Screaming Mad George Roadshow
Im Rahmen des Japan Filmfests hat es die SFX-Legende Screaming Mad George mit seiner Roadshow nach Hamburg verschlagen! Von Big Trouble in Little China über The Guyver und Bride of Re-Animator bis hin zu Musikvideos von Marilyn Manson und Mylene Farmer, Georges Arbeit ist jedem Fan echter Horroreffekte schonmal über die Röhre geflimmert. Seine Karriere begann in New York als obskurer Performance-Künstler, der sich in der Öffentlichkeit „Teile“ seines Körpers abschnitt (die natürlich nur selbstgebaute Spezialeffekte waren), führte ihn dann aber schnell nach Los Angeles, wo er sein Handwerk lernte und bald an großen Produktionen wie Poltergeist II und Big Trouble in Little China arbeitete. Nach etwa 30 Jahren in Branche zog er sich dann ins heimische Osaka zurück (wo er 1956 unter seinem bürgelichen Namen Toji Tani das Licht der Welt erblickte) und konzentrierte sich auf seine Skulpturen und persönlichen Projekte als Musiker und Kurzfilmer und gibt nun in Osaka sein Wissen an die nächste Generation von SFX-Künstlern und Filmstudenten weiter.
Im Rahmen seiner Roadshow sahen wir auch seinen eigenen Kurzfilm Boy in the Box (ca. 30 Minuten) und ein ausführliches Making-Of. Boy in the Box lässt sich vermutlich am besten als MTV – the lost years on speed bezeichnen: Ein entstellter Teenager beobachtet aus einer kleinen Box heraus das Sitcom-ähnliche Leben seiner Familie, das sich in verzerrten, traumähnlichen Dialogen und SFX-geladenen Szenen niederschlägt. Bald aber kippt die quietschbunte, dennoch unheimliche Stimmung um, und in geschickt geplanten Zeit- und Achsensprüngen wird die finale Katastrophe geschildert, die dann wieder zum Ausgangspunkt der Geschichte zurückführt.
Der Kurzfilm ist der geniale erste Eintrag nach Screaming Mad Georges Psycho-Fiction-Manifest, mit dem der Künstler ein Genre begründen will, dass psychologischen Horror, Traumlogik und Surrealismus mit den narrativen Strukturen des Mainstream Kinos verbindet (sprich: Kunstfilme mit SFX und, was so oft fehlt, Handlung). Sein erstes großes Pyscho-Fiction Filmprojekt, Animus, ist vorbereitet, noch fehlt es aber an den neutigen Geldmittlen, um das Projekt umzusetzen. Boy in the Box ist schwer zu bekommen, soll aber vor einigen in Jahren in Japan als DVD erschienen sein, wie der folgende Trailer belegt:
Screaming Mad George ist ein sympathischer Kerl, lacht viel und erzählt begeistert von seiner Arbeit und seinen Ideen. Dirk M. Jürgens, Matthias Kempke und ich haben ihn daher sofort zu einigen besonders spannenden Themen ausgefragt, zufällig war Comiczeichner-Kollege Marco Felici auch da und ist ebenfalls ein paar interessante Fragen losgeworden. Hier ein kurzes Transkript aus unserem Besuch in Screaming Mad Georges Roadshow.
Matthias Kempke: Sie sind in Japan aufgewachsen. Waren Tokusatsu-Filme und -Serien ein bedeutender Einfluss für Sie?
SMG: Natürlich hab ich als Kind sehr viele Tokusatsu-Filme gesehen. Als ich noch sehr klein war, Anfang der 60er Jahre, bin ich sehr oft alleine ins Kino gegangen. Meine Eltern haben sehr sehr viel gearbeitet und sie gaben mir Geld und dann ging ich alleine ins Kino, und dort habe ich alle möglichen Filme gesehen. Natürlich auch viele der Toho-Monsterfilme, aber ich war nie ein großer Fan von Gummimonstern, ich habe mich meistens mehr für die amerikanischen Spezialeffekte interessiert, bei denen Menschen zu Monstern wurden. Das war ein großer Einfluß! Aber natürlich habe ich viele Tokusatsu-Filme gesehen, weil sie ein Teil meiner Jugend waren.
Dirk M. Jürgens: Gibt es noch mehr Filme wie Boy in the Box? Ist schon ein neues Filmprojekt in der Psycho-Fiction-Reihe in Arbeit?
SMG: Ja, das Drehbuch ist schon fertig und die Bilder, die ihr hier vorne in der Ausstellung seht, sind Bilder zum Projekt. Der Film heisst Animus und soll ein richtiger Langfilm werden. Im Augenblick fehlt uns aber noch das Geld, um den Film zu drehen, wir müssen also noch warten, bis wir die Finanzierung bekommen. Aber Animus ist unser nächstes Psycho-Fiction-Projekt.
Marco Felici: Man könnte es ja vielleicht als Comic umsetzen.
SMG: Das wäre ein Möglichkeit, ja, vielleicht.
Marco Felici: Was hat es mit den Devilman-Bildern auf sich? Gehören die auch zu einem Filmprojekt? Ich bin ja großer Fan von Go Nagai. Gibt es Pläne für einen neuen Devilman-Film?
SMG: Nein, das sind Fotomontagen, die entstehen fast genauso wie die Effekte für einen Film, erst machen wir das Make-Up fertig und dann wird alles ausgeleuchtet und fotografiert, der Rest ist dann Photoshop. Die Bilder entstanden für ein japanisches Artbook über „Lady Devilman“. Es ist mittlerweile vergriffen, aber vielleicht findet man es noch im Internet. „Lady Devilman“, ein großartiges Buch (lacht). Nein, einen neuen Film gibt es wohl nicht, obwohl wir 2007 in Los Angeles darüber gesprochen haben, einen Film zu machen, aber da ist nichts draus geworden. Und mit dem Kinofilm den sie gemacht hatten, da habe ich nichts mit zu tun, der war ja auch leider wirklich furchtbar!
Sebastian Kempke: Sie haben mit vielen bekannten Regisseuren gearbeitet im Laufe der Jahre. Was ist Ihre Lieblingserinnerung, an welche Drehs erinnern Sie sich am liebsten zurück?
SMG: Viele Filme, an denen ich gearbeitet habe, waren drittklassige Produktionen oder B-Filme, also richtig billige Produktionen, und alles muß immer furchtbar schnell gehen, weil das Budget sehr gering ist. Und als ich damals für die Cannon Group arbeitete und anfing Effekte für richtig teure Filme zu machen, zum Beispiel für Poltergeist II oder für Big Trouble in Little China, da war die Situation natürlich ganz anders. Die Kreatur, die in Big Trouble aus dem Kanalisationsrohr schiesst und jemanden schnappt und dann mit sich zurück ins Rohr zieht, allein an dem Wesen haben wir 3 Monate gearbeitet (lacht). 3 Monate!! Unglaublich! Bei den späteren Yuzna Filmen muss oft alles ganz schnell gehen, da hat man vielleicht gerade mal zwei Wochen für alle Effekte, und dann sage ich mir, daß ich die gesamten zwei Wochen nutzen muss. Dann ist wenig Schlaf angesagt und die meisten Designs gehen sofort in den finalen Film. Normalerweise macht man ja Entwurfsmodelle (Maquettes) fertig, um sich langsam an eine Idee heranzuarbeiten. Und wenn man an einem B-Film arbeitet, dann nehmen sie meistens direkt die Maquettes und sagen „ja, das ist perfekt“. Es muss also alles sehr sehr schnell gehen (seufzt)… aber man hat auch einen enormen Output, weil man soviel improvisieren muss, das kann auch etwas sehr Gutes sein (lacht). Man muss sich mal überlegen, was für Möglichkeiten beispielsweise Rick Baker zur Verfügung stehen. Der baut drei Monate lang ein riesiges Monster, macht viele verschiedene Entwürfe und dann kann er das ganze ausleuchten und filmen, als ob es schon der finale Dreh wäre. Und dann baut er das ganze nochmal, um hier und da etwas zu verbessern und dann hat er da drei riesige Monster stehen, von denen er am Ende sogar eines verbrennen kann für den Film. Das ist wirklich beneidenswert!
Aber das sind die schönsten Erinnerungen, drei Monate Zeit für einen Effekt zu haben.Sebastian Kempke: Ich liebe die Effekte von Rob Bottin. Man sieht sehr viel Einfluß seiner Effekte in ihren Arbeiten, nicht wahr?
SMG: Oh ja, Bottin ist so ein großartiger Künstler, er ist der Größte für mich. Die Effekte in „The Thing“ sind das Beste, was jemals gemacht wurde. (…) In Osaka zeige ich meinen Studenten die besten Szenen aus „The Thing“, das ist die Hundekreatur und die Kopf-Kreatur (Norris-Kreatur, Anm. der Redaktion) , wo dem Arzt die Arme von der Kreatur abgebissen werden, als er sie in die geöffnete Brust von dem einen Kerl steckt. Das zeige ich meinen Studenten und sie müssen überlegen, wie sowas gemacht wird, welche Mechanik hinter den Effekten steckt. Manche sind völlig ratlos, aber dann sehen sie sich die Szenen immer wieder an und machen ihre eigenen Skizzen und Pläne, um den Effekt nachzustellen.
Zum Thema Praktische Effekte vs. CGI hatte SMG eine deutliche Botschaft:
SMG: Ich werde das ständig gefragt und ich finde, dass CGI etwa Gutes ist, und mittlerweile sehen die Computereffekte ja auch richtig perfekt aus. Ein Regisseur nutzt die Möglichkeiten, die ihm zur Verfügung stehen um den Zuschauer glauben zu lassen, daß das was er sieht, echt ist. Wenn er das mit CGI gut hinbekommt, dann ist es doch genau das richtige. Natürlich hat jede Art der Effekte seinen ganz besonderen Reiz. Wenn man die Toho-Kostüme aus den alten Godzilla-Filmen sieht, dann sieht das natürlich nicht echt aus, praktische Effekte sehen auch nicht superecht aus und deswegen ist es letzten Endes eher eine Geschmacksfrage. Die alten Godzilla Filme sehen ja auch seltsam aus, wenn ein Mann im Kostüm so läuft (macht die Bwegung nach), aber viele Leute lieben es, weil es einfach genau ihren Geschmack trifft. Und die alten, genialen Harryhauses-Effekte machen ja auch so zittrige Bewegungen, die ganz typisch sind (macht die Bewegung nach), aber auch das ist ein Stil, den viele sehr gerne mögen. Es hängt also vom Geschmack des Regisseurs ab, welche Effekte zu Einsatz kommen soll. Und Computertechnik macht vieles ganz einfach, ganz besonders beim Compositing in der Post(production). Da kann man einen praktischen Effekt ganz neu plazieren, sogar Standbilder animieren. Soetwas gab es früher nicht. Heute kann das jeder lernen! Und man kann auch praktische Effekte, wie ich sie mache, viel viel besser und leichter in Szene setzen!
Ein Zuschauer fragte SMG nach seinen Lieblingsfilmen.
SMG: Ich sehe am liebsten Kunstfilme, aber keine französischen Kunstfilme, mehr in Richtung David Lynch und Cronenberg, wo Traum und Realität sich vermischen. Psychlogischer Horror und so (…) aber ich sehe auch gerne Filme wie The Avengers. Die sehen großartig aus und sind sehr unterhaltsam. Also, einfach zur Unterhaltung sehe ich mir sehr gerne auch solche Filme an. Die machen Spaß!
Screaming Mad Georges Roadshow, und natürlich der Meister selbst, sind unbedingt empfehlenswert und wer heute (01.06.2014) noch die Gelegenheit hat, nach Hamburg zu düsen, um SMG zu treffen, der sollte sich diese vielleicht einmalige Chance keinesfalls entgehen lassen (Besucherinfos aus dem Programm habe ich unter den folgend Fotos noch einmal notiert).
Besucherinformationen
HAW Filmstudios, Finkenau 35, 22081 Hamburg
Einlass ab 18 Jahren
Interview-Reihe
Teil 1: Samstag, 31.05.2014, 17.00 Uhr
Teil 2: Sonntag, 01.06.2014, 15.00 Uhr
Sonderausstellung
Samstag, 31.05.2014, 14.00–24.00 Uhr
Sonntag, 01.06.2014, 12.00–22.00 Uhr
Screaming Mad George Movie Show
Teil 1: Samstag, 31.05.2014, 17.00 Uhr
Teil 2: Sonntag, 01.06.2014, 15.00 Uhr
JFFH – 15. Japan-Filmfest Hamburg
28. Mai – 01. Juni 2014
www.jffh.de