„Ein Job wie jeder andere“ (Hörspiel)
„Ein Job wie jeder andere“
Hörspiel von Lars Dreyer-Winkelmann & Udo Seelhofer
DISCLAIMER: Einer der Autoren dieses Hörspiels ist ein alter Bekannter des Buddelfischs und ließ diesem das Werk als Rezensionsexemplar zukommen. Er ist kein solches Monster wie das, das hinter „Sin Reaper“ steht, aber wir pflegen auch seinen Namen selten ohne geballte Faust zu sprechen.
Das Kaminfeuer flackert und illuminiert die zahlreichen Köpfe nun ausgestorbener Tiere und Memorabilia aus dem persönlichen Besitz beliebter Diktatoren. Sebastian und Dirk haben sich in ihren großen Ohrensesseln niedergelassen, die Monokel eingesetzt und vom guten Roten genommen, als sie auf ein unerfreuliches Thema zu sprechen kommen:
DIRK:
Ich fasse noch einmal die Handlung des 55minütigen Hörspiels zusammen… ein Mann, der so wütend ist, dass er wie ein Wildschwein klingt, engagiert eine Profikillerin, den Mörder seiner Tochter zu einem Geständnis zu foltern und dann umzubringen. Und genau das passiert dann auch so. Habe ich etwas übersehen?
SEBASTIAN:
Nein, ich denke nicht. Am Ende tut man so, als hätte man einen Twist, aber dem ist nicht so.
DIRK:
Ich zitiere mal das Pressematerial… „Trotz perfekter Vorbereitung läuft alles anders als ursprünglich geplant. Definitiv kein Job wie jeder andere. Wie weit kann ein Mensch gehen?“
SEBASTIAN:
Das hat auffällig wenig mit dem zu tun, was wir gerade gehört haben.
DIRK:
In der Tat! Die Vorbereitung der Killerin ist ein Witz. Als sie sieht, dass ihre Zielperson Besuch hat, verschiebt sie den Auftrag nicht etwa auf einen anderen Tag, sondern plagt sich nun mit zwei Opfern herum. Wobei daraus keine wirklichen Probleme erwachsen. Überhaupt läuft die Story erstaunlich frei von Konflikten oder Wendungen ab. Sie will ein Geständnis, er will nicht gestehen, also beschreibt sie uns das nächste Folterwerkzeug und dann gibt es etwas Geräusche und Geschrei.
SEBASTIAN:
Und das beides recht unabhängig voneinander. Es scheint – sowohl bei Foltererin, als auch Gefoltertem – nicht einmal die Atmung zu beeinflussen, wenn jemanden etwa ein Bein gebrochen wird. Auch lässt man sich erstaunlich gesittet ausreden, so als wären die Sprecher gar nicht zeitgleich im Studio gewesen. – Was ich keineswegs unterstellen will, aber jede Wette eingehe.
DIRK:
Inhaltlich plätschert es also nur so vor sich hin… Ganz anders aber als die Figurenzeichnung.
SEBASTIAN:
Stimmt! Die Motivation und Charakterisierung schwankt, wie ein Hochseematrose auf Landgang auf der Reeperbahn. Da bekommt die Killerin fast einen Orgasmus, während sie ihr nächstes Folterwerkzeug beschreibt, behauptet dann aber im nächsten Satz, hier rein professionell und emotionslos vorzugehen.
DIRK:
Ich fürchte zuweilen fast, das ist Absicht. Dass der Autor glaubt, damit eine widersprüchliche Persönlichkeit geschaffen zu haben, die sich ihren eigenen Sadismus nicht eingestehen will.
SEBASTIAN:
Das wäre dann aber wirklich furchtbar misslungen.
DIRK:
Und damit passt es inwiefern nicht zum Rest des Hörspiels?
Man lacht eine Weile, ohne dabei aber die vornehme Zurückhaltung zu verlieren.
SEBASTIAN:
Dafür dass wir so wenig über die Figuren erfahren, ist die Quote, in welcher die Autoren bei der Charakterzeichnung scheitern schon enorm. So wissen wir vom Opfer, dass es reich ist und einen Fitnessraum hat, was als „typisch Yuppieschwein“ beurteilt wird und uns wohl gegen ihn einnehmen soll.
DIRK:
Was die Typen wohl zum Buddelfisch-Gefahrenraum sagen würden?
SEBASTIAN:
Vermutlich das gleiche wie alle Besucher: „Lasst uns raus! Wir verraten auch niemanden etwas!“
Wieder lacht man und schwelgt kurz in der Erinnerung.
SEBASTIAN:
Furchtbar übrigens auch die beiden sinnlosen Flashbacks zur Mordnacht, in welcher sich Täter und Opfer in steifbeinigstem TKKG-Sprech unterhalten.
DIRK:
Oder der sehr sachliche Schmerzensschrei des Gefolterten, der da lautet „Ah, mein Nippel!“.
SEBASTIAN:
Wo wir bei unzeitgemäßem Zeug sind… ich habe ja auch die, mit Siegelringen behängte Hand vor das Gesicht geschlagen, als die Killerin zur Folter etwas fröhliche Musik auflegte. Sind wir hier in den 90ern? In „Reservoir Dogs“ mag es noch schockiert haben, inzwischen ist es aber doch recht ausgelutscht.
DIRK:
Nein, nein – das sollte EDGY sein, verstehst du? Wie die absolut überflüssige Passage, in der wir der Vergewaltigung zuhören dürfen. Oder überhaupt das Folterzeug. Nebenbei: Auf das schmandige Cover kommen wir besser gar nicht erst zu sprechen.
SEBASTIAN:
Nein, lieber nicht. Sonst müssten wir anmerken, was wir über den Künstler denken, der ein Hörspiel über die Folterung eines Mannes mit sleazigen Darstellungen halbnackter Frauen zukleistert.
Kommen wir stattdessen lieber auf die technischen Mängel zu sprechen!
So sind Soundeffekte und Sprecher meist erstaunlich getrennt voneinander. Der Anfangsdialog zwischen Killerin und Wildschweinmann, von dem wir gar nicht wissen, wo er stattfindet, hat keinerlei Raumklang, dafür bekommen wir später eine lange, ereignislose Autofahrt in voller Länge vorgesetzt. Nebenbei sind die Foltergeräusche auch nicht gerade schockierend. Klingen eher nach geknackten Nüssen und zerrissenem Stoff.
DIRK:
Technik und Schreibtechnik wetteifern halt darum, wer schlechter ist und ich vermag keinen Sieger auszumachen.
Ich denke mit Grauen daran, wie wir nach einer langen Reihe von Schnaufgeräuschen, die einen Kampf darstellen sollen, deren Verlauf wir nicht verfolgen können, auf einmal selbsterklärende Details, wie, dass das Foto des Opfers das Opfer zeigt von der Erzählerin erläutert bekommen.
Oder die hirnrissige Passage, in welcher das künftige Vergewaltigungsopfer wohl darum kämpft, im Wagen ihres Angreifers drinnen zu bleiben, statt zu fliehen.
SEBASTIAN:
Kommen wir also zur zentralen Frage: Was wollte dieses Hörspiel von uns?
DIRK:
Keine Ahnung. Es lässt sich keine Idee, keine Überraschung und kein interessanter Konflikt ausmachen, die Frage, wie weit ein Mensch gehen kann, stellt nur das Pressematerial, nicht das Hörspiel selbst. Spannung kommt nicht auf und selbst als Torture Porn versagt es, da es zwar durchgängig schmierig ist, seine Schmierigkeit aber nicht wirklich fühlbar macht. Sowohl die Vergewaltigung, als auch die Folter werden behauptet, aber nicht wirklich nahe gebracht. Ich schätze mal, man glaubte, hier mit unheimlichen Andeutungen zu arbeiten, welche die Fantasie des Hörers den Rest machen lassen.
SEBASTIAN:
Vermutlich – aber dazu ist es einfach zu plump und zu gewollt. Ein pubertäres Nichts, wie es jugendliche Tarantino-Fans vor zwanzig Jahren produziert haben könnten. Damals hätte man Nachsicht damit haben können, heute ist es aber nur noch peinlich und ohne jeden Unterhaltungswert.
DIRK:
So ist es… Gut, dass wir ja den Rest des Abend schon verplant haben!
SEBASTIAN:
Ja, ich denke, wir haben ihnen nun auch genug Vorsprung gelassen.
Die Buddelfische denken voller Ekel an die Leute, die „Ein Job wie jeder andere“ trotz ihrer Warnung hören wollen und hier bestellen können. Dann stellen sie ihre Gläser und legen ihre Monokel ab, nehmen Armbrust und Jagdgewehr von der Wand und verlassen den Salon. Das Kaminfeuer verglimmt langsam.
Dave
17. Juli 2015 @ 18:30
Och schade. Ein guter Kumpel meinerseits hat das Hörspiel gemacht. Und ich habe mich sehr dauf gefreut. Nun bin ich unmotiviert, es zu hören. Egal – ich gebe der CD trotzdem die Chance mich zu unterhalten.
Udo
20. August 2015 @ 23:11
Gibt auch andere Rezensionen: http://www.zauberspiegel-online.de/index.php/krimi-und-thriller-unter-der-lupe-341/26296-ein-job-wie-jeder-andere