Nordkorea-Special – Teil 2: Märtyrer, Monster, Martial Arts
Wer es noch nicht gelesen hat: HIER gibt es die Abenteuer des coolen Kims und seiner Mädels, auch bekannt als erster Teil dieses Artikels.
Hat die nordkoreanische Filmproduktion ausschließlich den großen Kim zum Thema? Mitnichten! Es beschäftigt sich auch gern mit seinen historischen Vorgängern, wie die folgenden Filme belegen:
„Hong Kil Dong“
(Kim Kil In, 1985)
In ferner feudaler Vergangenheit lernt der titelgebende illegitime Sohn eines Fürsten allerlei nahezu übernatürliche Kampfkünste, mit denen er die Reichen bekämpft und den Armen hilft.
Diesmal also ein Martial Arts-Film, der handwerklich durchaus im internationalen Vergleich bestehen kann. Die grundlegende Robin Hood-Geschichte mag natürlich einem vorgeblich sozialistischen Land gut ins Konzept passen, ist aber auch nicht so ideologisch belastet, dass es stören würde. Alles gut? Natürlich nicht!
Nachdem der Film nämlich zwei Drittel artistischer doch sauberer Gewalt im Namen sozialer Gerechtigkeit bot, taucht ein neuer Feind auf: Natürlich der blutdurstige Japaner! Noch dazu der Japaner in seiner tückischsten, bösartigsten Form, nämlich als flugfähiger, mit Hilfe von Rauchbomben teleportierender und sich rasend schnell unter der Erde bewegender Ninja. Ein ganzes Schiff dieser bösen Ausländer ist in Korea gelandet und raubt allerlei Schätze und praktisch alle jungen Frauen. – Vermutlich, um mit ersteren getragene Unterwäsche zu kaufen und letztere von Tentakelwesen vergewaltigen zu lassen. Gegen diese Bedrohung des geliebten Vaterlandes muss sich der Adel mit Robin Hong und dem von ihm geführten Volk zusammenraufen und auf einmal ist die Gewalt nicht mehr klinisch sauber, sondern blutig und dreckig. Nach der Rule of Cool hat das Böse hier die Nase vorn, wenn etwa zwölf Ninjas gegen die gesamte koreanische Armee kämpfen und dabei ca. ein Drittel von ihr mit in den Tod nehmen.
Obwohl er das Land gerettet hat, darf unser Held übrigens nicht seine Geliebte heiraten, da sie von höherer Geburt ist, so dass sie beide schweren Herzens das Heimatland verlassen um ein Land ohne Klassenschranken zu suchen. Nicht ganz so überdeutlich wie sonst, belässt der Erzähler es dabei, nach der Existenz eines solchen zu fragen, während eine rote Sonne aufgeht – ich hatte für einen Moment damit gerechnet, sie zeige das liebevolle Gesicht Kims, welcher die Helden in seine glückliche Zukunft herüberholt.
„The Kites Flying in the Sky“
(P. Gwang, K. Hyon Chol, 2008)
Eine Marathonläuferin gibt (nach einem kurzen und relativ sinnlosen Flashback, in dem wir sehen, wie die blutdurstigen Japaner einen armen Mann in seiner Hütte verbrennen) ihre Karriere auf, um Kinder zu adoptieren. Viele Kinder! Also… wirklich VERDAMMT viele Kinder!
Ich habe den Überblick verloren, wieviele genau es nun waren, aber in jedem Fall starben alle ihre Eltern den Heldentod für ihr Land, was wohl, Herwig zufolge ein Euphemismus dafür ist, verhungert oder von der Regierung ermordet worden zu sein. Gibt dem Volk ein schönes Zusammengehörigkeitsgefühl und schiebt die eigenen Opfer den Japanern zu (mit denen man sich wohl noch immer im Krieg wähnt), wie wohl jedes Übel in Nordkorea, inklusive schlechten Wetters.
Um die Kinder selbst geht es in dem Film auffällig nicht. Hier und da darf mal eines etwas Persönlichkeit haben, aber bitte nicht zuviel und nur, um eine ebenso persönliche Beziehung zum Lieben Führer zu betonen. Denn den zu entlasten ist das wahre Anliegen unserer Heldin: Sie sah ihn in den Nachrichten, wie er, von all seiner Wohltätigkeit müde und erschöpft von der Front kam (welcher auch immer), und beschloss, ihm etwas von seiner Last abzunehmen, und sich um einige der Kinder zu kümmern, die er bisher versorgte. Während selbst ihr Ehemann nie richtig eingeführt wird, sondern auf einmal da ist (die sinnfreie Flashback-Struktur des Films macht es fast unmöglich, der unzusammenhängend konstruierten Handlung zu folgen), ist Kim hingegen immer präsent. Wenn etwa Kinder die Schule schwänzen, ist es nicht deshalb schlimm, weil sie damit ihrer Bildung schaden, sondern weil es undankbar gegenüber Kim ist, der ihnen diese Bildung ermöglicht.
Eigentlich hätte unsere Heldin auch gern biologische Kinder, aber sie verzichtet darauf, weil sie fürchtet, sie würde diese den anderen vorziehen – denn alle Kinder gleich zu lieben, das vermag nur Kim. Der ist sowieso die beste Mutter! Denn wie uns wieder mal ein Lied mitteilt, werden wir der Mutterbrust entrissen, doch die der Partei nährt uns unser Leben lang. Man stelle sich diese Szene bitte bildlich vor und schon spart man eine Mahlzeit. In Nordkorea ja ein sinnvoller Effekt.
Natürlich bleiben die vielen Opfer unserer Heldin nicht unbelohnt: Nachdem alle ihre Kinder freiwillig zur Armee gehen, hört Kim von der Geschichte und versammelt sie alle zu einem gemeinsamen Appell, wo sie auf Befehl eines Offiziers strammstehend ihrer Ziehmutter danken. Was will und kann man im Leben mehr erreichen?
„Lighthouse“
(Kim Chun Sik, 1983)
Ein Mann wurde die erste Hälfte seines Lebens von den – man ahnt es – blutdurstigen Japanern zum einsamen Dienst auf einer mikroskopischen Leuchttuminsel gezwungen. Nach der Befreiung bedankt er sich bei Kim dafür, indem er auch den Rest seines Lebens dort im einsamen Dienst zubringt.
Vielleicht hatte man Aesops Fabel von der Ameise und dem Kamel im Hinterkopf, aber praktisch zeigt man, dass mit der Revolution nur der Unterdrücker gewechselt wurde. Nun gut, der hitlerbärtige japanische Offizier, der die Insel früher mit seinen Konkubinen besuchte, nutzte unseren Helden als Fußbank, während diesen nun der Gedanke mit Euphorie erfüllt, dass der Befreier Kim auf dem Seeweg diesen Leuchtturm als erstes Bild der Heimat sah. – Das ist schon ein Unterschied.
Neben der schwergängigen plumpen Propaganda (dem Leitmotiv der Reihe) fiel auch hier auf, wie unsagbar schlecht der Film erzählt ist. Ewig langweilt er uns mit dem ereignislosen Leben eines Leuchtturmwärters, dann bricht der Koreakrieg aus und man überspringt ihn, nachdem kurz zwei Feinde auftauchen, gegen die der gute Mann seinen Turm verteidigt. Wie man uns mitteilt, aber nicht zeigt. Ach ja: ein paar seiner wenigen Freunde gehen dabei drauf, aber das ist schon okay, weil es der Heldentod ist. Halt wie zu verhungern, oder der Kopfschuss im Internierungslager. Siehe oben.
Außerhalb der Reihe sah ich dann noch einen anderen nordkoreanischen Klassiker, dessen Entstehungsgeschichte schon spektakulär genug ist: Um einen eigenen, sozialistischen Godzilla-Film zu drehen, ließ Kim durch seinen Geheimdienst den Regisseur aus Südkorea entführen und – nach einiger „Überzeugungsarbeit“, wie wir es mal hier euphemisieren wollen – die Regie übernehmen bei…
„Pulgasari“
(Chong Gon Jo, Sang-ok Shin, 1985)
Die Handlung spielt in der feudalistischen Vergangenheit Koreas, in der die hart arbeitende Bevölkerung gnadenlos ausgebeutet und unterdrückt wird. Sterbend formt ein alter Mann daher eine Monsterstatue. Diese erwacht nach dem Kontakt mit Blut zum Leben, wächst durch den Verzehr von Metall bald zu gigantischer Größe und unterstützt so den Aufstand gegen den König, nur, um danach eine noch schlimmere Bedrohung zu werden.
So weit, so gut – dass die Tricktechnik furchtbar ist und die blasse Monsterrückprojektion nur mit viel Fantasie in der gleichen Welt, wie die menschlichen Figuren im Vordergrund einzuordnen ist (und man zudem nur einen einzigen Fuß als großes Modell für Nahaufnahmen gebaut hat) überrascht wenig. Der südkoreanische „Yongari“ (okay, etwas älter) sieht auch nicht besser aus und hat sogar noch ein schlechteres Design.
Unerwarteter ist da schon, dass sich der Film tadellos als Allegorie auf das Kim-Regime lesen lässt: Anfangs wird das Volk vom Adel/den Japanern unterdrückt, doch dann kommt Pulgasari/Kim und befreit es, nur um dann alles aufzufressen und das Land in Armut zu stürzen. Nachdem die Tochter des Monstermachers ihr Leben opfert, um Pulgasari zu zerstören, hinterlässt er noch einen Sohn – auch wie Kim. Ob das Zufall ist, oder der entführte Regisseur heimlich seine Rache unter dem Radar hindurchfliegen ließ, weiß ich nicht.