„Beetlejuice“ und ich
„Beetlejuice“ (1988) von Tim Burton
Der Autor wischt sich den Schweiß von der Stirn. Obwohl er bereits Hemd und Krawatte abgelegt hat und die Sonne längst untergegangen ist, ist die Hitze in seinem billigen Apartment in übler Gegend noch immer erdrückend.
Er trinkt den letzten Schluck aus der Flasche, doch auch der hochprozentige Whiskey bringt ihm keine Ruhe mehr. Immer wieder wandert sein Blick zu der alten Armeepistole, die er aus Korea mitgebracht hat…
Doch es gibt zu tun! Der Autor reibt sich die entzündeten Augen und setzt sich an seine alte Olympia-Schreibmaschine.
Es wurde schon der Verdacht geäußert, ich würde es mir hier beim Buddelfisch zum Ziel setzen, Dinge zu verreissen, die andere Leute lieben, weil ich sie ihnen gern madig mache, auf Krawall gebürstet und selbst ein herzlos böser Mensch bin.
Das werde ich hier an sich weder bestätigen noch dementieren, doch heute komme ich mal auf einen Film zu sprechen, der mir am Herzen liegt: Tim Burtons „Beetlejuice“.
Als ich kürzlich die Blue-ray erstand, hatte ich ihn schon recht lange nicht mehr gesehen und plante eigentlich, ihn nun mit medienkritisch-analytischen Blick neu zu beurteilen, doch ich scheiterte vollständig. Es ist mir nicht möglich, diesen Film objektiv oder gar kritisch zu betrachten. Sobald ich auch nur Teile davon sehe oder Danny Elfmanns Musik höre, bin ich nostalgisch überwältigt. Entsprechend werde ich hier nun nur eure und meine Zeit verschwenden, indem ich von meiner Beziehung mit dem Film erzähle, statt wirklich über ihn.
Pro forma hier kurz die Story: Das spießige Ehepaar Maitland (Geena Davis und Alec Baldwin, der zu der Zeit noch nette Figuren spielen konnte) stirbt bei einem Unfall und muss von nun an in seinem Haus spuken. Dieses wird von einer überdrehten Yuppie-Familie Deetz bezogen, so dass die Maitlands den schmierigen Geist Betelgeuse (ja, so schreibt man den – gespielt von Michael Keaton) kontaktieren, um sie zu vertreiben. Zwischendurch freunden sie sich aber mit der Tochter Lydia (Winona Ryder) an und bekommt Zweifel, ob man hier nicht vielleicht den Teufel mit dem Beelzebub austreibt.
„Beetlejuice“ als Einstieg ins Horrorgenre
Ich weiß nicht mehr genau, wie alt ich war, als ich den Film zum ersten Mal sah, aber ich dürfte definitiv nicht alt genug gewesen sein, um ihn mit Segen der FSK zu sehen. An jenem Abend hatten meine Eltern Besuch und ich hatte mich ins Schlafzimmer zurückgezogen, wo ein schon damals alter, noch mit Holz verkleideter Röhrenfernseher stand. Der mir zugestandene Filmkonsum war generell recht restriktiv, so dass mir das Grusel-/Horrorgenre, welches ich in literarischer Form schon lange liebte, zumeist vorenthalten blieb. Ich fürchte, viele Klassiker kann man nur wirklich genießen, wenn man sie früher sieht, als pädagogisch geraten – ein Vergnügen, was ich nur selten hatte.
In diesem Fall jedoch schon, also hockte ich mich auf das Bett und harrte gespannt der Dinge, die da kommen würden!
Schon das Titellogo und die Musik machten mich aufgeregt, die Kamerafahrt über das Dorf, welches sich als Modell entpuppt, wenn eine Spinne darüber klettert, war ein Einstieg, der mir sagte, nun werde ich einen Film sehen, in dem alles möglich ist.
Ich hatte damals keine Ahnung von Altersfreigaben, von Eingriffen durch die Studios, von den Möglichkeiten der Tricktechnik – ich wusste von keiner irgendwie gearteten Einschränkung dessen, was nun kommen würde.
Und ich will sagen, ich wurde nicht enttäuscht. Die bizarren Monster, die grotesk zugerichteten Toten und das Jenseits mit seinen seltsamen Winkeln beeindruckten mich ungeheuer und die Szene, in der Geena Davis sich ihr Gesicht abreißt, war das Furchtbarste, was ich zu diesem Zeitpunkt je gesehen hatte. Aber es war kein verstörender Schrecken, durch den ich mich unwohl fühlte, es war angenehmer Grusel – genau das, was ich haben wollte!
Bei der erneuten Sichtung fiel mir zwar auf, dass der Anteil „normaler“ Szenen wesentlich größer war, als ich es in Erinnerung hatte, aber damals war ich einfach nur überwältigt von der Vielzahl seltsamer Designs und Masken. Und von Winona Ryder, deren Gothic-Stil ich damals natürlich noch nicht als solchen erkannte (das Wort gab es bei uns in der Provinz noch gar nicht), mich aber sofort begeisterte.
Frühkindlich geprägt durch Tim Burton?
Und hier kommen wir an eine Stelle, an der Ursache und Wirkung nicht mehr gut zuzuordnen sind: Heute scheint „Beetlejuice“ zu großen Teilen für mich recht maßgenschneidert zu sein. Ich liebe schwarzen Humor, ich liebe surreale Designs, ich liebe Monster und ich liebe Gothgirls. Doch ob der Film nun unbewusst alle meine Geschmacksknöpfe getroffen, oder mich so beeindruckt hat, dass sich mein Geschmack nach ihm ausgerichtet hat, lässt sich nicht sagen.
Monster liebte ich auch schon vorher, aber Winona Ryders Figur Lydia war die erste weibliche Filmfigur, die meinen, zu diesem vorpubertären Zeitpunkt ja noch gar nicht existenten Frauengeschmack stimulierte.
Unsere eigentlichen Protagonisten interessierten mich, weil sie Geister waren und ihre Lage entsprechend interessant. Der von Michael Keaton gespielte Betelgeuse interessierte mich, weil er bizarr war (wenn mir seine Vulgarität und Lüsternheit damals auch eher unheimlich denn belustigend vorkam), aber Lydia wollte ich einfach nur auf dem Bildschirm sehen, ohne dass mir allzu wichtig war, was genau sie tat.
Wenn sie großes Depri-Drama spielte, faszinierte es mich, wenn sie dem Übernatürlichen ohne Angst begegnete, bewunderte ich sie, als sie sich später (recht fragwürdig motiviert) umbringen wollte, schockierte es mich. Ihr finsterers, rotes Hochzeitskleid am Ende war dann noch ein ganz eigenes Kapitel für sich und sollte ich jemals heiraten, verbirgt sich in diesem Text ein Tipp für meine Braut.
Zu meiner Verteidigung sei übrigens angemerkt, dass mir schon damals auffiel, dass die beiden viel zu langen Einsprengsel von Popmusik fuchtbare Tiefpunkte des Films sind und mich schon damals mit Fremdscham erfüllten. Auch das Ende missfiel mir doch etwas. So schön es war, dass es ein Mega-Happy-End für die Guten gab, bedauerte ich etwas, dass Lydia darin so mainstream wurde. Wie Tolkiens Mittelerder schließlich ohne Monster und Elben nun einmal auch ein ärmerer Ort ist, hatte eine lebenslustige Lydia nicht mehr die Besonderheit, die mich so an ihr ansprach.
Melancholie trotz Comedy
Diesen Makel konnte ich aber schon damals verdrängen, denn ich verspürte etwas, was ich bis heute nur sehr, sehr selten erlebt habe: Ich wünschte mir, der Film würde nie enden. Ich würde am allerliebsten bis in alle Ewigkeit in diesem dunklen Schlafzimmer hocken und diese grelle, bunte Kuriositätenschau mit all ihren Geistern, Fratzen, Gags und Verwandlungen beobachten.
Das ging aber natürlich leider nicht, der Ausflug in diese Welt dauerte nur 92 Minuten, eine Möglichkeit, ihn auch nur zu wiederholen hatte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht. Da die BR drei Folgen des Cartoons enthält, kann ich mir zumindest einen Ersatz zuführen. Dass Lydia dort mit dem lüsternen Schurken Beetlejuice (nun auch in dieser Schreibweise) zusammen ist, irritiert mich aber doch.
Winona Ryder war damals 17. Heute ist sie 43 und nur noch viel zu selten auf der Leinwand zu sehen. Ich bin 33 und, anders, als ich damals zumindest unbewusst vermutete, nicht mit ihr verheiratet. Darum stimmt mich diese bunte, schräge Komödie immer etwas melancholisch.
Ist „Beetlejuice“ also tatsächlich der großartigste Film aller Zeiten, wie ich an jenem Abend überzeugt war? Vermutlich nicht, doch ich verweigere dazu die Aussage und gehe davon aus, dass er es wohl doch sein wird. Wer das anders sieht, halte gefälligst sein dreckiges Maul dazu, krepiere, komme als Geist wieder und lasse sich anschließend exorzieren!
Der Autor hackt das abschließende Ausrufungszeichen in seinen Text und sieht kurz auf sein Werk. Soll er es wirklich veröffentlichen? Was geht die Welt an, welcher Film seine Pubertät gekickstartet hat? Und wen interessiert es?
Wenn er eine Nacht drüber geschlafen hat, wird er sich vielleicht schämen für das, was er soeben in einer Gefühlsaufwallung verfasst hat.
Falls er denn schlafen kann. Die Hitze ist noch immer unerträglich und von draußen dröhnt wieder einmal das Heulen von Polizeisirenen, vermutlich auf dem Weg zu einer Bandenschießerei.
Die Erinnerungen an die Kindheit vermischen sich mit denen aus Korea, als sein Blick wieder die Pistole auf dem Tisch streift.
Ächzend erhebt er sich. Er hatte doch mal ein paar Bilder der jungen Winona Ryder aus Zeitschriften ausgeschnitten. Vielleicht sind die ja noch irgendwo…
„Kevin allein zu Haus und in New York“ oder Der wahre Alpha-Kevin – Der Buddelfisch
25. Dezember 2016 @ 19:23
[…] Pluspunkt will ich anmerken, dass Catherine O’Hara (die bei mir natürlich durch „Beetlejuice“ einen Stein im Brett hat) ihr Haar hier hübsch kürzer trägt, doch das wird gleich dadurch wettgemacht, dass ihr Charakter […]