„Au Pair“ oder Wie ich beschloss, die Menschheit zu unterjochen
„Au Pair“ (2013) von Marc Schießer
Die Trompeter in ihren lila-goldenen Uniformen spielen auf, als seine Hoheit Kaiser Demiurg Leviathan I. die Loge betritt und die klingenbesetzte Roboterhand ebenso grüßend wie drohend in Richtung des Volkes hebt. Gespannte Stille legt sich über den großen Platz der Welthauptstadt Awesomnia, als seine Hoheit zu sprechen beginnt:
Völker der Erde! Liebe Untertanen! Elendes Gewürm unter meinem Stiefel!
Heute, zum hundertsten Jahrestag des Endes der Demokratie möchte ich euch allen erzählen, wie ich zu dem Entschluss kam, diese, eigentlich doch ganz sympathische Regierungsform zu zerstören.
Es begann damit, dass ich auf Tele5 eine „Shocking Shorts“-Nacht mit Kurzfilmen sah. Ich mag Kurzfilme und mochte sie auch damals schon, doch war es vor dem Kaiserlichen Filmerlass schwer, gute zu finden.
Der Kurzfilm, der den Zorn säte
An diesem Abend im Jahr 2015 begab es sich dann, dass ich „Au Pair“ sah. Er handelte von einem französisches Au Pair-Mädel, welches bei einer SUPERDUPERBÖSEN chinesischen Restaurantbesitzerin einzieht, die im Schlaf Fotos von ihr macht und ein SUPERBESONDERES Festmahl für erlesene Gäste plant… und damit ist dann die angebliche Pointe auch schon antelegrafiert.
Brutalst überambitioniert, fährt die Kamera herum, wenn sie es nicht sollte und die Tontechnik ist eine Katastrophe, da das Wetter meist alle Dialoge übertönt. Einzige Hoffnung dabei ist, dass wieder mit Mehrsprachigkeit geprahlt wird, damit es Untertitel gibt.
Ein besonderer Tiefpunkt ist aber die Chinesin, welche vielleicht die schlechteste schauspielerische Leistung aller Zeiten liefert. Nicht, dass man die beschissen geschriebene, undurchdachte Mistrolle hätte wirklich gut machen können, aber ihr augenrollendes Overacting erreicht dennoch Fremdschamrekorde.
Ich sah wirklich selten etwas, das so missratener Mist ist, wie dieser traurige Versuch, ganz doll böse, abgründig und zynisch zu sein, wobei der einzig enthüllte Abgrund aber der ist, auf dessen Grund das Niveaus Schießers Können ruht.
Das Review, das den Zorn düngte
Nun waren hundsmiserable Filme damals nichts besonderes. Ich habe mehr als genug Mist ertragen, Til Schweiger, dessen Kopf heute über dem Tor der Kaiserlichen Filmakademie aufgespießt ist, war der wohl erfolgreichste Regisseur Deutschlands. Wieso war dann dieser kleine, harmlose Kurzfilm Anlass für mich, die Menschheit zu unterjochen?
Den Anstoß gab eigentlich nicht der Film selbst, sondern dieses Online-Review.
Ich verstehe und akzeptiere grundsätzlich, dass man andere Ansichten haben kann, als ich. – Also… beziehungsweise damals haben konnte, bevor der Kaiserliche Meinungserlass erlassen wurde. Wenn etwa jemand sagt, er habe die Atmosphäre von „Sin Reaper“ gemocht, oder die Folterszenen in „Ein Job wie jeder andere“ als schockierend empfunden, kann ich da kaum widersprechen. Das ist subjektiv, das empfindet jeder anders. Aber einen so überraschugsarmen Holzhammerfilm als „subtil“ zu bezeichnen ist schlicht FALSCH.
Ich denke gerade mit besonderem Grimm an den Schluss, bei dem die böse Chinesin mit Kasperletheatergrimmasse des Bösen höchstpersönlich die Essensreste ins Klo schüttet und dabei die Marseillaise ertönt, weil das Opfer Französin war und man ja SO KRASS ZYNISCH ist. Das kann man derbe-cool empfinden (wenn man etwa dem Irrglauben unterliegt, Rob Zombies „Halloween“-Remake sei besser als das Original), aber nicht als subtil. Nur, weil wir die Schlachtung selbst nicht sehen, ist das nicht gleich subtil! Was mit den Staatsfeinden geschieht, die in meinen Gruben des Schreckens verschwinden, sieht auch keiner und das macht mich nicht zu einem milden Herrscher!
Nebenbei lobt der Rezensent auch die Farbgebung des Films, und da muss ich ihm einmal zustimmen, die ist tatsächlich hübsch. Auch nicht so toll, dass es der Welt meine Gnade verdient hätte, aber hübsch.
Einen Doppelfehler macht dann der Verfasser noch, wenn er behauptet, die „Charaktere glänzen dann durch eine gute Zeichnung und vor allem durch ihre Darsteller.“ Denn charakterisiert ist da nichts. Die Chinesin ist ununterbrochen und sinnfrei superböse (nebenbei: warum hasst sie die Heldin so, die ihr nichts getan hat und die sie ja eh in eine Todesfalle gelockt hat?), die Hauptfigur bleibt völlig eigenschaftslos.
Entsprechend kann man die schauspielerische Leistung letzterer auch nicht beurteilen, erstere FAILT jedoch so schlimm, wie selten eine Schauspielerin geFAILT hat.
Die Begeisterung des Verfassers für gerade sie deute ich hier dreist und absolut verleumderisch jetzt mal als Zeichen, dass er, wenn sein Kannibalismusfetisch gekitzelt wird, sich um den Rest nicht mehr kümmert.
Hey! Ich kenne ähnliche Voreingenommenheit, wenn es um kurzhaarige Frauen geht. Nur ich weiß halt, dass meine Vorlieben nicht die objektive letzte Wahrheit sind. Beziehungsweise, erst seit dem Kaiserlichen Frisurenerlass.
Man könnte einwerfen, dass das überzogene Spiel der Schurkin so beabsichtigt war und in seiner Schrägheit Spaß machen sollte. Kann sein. Mir geht es nicht darum, ob die Schuld bei der Darstellerin oder der Schauspielführung liegt. Doch selbst, wenn es so sein sollte, schadet die Rolle, wie sie konzipiert ist dem Film insgesamt: Vom ersten Tag an schikaniert sie ihr Opfer wo es geht und verfolgt es mit sinnlosem Hass. Das ist einmal plump, weil es wie gesagt keinen erkennbaren Grund dafür gibt, zudem aber dämlich. Sie braucht das Mädel, entsprechend sollte sie es in Sicherheit wiegen, statt es möglichst früh, möglichst drastisch abzuschrecken, so dass es vielleicht vorzeitig abhaut.
Nebenbei bemerkt… wenn man seine Opfer immer offiziell als Au Pairs engagiert, KÖNNTE es sein, dass man irgendwie nach der dritten Verschwundenen eine Spur hinterlässt, denke ich mir so… Meine Geheimpolizei zumindest ist gehalten, ihre Spuren besser zu verwischen.
Es gab jedoch eine weitere Formulierung, die meinen heiligen Zorn beschwor und mich die Sache so besonders schwer nehmen ließ: Vermeintlich „dauert es jedoch nicht lange, bis Joline das dunkle Geheimnis des ‚Blue Dragon‘ herausfindet“. Denn doch, das tut es. Der filmerfahrene Zuschauer weiß recht früh, was Sache ist, die Heldin aber findet nichts heraus.
Die Schurken enthüllen es ihr schließlich selbst, indem sie sie die Speisekarten austeilen lassen, die ihr eigenes Fleisch anpreisen. Das ist nicht, was ich als „herausfinden“ bezeichnen würde. Da hat man einfach eine Formulierung nachgeplappert, wie man sie schon woanders gelesen hatte – wo sie vielleicht passte. Was sie hier aber nicht tat.
Das größere Problem
Das ist ein Fehler, den man bei Kritiken im Internet (ja, ich weiß, solche habe ich auch geschrieben, ehe ich die Medien unter meinem Wort gleichgeschaltet habe) immer wieder findet: Wenn ihren Verfassern etwas gefällt, können sie es nicht wirklich begründen, sondern greifen einfach auf Phrasen zurück, die sie in der Besprechung anderer Filme mal gehört haben.
Da ist dann ein straighter Thriller mit simpler Prämisse „komplex“, da sind dann Figuren, die bloße Handlungsträger sein sollen „faszinierende Charaktere“.
Dabei gibt es unterschiedliche Qualitäten, die zu unterscheiden zum Kritikerhandwerk dazu gehört: „Speed“ etwa ist ein toller Thriller, aber nicht komplex. „Die zwölf Geschworenen“ beeindruckt nicht mit Spezialeffekten. „Die Ritter der Kokosnuss“ rührt nicht zu Tränen. Nicht jedes Lob passt zu jedem Film.
Genau so etwas unterscheiden zu können ist der Grund, warum Rezensionen Sinn machen, obwohl der Geschmack eines jeden Menschen unterschiedlich ist. Das verstehen aber so viele Online-Rezensenten nicht.
Sie wollen professionell wirken, indem sie so ähnlich klingen wollen wie etwas, was sie bei Professionellen gehört haben. Völlig egal, ob es passt. Es werden Bausteine zusammengesetzt, auf Inhalte geachtet wird nicht und gedacht sowieso nicht.
Etwas wird in den leeren Kopf aufgenommen und unverdaut weitergekotzt. Ist nicht nur bei Filmen so. Durch genau den Mechanismus wissen die Leute auch, dass „die faulen Pleitegriechen“ uns ausnehmen und die Ausländer alle kriminell sind.
Das hatte ich oft genug bemerkt, aber nie so deutlich, wie hier. Da wurde mir klar, dass Demokratie nicht funktioniert und ich die Menschheit als absolutistischer Herrscher mit einer Armee unbesiegbarer Robokrieger auf den richtigen Pfad bringen musste.
Und darum, meine Untertanen, feiern wir heute!
Aber genug geredet – ruft die Roboraptoren in die Arena, auf dass die Spiele beginnen mögen!
Udo
21. Juli 2015 @ 23:03
„Nebenbei lobt der Rezensent auch die Farbgebung des Films genannt“
An dem Halbsatz stimmt was nicht. 😉
Dirk M. Jürgens
22. Juli 2015 @ 10:57
Äh… stimmt! Was umso rätselhafter ist, da ich schwören könnte, diesen Fehler selbst bemerkt und beseitigt zu haben. – Was aber offenkundig bis eben nicht getan hatte.
Danke für den Hinweis!