich hoffe sehr, dass sich die Filmemacher beim nächsten Teil ein wenig von der Nostalgiebesoffenheit erholen — und dass die Fans nach der ersten Begeisterung merken, dass plumpes Pandering keinen guten Film ausmacht.
Sebastian
16. Januar 2016 @ 12:41
Ich habe den Film zwei Mal gesehen und war beide Male zufrieden und begeistert. Die Diskussion über den Film wird ja andernorts leidenschaftlich geführt, deshalb fühle ich mich sehr umotiviert etwas dazu zu schreiben, ausser, dass ich den Film eben mag und das als Star Wars Fan der alten Schule. Für mich persönlich ist es daher einfach eine tolle Sache, dass es für mich funktioniert!