Before Watchmen
(2012), diverse Autoren und Zeichner
Mein Idol Alan Moore kündigt jedem die Freundschaft, der „Before Watchmen“ liest, aber trotz allen Verständnisses für seine Wut auf DC konnte ich den Baum einfach nicht am Apfel der Erkenntnis hängen lassen. „Watchmen“ ist ein makelloses, sauberes und in sich geschlossenes Meisterwerk, welches eigentlich weder Sequels, noch Prequels noch Spin-offs braucht, dennoch wollte ich dem Projekt eine Chance geben und mich noch mal in die finstere Welt der dekonstruierten Superhelden begeben. Im Folgenden soll sich zeigen, ob es sich gelohnt hat, mir den Zorn meines Hausgottes zuzuziehen.
„Minutemen“ (Darwyn Cooke)
Dass ein „Watchmen“-Prequel unnötig ist, wurde ja bereits gesagt. Der von mir recht geschätzte Darwyn Cooke, der ja schon mit seiner Version von Will Eisners „Spirit“ gezeigt hat, dass er mit Legenden und Klassikern umzugehen weiß, hat aber zumindest einen Teilbereich abbekommen, der noch am meisten Potential bietet. Er schildert die Geschichte der Minutemen, der ersten Heldengenereation, die sich bei Moore bereits im Ruhestand befinden.
Man kann streiten, inwiefern sein runder, bunter und fröhlicher Stil zu den düsteren Inhalten passt, doch das Problem liegt eher inhaltlich. Denn das Konzept von „Watchmen“ war es ja, die bunte und unschuldige Welt der kostümierten Helden mit der grausamen Realität kollidieren zu lassen. In „Minutemen“ jedoch sind die beiden Zutaten äußerst unstimmig miteinander verbunden: Die Helden töten von Anfang an ziemlich reichlich und zielgerichtet, so dass sie von Anfang an nie den unschuldigen Figuren entsprechen, die hier gebrochen werden sollen, sondern gleich dreckige Antihelden der 90er sind. Wie schon bei Snyders Film fragt man sich, wieso denn Rorschach angeblich schlimmer sei, als die anderen.
Im Gegenzug wird das Grauen der Wirklichkeit viel zu comichaft präsentiert. So erinnert sich Silhouette an ihre Jugend im faschistischen Europa und, wie sie den grausamen Tod ihrer kleinen Schwester in einem Nazi-Labor ansehen musste. Wo aber das Erschreckenste war, dass diese Gräuel von ganz normalen Menschen, ja Ärzten begangen wurden, ist es hier ein muskulöser Riese mit Maske, von dem sich später selbst die Nazis abwenden. Quasi der Red Skull oder Kroenen – Figuren, die harmlose und kindertaugliche Version der NS-Verbrechens darstellen, also in einer Dekonstruktion nichts zu suchen haben.
Das ist aber auch das einzige wirklich große Problem des Comics. Als Geschichte funktioniert es wunderbar, hat einen unfassbar bösartigen Twist und füllt die Lücken des Vorbildes mit interessanten Details. Kann dem Original (natürlich) nicht das Wasser reichen, aber für sich durchaus bestehen.
„Rorschach“ (Brian Azzarello/Lee Bermejo)
Walter “Rorschach” Kovacs ist die wohl beliebteste und faszinierendste Figur aus Moores Meilenstein, dennoch tat sich schon früh das Problem auf, dass viele Fans ihn nicht als faschistoides Psycho-Wrack, sondern wirklich als echten Helden missverstanden.
Der eigentlich ja als fähig bekannte Azzarello scheint in dieselbe Falle zu tappen, schlimmer jedoch ist, wie substanzlos seine Geschichte ist.
Ich würde nicht soweit gehen, wie dieser Rezensent, der von heiligem Zorn über den Frevel des Prequels an sich grundsätzlich alles daran verdammt. So verwendet er viel Zeit darauf, auszuführen, wie leer und charakterlos alle Nebenfiguren sind (was er bei den weiblichen als sexistisch sieht), aber das halte ich für verzeihlich, da es hier ja nur um einen geht: Um Rorschach.
Nur leider erfahren wir über ihn auch nichts von Bedeutung. Er ist hasserfüllt, er ist brutal, er hat keine Freunde, Zweifel oder Kritik an ihm werden nie gesät, schließlich ist die dargestellte Welt so beschissen, wie er behauptet. Eine aufblühende Bekanntschaft mit einer Kellnerin wird nicht allzu sehr vertieft, wenn die Geschichte recht plötzlich endet, aber der nie wirklich ausgeführte Plot um einen Serienmörder lässt ziemlich früh ahnen, wie es enden wird. Auffällig übrigens, wie viele Morde Rorschach begeht. Ich wusste, dass er einer der brutalste der hiesigen Superhelden ist, aber die Leichenberge die er hier anhäuft, passen dennoch nicht ganz zu seiner bisherigen Darstellung und vor allem seiner Akzeptanz unter den anderen Helden.
Bermejos recht realistischer Zeichenstil gefiel mir, reißt aber auch keine Bäume aus. Der Gastauftritt von „Taxi Driver“ Travis Bickle ist zudem zu lang, zu elaboriert und zu witzlos, um als Gag wegzugehen, womit er symptomatisch für das ganze Werk ist.
„Nite Owl“ (J. Michael Straczynski/Andy Kubert/Joe Kubert)
Trotz seines Kostümfetisches war Nite Owl so ziemlich der normalste der Helden aus „Watchmen“, entsprechend unspektakulär ist auch seine Vorgeschichte, weshalb Straczynski neben dem Anfang seiner Karriere auch seine Zusammenarbeit mit dem beliebteren Rorschach thematisiert. Aufhänger für die Geschichte ist jedoch seine Zusammenarbeit und Beziehung mit der Domina Twilight Lady, welche die Angewohnheit hat, alles, was er sagt zweideutig zu kontern. So weit, so witzig, aber leider hat der Autor höhere Ambitionen und versucht wohl irgendwas halbdurchdachtes über Gewalt gegen Frauen zu sagen. Entsprechend verpasst er dem Helden einen gewalttätigen Vater und lässt auch Rorschach weniger, wie eigentlich bislang üblich, unter seiner Mutter, als unter deren Liebhabern und Freiern leiden. Soweit, der Lady eine richtige aktive Rolle außerhalb des Sexuellen zu gehen, geht er aber nicht, so dass sie bald der Rettung vor einem platten und des Namen „Watchmen“ unwürdigen frauenfeindlichen Schurken bedarf. Straczynski ist ein guter Erzähler, aber wenn er höhere Ambitionen hat, kommen wohl meist Desaster, wie der am Ground Zero weinende Dr. Doom dabei raus. Zumindest lässt er den ersten Nite Owl aber mit seinen Fans den vielleicht besten Dialog der Superheldengeschichte führen:
„Jetzt ist es Zeit, in mein Eulenmobil zu steigen und zur Eulenhöhle zurückzudüsen, um mir etwas Eulenschlaf zu gönnen, damit ich heute Nacht wieder wofür sorgen kann?“ – „Eulengerechtigkeit!“
„Comedian“ (Brian Azzarello/J. G. Jones)
Nach seinem „Rorschach“ waren meine Erwartungen an Azzarello ja eher gering, aber zumindest hat er diesmal eine Figur, mit der er seine Gewaltlust ausleben kann: Der Comedian treibt sich die meiste Zeit über im Vietnamkrieg herum, wo er etwa das My Lai-Massaker anrichtet, dann gib es auch noch die Morde an den Kennedys.
Das ist alles unproblematisch, hier passt es in die Geschichte. Anders als im Film ist er hier übrigens nicht für das JFK-Attentat verantwortlich, sondern war immer dessen bester Freund, weshalb er auch Marilyn Monroe für ihn aus dem Weg räumte. Dazu sehen wir sie tot und nackt auf ihrem Bett liegen und er darf noch ihren Hintern küssen. Äußerst geschmackvoll und vielleicht doch ein Punkt für die obigen Sexismusvorwürfe.
Die Geschichte selbst ist sauber erzählt, bietet aber einfach Nichts neues oder irgendwie Aufregendes, schadet nicht, nützt aber auch nichts. Immerhin sehen wir, dass Moloch der Magier beim Kennedy-Mord geweint hat, womit amerikanische Tragödien wohl endgültig als Schwachpunkt von Superschurken etabliert wären. Wann sehen wir die Tränen des Jokers bei der Challenger-Explosion und Lobos Verzweiflung angesichts des Oklahoma-Bombenanschlags?
„Ozymandias“ (Len Wein/Jae Lee)
Im Vergleich mit dem übermächtigen Dr. Manhattan und dem brutalen Rorschach verschwindet der abgehoben überintelligente Ozymandias oftmals, weshalb es eine faszinierende Lektüre ist, die Welt einmal durch seine Augen zu sehen. Unmittelbar vor den Ereignissen von „Watchmen“ reflektiert er in Form der weichen, realistischen Zeichnungen Lees sein Leben, angefangen von seiner Kindheit als Genie, über seine Weltreisen bis hin zur Errichtung seines Finanzimperiums und seiner Heldenkarriere. Das ist durchaus interessant und in der Nahbetrachtung blättert auch der Lack des Unnahbaren nicht von ihm ab, doch ist der Erkenntnisgewinn praktisch gleich null. Man erfährt keine neuen Aspekte, keine verborgenen Tiefen und keine prägenden Episoden aus seinem Leben, die nicht schon in ein paar Randbemerkungen der Vorlage preisgegeben wurden. Lediglich hat man ihm das Klischee einer tragisch endenden großen Liebe gegeben, aber der Einfluss derselben hält sich ziemlich in Grenzen. Eine nette Lektüre, die sich dem Klassiker respektvoll nähert, ihm aber eben nichts hinzufügt.
„Silk Spectre“ (Darwyn Cooke/Amanda Conner)
Die Jugendgeschichte von Laurie Juspeczyk, der zweiten Silk Spectre geht den klugen Weg, dass sie gar nicht erst zu viel Nähe zum unübertrefflichen Vorgänger sucht, sondern eben eine einzelne, doch äußerst prägende Episode aus dem Leben seiner Heldin erzählt.
Zurecht genervt von der besitzergreifenden Art ihrer Mutter, flieht Laurie zum Höhepunkt der Hippie-Bewegung nach San Francisco, muss aber feststellen, dass auch hier das Verbrechen lauert. Der Fall, den sie behandelt ist recht lächerlich (böse Vertreter von THE MAN wollen die Jugendkultur kommerzialisieren), aber zum Glück auch nicht wirklich wichtig. Eigentlich geht es um ihr Privatleben und ihre Entwicklung und diese Aspekte funktionieren.
Zwar tauchen der erste Nite Owl (allerdings nur privat) und kurz Comedian auf und am Ende besucht Laurie in ihrer neuen Rolle das erste Treffen der Crimebusters, aber mit Anspielungen und Verweisen hält man sich hier zurück und gestaltet den Comic so recht eigenständig.
Amanda Conners Stil ist wie immer rund, bunt und hübsch. Gesichter werden oftmals komisch verzogen und immer wieder tauchen Fantasiebilder, oft in Form bekannter Gemälde auf, was den Comic auch optisch sehr ansprechend macht. Eine Drogenszene gemahnt zudem an trippigere Werke Moores, wie „Promethea“. Man könnte fragen, ob die vielen schönen Menschen und die reichliche attraktive Nacktheit nicht dem Stil des Vorbildes widerspricht, aber die Geschichte findet nun einmal unter jungen Blumenkindern statt und ist darum nur passend inszeniert.
Allerdings hätte man die Story mit wenigen Änderungen (Sportler- statt Heldenkarriere, Nite Owl als simpler Cop, Comedian als FBI-Agent) auch ganz ohne Superhelden- oder „Watchmen“-Bezug erzählen können, was viel über seinen Wert als Prequel aussagt.
„Dr. Manhattan“ (J. Michael Straczynski/Adam Huges)
Nachdem JMS‘ erster Beitrag ja recht enttäuschend war, landet er mit seiner Dr.-Manhattan-Geschichte nun den einzigen wirklichen und echten Treffer der Reihe! Man hätte die Geschichte sicherlich kürzer erzählen können und der Tod der Mutter des Helden durch die Wehrmacht wirkt auch etwas billig, aber hier gibt es einfach etwas, das bisher allen Storys der „Before Watchmen“-Reihe fehlte: Eine echte Grundidee!
Denn als der bekanntlich zeitlose Dr. Manhattan eines Tages einen Blick in seine Vergangenheit wirft, stellt er fest, dass sie in unzählige Paralleluniversen zerspaltet wird. Laut der Quantentheorie verändert der Beobachter die Realität, so dass er, als erster Beobachter der Zeit von außen, alles durcheinander gebracht hat.
Das ist faszinierend und gut durchdacht und wird auch handwerklich genial umgesetzt: Linke und rechte Seite zeigen das Gleiche Ereignis in unterschiedlichen Universen und als für eine Szene später die Erzählposition vom Doc zu Ozymandias wechselt (für den diese Geschichte wesentlich bedeutsamer ist, als seine eigene), werden die Seiten auf dem Kopf stehend gedruckt – der Leser wechselt also gleich doppelt die Perspektive.
Neben der Missachtung von Alan Moores Willen haftete der ganzen Reihe stets auch der Makel an, nie das handwerkliche oder innovative Level des Originals zu erreichen. Diese Mini-Serie jedoch darf ihm zumindest das Wasser reichen.
„Crimson Corsair“ (diverse)
Der letzte Teil der Reihe versammelt drei kürzere Geschichten:
„Moloch“ (J. Michael Straczynski/Eduardo Risso)
Die Lebensgeschichte des einzigen, in „Watchmen“ näher betrachteten Superschurken ist eine katholische Erlösungserzählung, die etwas dabei versagt, seine dunkle Seite richtig zu zeigen. Er ist lediglich ein von Geburt an entstellter Außenseiter, der durch Rissos Zeichnungen auch auf dem Höhepunkt seiner Macht nur als mitleiderregende, gequälte Kreatur dargestellt wird. Zumindest sind die hier erleuchteten Umstände seines Todes etwas tröstlich.
„Dollar Bill“ (Len Wein/Steve Rude)
Letzteres ist hier genau das Problem: Der PR-Held Dollar Bill war in „Watchmen“ ein entscheidender Teil der Entzauberung des Superhelden. Auch, wenn seine recht undramatische Lebensgeschichte das an sich unterstreichen würde, wird sein Ende hier aber nicht als tragikomisches Scheitern, sondern als Beginn einer Legende inszeniert. Also genau gegen das, was „Watchmen“ wollte und tat.
„Crimson Corsair“ (Len Wein/John Higgins)
Zum Schluss noch eine wirklich originelle Idee: Da es im „Watchmen“-Universum ja wirklich Superhelden gibt, werden die Comics darin bekanntlich von Piraten dominiert. „Crimson Corsair“ ist ein solcher und entsprechend von allen Continuity-Zwängen befreit.
Nur leider kontert man die originelle Idee mit der unoriginellst möglichen Umsetzung, indem man sich so dicht an der „Black Freighter“-Story aus der Vorlage hält (nur eben ohne die dortige Meta-Ebene), dass keinerlei Eigenwert entwickelt wird. Ja, Higgins finsterer Zeichenstil ist ganz hübsch und die Splatter-Exzesse, die man auffährt, durchaus beachtlich, aber die Story ist ein Nichts. Alles passiert relativ sinnlos und bewegt sich einfach, weil es ja irgendwie muss, zu einer Variation der schon bekannten Pointe hin. Was hätte man hier machen können! Etwa eine „Crisis on Infinite Earths“-Version um die Piratencomics oder sonst etwa doppelbödiges. Stattdessen endet die Reihe absolut witzlos mit einer letzten großen Enttäuschung.
Nun, das war also das umstrittene „Before Watchmen“! Hat es sich gelohnt? Ich würde sagen, nein. Ein einziger Band war großartig, ein paar weitere nett aber unaufregend und zwei enorm beschissen. Das ist wirklich keine Art, ein Werk fortzusetzen, dem das Medium Comic so viel verdankt.
Ein so perfektes, in sich geschlossenes Werk wie „Watchmen“ fortzuführen war nie eine sinnvolle Idee und man sollte vielleicht dankbar sein, dass man sich zumindest für ein Prequel entschloss, anstatt das offene Ende mit einer Fortsetzung zu ruinieren. Zudem stellt sich hier das Problem, dass die meisten Autoren die Respektlosigkeit des Verstoßes gegen Moores Wunsch dadurch mindern wollen, dass sie respektvoll die Finger von „Watchmen“ selbst lassen. Also möglichst nichts ändern oder umdeuten oder sich sonstwie trauen, etwas eigenes hinzuzufügen. So schreibt man Fließbandware, keine Meilensteine. Wenn Moore früher eine fremde Serie übernahm, machte er sich erst mal genüsslich daran, alles auseinander zu nehmen, woraus diese bestand. Den heiteren Miracleman machte er düster, den düsteren Supreme heiter und dem Swamp Thing nahm er sein zentrales Thema, wieder zum Mensch werden zu wollen. Das ist gewagt, führte aber zu bekanntlich grandiosen Ergebnissen. Mit „Watchmen“, das sich schwerlich verbessern lässt, geht das nicht, entsprechend wenig Spielraum bleibt den Autoren, entsprechend lau die meisten ihrer Arbeiten.
Dann stellt sich die Frage, inwiefern dem heutigen Geist, oder dem der Entstehung des Originals entsprochen werden soll. Damals war die Düsternis und Gewalt in „Watchmen“ extrem und ungewöhnlich, heute sind die Standards anders. Wenn aber die Gewalt entsprechend modernisiert wird, passt sie nicht mehr dazu. „Watchmen“ erzählte von der schönen Oberfläche des Heldentums und den Abgründen darunter – wenn Rorschach aber auf offener Straße Menschen lebendig verbrennt, kann auch die Oberfläche nicht funktionieren.
Nein, DC – das war keine gute Aktion.
(Dirk M. Jürgens)
Mr. Crowley
27. Januar 2014 @ 17:16
Deinen etwas blinden Idolgehorsam mal beiseite lassend, hier etwas Nitpicking:
„Wann sehen wir die Tränen des Jokers bei der Challenger-Explosion und Lobos Verzweiflung angesichts des Oklahoma-Bombenanschlags?“
Dir ist schon bewusst, dass gerade diese beiden „Extrem“-Beispiele als Charaktere völlig anders aufgestellt sind als Doom oder Moloch?
Dr. Doom, als Herrscher eines eigenen kleinen Landes, der auch immer wieder als (mehr oder weniger) gerechter und vor allem vom eigenen Volk geliebter Regent auftritt. Warum sollte der bei „sinnloser“ Vernichtung menschlichen Lebens nicht in die Knie gehen? Warum sollte das in irgendeinem Gegensatz zu seinen Weltherrschafts- (nicht -vernichtungs-)Zielen stehen?
Dirk M. Jürgens
27. Januar 2014 @ 18:42
Wenn ich blind idolgehorsam wäre, hätte ich Moores Order befolgt und die Serie gar nicht gelesen. 😉
Natürlich – gerade in Hinblick auf seine eigene Story im letzten Band ist Moloch bei weitem kein richtiges Monster. Der Punkt allein hätte mich auch nicht weiter gestört, aber die Parallele zu jenem Negativbeispiel stieß mir doch assoziativ auf.
Will sagen: Mann, das war ein kleiner Scherz am Rande, nicht das Zünglein an der Waage, um diesen Band zu beurteilen.
Aber Dr. Dooms Trängen schlucke ich nach wie vor nicht. Ich sage nicht, dass er hätte lachen und Überlebene bespucken sollen, denn er ist ja nun kein Sadist und der Anschlag nützte seinen Zielen ja auch nichts, aber trotz allem ist er ein Superschurke. Einer, der den Verlust menschlichen Lebens jederzeit hinnimmt (solange es nicht sein Volk ist), die gleiche Haltung bei anderen also verstehen müsste. Ein simples Kopfschütteln und gemurmeltes „So eine sinnlose Vergeudung menschlichen Lebens für irgendeinen wirren Zweck!“ wäre vollkommen okay gewesen.
Aber Tränen? Der kaltblütige Dr. Doom, dessen Pläne auch genug Blutvergießen einkalkuliert, soll ein so genereller Menschenfreund sein, dass es ihn mehr mitnimmt, als mich?
Gut… anders als ich war er vor Ort, aber anders als ich war er schon öfters bei Tod, Krieg und Gewalt vor Ort (oft von ihm ausgehend), da setze ich einfach eine gewisse Gewöhnung voraus.
Mit der Szene hat JMS einfach die innere Realität des Werkes zugunsten der äußeren, echten Realität aufgegeben und das halte ich künstlerisch für unverzeihlich. Wenn mich etwas so sehr bewegt, dass ich es künstlerisch verarbeiten muss, dann benutze ich dazu geeignete Figuren und verbiege nicht ungeeignete, weil ich deren Welt so gering schätze.
Peroy
27. Januar 2014 @ 19:01
Das liest sich wie erwartet… als ob Herr Jürgens Alan Moore gerne mal einen blasen würde…
Dirk M. Jürgens
28. Januar 2014 @ 11:39
Da er es mir bislang noch nicht angeboten hat, kann ich das leicht weit von mir weisen! 😛
John
28. Januar 2014 @ 17:03
Mit dem Alter geht bei mir die Heldenverehrung von Moore zurück – so toll ich seine Werke auch finde, sie wirken nach all den Jahren doch etwas sehr offensichtlich in ihren ideologischen Ansätzen.
Gelesen habe ich Before Watchmen natürlich trotzdem nicht – zurecht, wie es scheint.
Immerhin kommt ja „bald“ (irgendwann mal) Multiversity von Morrison, in dem „Pax Americana“ eine Art retcon der Watchmen-Welt darstellen soll (was wäre Watchmen, wenn es eben doch die Charlton-Figuren gewesen wären?).
Dirk M. Jürgens
28. Januar 2014 @ 19:27
Ideologie war für mich nie der wirkliche Punkt bei Moore. Mehr einige Überschneidungen im Geschmack (Mega-Crossover und Quantenphysik mit einem Esslöffel Mythologie) aber vor allem seine brillante Handwerkskunst!
Etwa jene Geschichte in „Tomorrow Tales“, die auf vier Stockwerken in vier verschiedenen Jahrzehnten spielt und sowohl horizontal, als auch vertikal gelesen werden kann… sobald ich die sehe, kreische ich jedesmal vor Begeisterung!
Auf Morrisons Version bin ich aber mal gespannt. Es ist zwar fraglich, ob er der richtige Mann ist (in seinem „Supergods“-Buch lässt er deutlich raushängen, was für Probleme er mit Moore hat), aber interessant auf jeden Fall.