Kurzkritik – G. Willow Wilson & Adrian Alphona: „Ms. Marvel“
„Ms. Marvel“ #1-5 „Meta-Morphose“
von G. Willow Wilson (Autorin), Adrian Alphona (Zeichner) & Ian Herring (Farbe)
Deutsche Ausgabe, Panini, 2015.
Von der neuen, muslimischen Ms. Marvel hat man sicher schon aus irgendeiner bizarren Debatte gehört, aber nun gab mir der erste Panini-Sammelband (der die US-Hefte #1-5 enthält) Gelegenheit, sie mir einmal selbst anzusehen.
Durch diverse Empfehlungen gehypt, war ich anfangs enttäuscht: Das erste Heft/Kapitel stellt uns unsere künftige Superheldin Kamala Khan erst einmal privat vor und ist eine einzige Aneinanderreihung von Szenen, die ihren muslimischen Hintergrund problematisieren:
Mit nur kurzer Unterbrechung um ihre Begeisterung für die Avengers zu erwähnen, bekommen wir vorgeführt wie sie erst vom Geruch verbotenen Schweinefleischs entzückt wird, sofort darauf wird ihre Freundin für ihr Kopftuch gelobt, dann jedoch auf Ehrenmorde angesprochen. Vor dem Essen geraten ihr Vater und Bruder aneinander, weil letzterer so extrem religiös ist und bald darauf macht sich jemand den Scherz, ihr Alkohol zu reichen.
Wäre das alles eine Montage gewesen, in der sie uns als Ich-Erzählerin ihr Leben schildert, wäre das vielleicht nicht elegant, aber hinnehmbar gewesen. So aber ist es plumpes Erzählen mit dem Holzhammer.
Etwas irritierte mich zudem, dass Adrian Alphona die Angewohnheit hat, die Figuren immer in eher wenig fotogenen Momenten abzubilden. Statt die Bilder auf Eleganz durchzukomponieren zeigt er selbst seine Hauptfiguren, wie sie beim Sprechen gerade den Mund seltsam geöffnet haben, oder die Augen halb geschlossen. Das ist sicher gewollt, aber doch gewöhnungsbedürftig.
Die Wende erfolgt aber schon im zweiten Heft/Kapitel, wenn Kamala durch irgendeinen, aus einer anderen Story herüberwehenden Nebel zur neuen Ms. Marvel wird. Denn nun erzählt Wilson eine dieser Geschichten über den Konflikt zwischen Superheldentum und Alltag, wie sie Marvel groß gemacht haben. Und darin ist sie gut und arbeitet wunderbar kleinteilig: So kämpft Kamala überdurchschnittlich lange mit der Kostümfrage. Das ihrer Vorgängerin ist ihr zu enthüllend und unbequem, ihr umgearbeiteter Burkini nicht dehnbar genug. Denn ihre Superkraft besteht daraus, dass sie sich ganz oder teilweise vergrößern und verkleinern kann. Das heißt auch, dass sie sich je nach Aufgabe zurechtformen muss: Wenn sie Kraft braucht, braucht sie größere Hände. Wenn es schnell gehen muss, längere Beine. Denn an sich ist sie weder sonderlich stark, noch superschnell, flugfähig oder unverwundbar. Sie muss sich also schon anstrengen, gerade immer die Kraft auszubilden, die sie gerade braucht.
Das ist schlau durchdacht und bietet einige kuriose Deformationen, in denen sich dann auch gerade der erwähnt unglamouröse Stil auszahlt. Da wirkt es auch nicht mehr sonderlich albern, dass ihr erster Supergegner ein, sich am Ende des Bandes ankündigender Vogelmensch sein wird. Würde mich freuen, Kamala bald auch im Marvel-Filmuniversum zu sehen, welches ihren frischen Wind wunderbar gebrauchen könnte.
Ich kann mich also den Empfehlungen anschließen, warne aber ausdrücklich vor dem ungeschlachten PSA, welches den Anfang bildet. Danach wird es bald besser!
Wer mir allein nicht glaubt, soll natürlich verdammt sein, aber nehme zur Kenntnis, dass Buddelfisch-Kollegin Vanessa mir am Gratis Comic Tag 2015 bestätigte, es ähnlich zu sehen – außerdem fertigte sie dort dieses steile Stück Fanart an: