„Stromberg – Der Film“ oder „Stromberg“ insgesamt
„Stromberg – Der Film“ (2014) von Arne Feldhusen
Am Ende des Films sagt jemand über Stromberg, dieser sei für ihn typisch deutsch und woanders – etwa in England – gar nicht möglich. Diese deutliche Anmerkung in Richtung des britischen Vorbildes gibt mir die Gelegenheit, gleich das im Raum stehende Problem anzusprechen: Ja, dass man das Konzept von „The Office“ kopiert hat und zwei Staffeln nicht dazu stand ist eine Dreistheit, ist verwerflich und wirft menschlich ein ganz schlechtes Licht auf die Macher. Davon trennen muss man aber, dass die Serie ihren Erfolg zum kleinsten Teil eben diesem Konzept verdankt, sondern eben auf die Fähigkeiten Husmanns zurück zu führen ist. Denn in dem Punkt hat die wenig begeisterte TITANIC-Humorkritik recht: Der Mockumentary-Charakter wird selten wirklich ganz genutzt und zudem höchst unglaubwürdig durchgezogen.
„Stromberg“ (Serie wie Film) besticht jedoch durch etwas anderes, was in der deutschen Film- und Fernsehlandschaft gern mal fehlt: Ambivalenz und Charakterzeichnung.
Ich habe nur eine einzige Folge Ricky Gervais‘ Originals gesehen, so dass ich dieses nicht wirklich beurteilen kann, aber diese war zwar brüllend komisch, aber komplett anders als die teutonische Version, die eben keine reine Comedy ist. Mit Stromberg haben wir einen Helden, der in fast jeder Hinsicht verabscheuungswürdig ist, aber trotz einiger Exzesse in der Realität verwurzelt und glaubhaft bleibt. Er fühlt sich als ein echterer Mensch an, als die meisten anderen TV-Protagonisten mit ihren klaren Helden- oder Schurkenrollen und so fühlt man trotz allem mit ihm. Zudem fallen seine Geschichten in kein zu klares Schema. Wenn der Kojote den Road Runner jagt, weiß man, dass es misslingen wird, wenn Sherlock Holmes einen Fall annimmt, weiß man, dass er ihn lösen wird. Wenn Bernd Stromberg sich hochzuschleimen versucht, weiß man es nicht. Mal gelingen seine Intrigen, mal nicht. Erfolge wie Misserfolge erwachsen meist aus dem gleichen Verhalten, so dass er tatsächlich nichts daraus lernen kann.
Er ist ein rassistischer, sexistischer Opportunist, aber er hat dennoch seinen eigenen Charme, weswegen man durchaus versteht, wie sein love interest Jennifer sich immer wieder von ihm angezogen fühlen kann oder Leute außerhalb seines Machtbereiches ihn sympathisch finden mögen.
Der Film liefert so ziemlich all das, was auch die Serie bereits ausmachte: Geballter Fremdschämhumor wechselt sich mit einem Hauch echter Niedergeschlagenheit ab, weil eben die dargestellte Welt der unseren so ähnlich ist.
Die Story ist schnell erzählt: Stromberg erfährt, dass seine Niederlassung der Capitol-Versicherung geschlossen werden soll und fährt darum mit seiner ganzen Abteilung zur Jubiläumsfeier des Unternehmens, um sich eine Übernahme in die Zentrale zu erschleimen. Er tritt in jede Menge Fettnäpfchen, er hat dann wieder unverschämtes Glück, er schmeißt sich an die richtigen Leute, er kommt sich mit seinem miesen Charakter selbst in die Quere. Die Existenzangst, die den Film überschattet gibt ihm einen unbehaglichen Ernst, auch Jennifers Frust, als sie zufällig in die Hochzeit ihres Ex-Mannes gerät, fühlt sich echter an, als die meisten bemühten Sozialdramen.
Anders aber, als etwa der episodische „Simpsons“-Film schafft „Stromberg“ es, im Kino mehr als nur drei Folgen am Stück zu sein, indem er seinen Helden eine neue Entwicklung durchmachen lässt. Denn in den oberen Etagen der Capitol kontrastiert man ihn mit den realen Schurken des Managements. Denen, die frauenfeindliche Sprüche öffentlich entrüstet ablehnen, um sich dann hinter verschlossenen Türen und bei Edelprostituierten darüber auszukotzen, wie sehr sie das Weibsvolk im Berufsleben nervt. Großverdiener, die keine kleinen Bürointrigen spinnen, sondern im großen Format die Arbeitsplätze derer abbauen, die sie in der Öffentlichkeit gerade noch als treue Mitarbeiter gelobt haben.
Stromberg hat die Chance, sich dieser Clique anzuschließen und seine Schäfchen damit ein für allemal ins Trockene zu bringen – doch er lehnt ab.
Nicht aus hohen moralischen Gründen, versteht sich – man weicht den Anti-Helden für den Film nicht auf, aber als er sich zwischen dem Lustschloss der Heuschrecken und der Aufheiterung der geknickten Jennifer entscheiden muss, wählt er letzteres. Die Folgen treffen ihn hart, doch seine Rache wird härter werden. Er, der nie Ideale hatte, wird auf einmal zum Helden des kleinen Mannes und stolpert auf die politische Bühne, auf der seine hohlen Sprüche alles sind, was zum Überleben nötig ist. Er erlangt die Bewunderung all seiner Untergebenen und wird ob seiner persönlichen Beleidigtheit als Streiter für die gute Sache missverstanden.
Am Ende ist er ganz oben angekommen, ohne es verdient zu haben. Doppelzüngigkeit und Heuchelei haben gewonnen und zurück bleibt ein ambivalentes Gefühl aus Unbehagen und Freude, dass der Bastard – aber immerhin unser Bastard – triumphiert.
So etwas ist ungewöhnlich im deutschen Film und Fernsehen, dessen Schwarz-Weiß-Zeichnung ich ja immer wieder beklage. Wenn Brecht heute Comedy schreiben würde, dann stünden die Chancen gut, dass so etwas wie „Stromberg – Der Film“ dabei herauskäme (und wer das für überzogen hält, dem sei versichert, dass ich Brecht nun für nicht so toll halte, wie er oft gemacht wird).