„Helden – Wenn dein Land dich braucht“ oder Der Film, dessen Titel so dämlich ist, dass ich keine sarkastische Überschrift dazu weiß
„Helden – Wenn dein Land dich braucht“ (2013) von Hansjörg Thurn
Viel Spot und Klagen hörte man im Vorfeld: Dieser dreistündige RTL-Katastrophenfilm sei die dümmste Produktion dieses an dummen Produktionen nicht gerade armen Senders. Da fühlte natürlich auch ich die im Titel mitschwingende Pflicht, ihn zu sehen und folgte dem Ruf des Vaterlandes.
Zur Handlung: Während eine Kindergartengruppe den Teilchenbeschleuniger des CERN besichtigt, um ihr Physikwissen aufzupolieren, erzeugt man mit demselben ein schwarzes Loch, welches alle Katastrophen, die man sich nur wünschen kann auf die Menschheit hereinregnen lässt. Während die NATO die Gelegenheit nutzen und die Schweiz atomar auslöschen will, liegt es an unserem Erlöser Hannes Jaenicke, einen Laptop zu finden, mit dem man den Beschleuniger aus komplizierten Gründen abschalten kann.
Keine außergewöhnlich neue Handlung, kein außergewöhnlich neuer Aufbau. In diversen Handlungssträngen um so originelle neue Konflikte, wie kleinkriminelle Jugendliche und Bauernhoferben, die lieber in die Stadt ziehen wollen lernen wir eine breite Riege von Figuren kennen (meist mit bekannten Schauspielern besetzt), die alle durch die große Katastrophe miteinander verbunden werden. Dabei gibt es Katastrophenfilmlogik, welche unseren Helden die Explosion seines Hubschraubers unerklärt überleben lassen, Leute, die in der Not über sich hinauswachsen, sowie pathetische Reden des Kanzlers Heiner Lauterbach.
Die meisten Dramen sind dabei recht krampfhaft erzwungen und die meisten Figuren unsympathisch, Dreistigkeitsrekorde stellt man aber auf, indem man Jaenickes Charakter gleich doppelt persönlich involviert: Seine Freundin (Yvonne Catterfield) und seine Tochter sind im CERN, seine Ex (die hübsch kurzhaarige Christiane Paul) als Beraterin im Kanzleramt. Da sind viele Dämlichkeiten, die aufzuzählen mir jetzt die Lust fehlt. Stellvertretend sei nur erwähnt, dass die gefährlichen Gänge, durch das zerstörte Forschungszentrum, bei dem mit aller Kraft dem Sog des schwarzen Loches widerstanden werden muss, von besagten Damen und nicht etwa den hier kundigen Wissenschaftlern erledigt werden. Auch die Abschaltung im Showdown legt man lieber in die Hände der Expertin von außen, statt der Leute, die hier täglich arbeiten. Ob ausgerechnet ein Bergwerk der beste Zufluchtsort vor einem Erdbeben ist, weiß ich auch nicht und ohne Kenntnis militärischer Strukturen, bezweifle ich doch, dass ein kleiner Offizier der Schweizer Armee eigenmächtig einen Atomschlag der NATO abbrechen kann.
Das alles ist dumm, aber insbesondere angesichts der wirklich gelungenen Spezialeffekten in den zwar etwas seltenen, aber sehr ansehnlichen Zerstörungsorgien des Films verzeihbar.
Doch dieser Film weist einen besonderen Clou auf, wie schon sein Untertitel und seine Premiere am Tag der Deutschen Einheit andeuten: Denn hier will man einmal wirklich wie die großen amerikanischen Katastrophenfilme sein und hofft, den Zuschauer mit einem Hauch Patriotismus zu emotionalisieren. Dass Deutschland nicht Amerika ist und seine Bürger ein völlig anderes Verhältnis zu ihm haben, ignorierte man dabei.
Diese speziellen „Deutschlandszenen“ sind es dann auch, die „Helden“ aus der Einheitsblödheit des Genres hervorheben und ihm eine ganz eigene Deppenkappe aufsetzen. Zwar kann sich unsere germanische Heimat dem, von den hysterischen Briten angesetzten Atomschlag nicht entgegenstellen, ansonsten nimmt sie unter den Völkern der Erde aber offenbar einen ziemlich zentralen Platz ein. Dass die Katastrophe in der Schweiz ihren Anfang nimmt, stört nicht einen Moment die allgemein anerkannte deutsche Zuständigkeit. Auch die gefühlvollen Reden mit zahlreichen Gottesbezügen, mit denen Kanzler Lauterbach zum Volk spricht, ist man sonst eher vor dem Sternenbanner, als dem Bundesadler gewohnt, aber vielleicht gehört das zur Rolle des Weltpolizisten dazu. Die USA jedenfalls sagen gar nichts, sondern sitzen nur stumm daneben, während man diskutiert, wie man das Ende der Welt aufhalten kann. Wie also in Hollywood scheint die Zerstörung der Erde auch hier eher ein nationales Problem zu sein.
Bei den betroffenen einfachen Menschen wird auch gerade ihr Deutschsein hervorgeholt, bzw. werden gezielt deutsche Themen an ihnen verhandelt. So parken böse Reiche auf einem Behindertenparkplatz und beschimpfen mit Hilfe eines Nobelkellners den gewissenhaften Obdachlosen, der sie darauf aufmerksam macht, ehe ihr Wagen von einem unfassbar vorhersehbaren und grotesk unwitzigen Anfall von Karma von einer Flugzeugturbine zerquetscht wird. Später in der Stunde der Not, wenn Deutschland zusammenrückt, sehen wir den Stadtstreicher als einzigen Gast des Restaurants, vor dem sich die Episode zutrug, von Kellner und Koch aufmerksam bedient – denn diese Dienstboten sind keine Menschen, die jetzt ihre eigene Geschichte erleben. Die sollen sich mal damit zufrieden geben, hier symbolisch die Brücke zwischen Arm und Reich zu bauen, damit man sieht, wie unser Volk zusammenhält.
Woanders muss Armin Rohde sich zum starken Führer der Überlebenden aufschwingen, einfach weil er der Kopf eines Schalke-Fanclubs ist und als solcher in Deutschland Autorität besitzt. Den Höhepunkt erreicht das Einheitsgefühl aber, als in einer Notunterkunft die bärtigen Muslime endlich lernen sich zu integrieren: Denn leider ist das einzige Nahrungsmittel, welches ihnen der gute, die Versorgung leitende Pfarrer bieten kann, Schweinegulasch. Später droht ein Konflikt auszubrechen, als sie in seine provisorische Kapelle kommen und dort beten wollen. Erst möchte er nicht mit der anderen Religion den Raum teilen, doch der Anführer der Muslime appelliert ohne jede platte Doppelbedeutung daran, dass die anderen (also die Christen/Deutschen) zwar zuerst hier wären, sie (also die Muslime/Migrationshintergründige) aber doch ebenso zu Deutschland gehören würden. Also zelebriert man eine gemischte Messe und falls es irgendwer noch nicht verstanden hat, setzen sich Pfarrer und Imam dann noch zusammen auf ein Feldbett und teilen sich ein Brot. Wo sich also Amerika in seinen Filmen durch Unabhängigkeit, Stärke und Unbeugsamkeit darstellt, identifiziert sich Deutschland hier durch Fleischgerichte, Fußball und die Straßenverkehrsordnung.
Doch kommen wir wieder auf mein Lieblingsgebiet, die Ideologiekritik. Dass der Katastrophenfilm ein eher konservatives Genre ist, ist ebenso bekannt, wie nahe liegend. Hier aber schleicht sich ein besonders unschöner Ton ein: Die Wissenschaftler haben das Problem erst geschaffen und auch die Rettung wird nicht von ihnen direkt erbracht. Ja, der Leiter des CERN macht, in seinem Zentrum eingeschlossen die anderen Verschütteten darauf aufmerksam, wie viel Luft ihnen die anwesenden Kinder wegatmen und steht damit ziemlich in Opposition zum Humanismus, den die wohltätigen Priester vorleben. Die junge Praktikantin der Erzieherin lernt auch endlich ihre Pflichten (im guten weiblichen Feld der Kinderpflege) wahrzunehmen, der jugendliche Kriminelle lernt folgsam im Laden des Vaters zu arbeiten. Als die unzuverlässige (da junge) moderne Technik versagt, muss das alte Funkgerät aus Stalingrad wieder ran und reumütig suchen die Menschen Unterschlupf im Altersheim, welches der Situation besser widerstehen kann, als die nutzlosen Bauten der Nachgeborenen. Auch der Obdachlose, der Behindertenparkplätze schützt, ist mit seinem Bart gegenüber dem glatt rasierten Kellner eine Patriarchenfigur. Der traditionsvergessene Bauernhofflüchtling muss sterben, während sein Bruder seinen Beitrag zur Rettung der Welt leistet. Es ist das Alte, was Rettung bringen kann, wenn das Neue – die Forschung – uns alle gefährdet.
Mehrfach warnt man uns, dass all das nur geschehen ist, „weil wir wie Gott sein wollen“. Nun haben wir hoffentlich gelernt, auf unserem Platz zu bleiben. Dreimal sagt man uns, dass Deutschland nach den Katastrophen nicht mehr existiert, dennoch schließt der Kanzler optimistisch: Dieser Tag werde in die Geschichte eingehen als der Tag der Deutschen Einheit – und dieser Film als Monument der Ironiefreiheit.
Insoweit hatten die Vorabschmäher schon recht: „Helden“ ist dämlich und oftmals wirklich ärgerlich und vor allem schadet er sich durch seine höheren Ambitionen, dass er nämlich nicht nur einfach ein Katastrophenspektakel, sondern Deutschlandportrait und –gefühl sein will. Hätte man das, sowie die uralten Klischeedramen herausgeschnitten, wäre er wesentlich besser geworden und hätte dazu eine handlichere Länge gehabt, für die seine so etwas sparsamen Zerstörungsszenen ausgereicht hätten.
Aber sind wir ehrlich: Er ist doch ganz unterhaltsam und es hat im Fernsehen und gerade auf RTL schon wesentlich schlimmeres und dümmeres gegeben, so dass die spezielle Aufregung hier übertrieben wirkt.
(Dirk M. Jürgens)
Wie Ethnic Cleansing in Deutschland funktioniert | Lokal-PolitikLokal-Politik
4. Oktober 2013 @ 10:11
[…] http://www.weirdfiction.de/article_database/helden-wenn-dein-land-dich-braucht-oder-der-film-dessen-… […]
Peroy
23. Oktober 2013 @ 20:26
Wenn’s doch nur mehr deutsche Filme gäbe, die du besprechen könntest… … … hachja…
Dirk M. Jürgens
24. Oktober 2013 @ 11:47
Zum Glück gibt es die! Erst gestern sah ich den fabelhaften „Alaska Johansson“ zu dem ich soeben was schrieb. – Und den meintest du doch sicher. ):D
Peroy
25. Oktober 2013 @ 0:21
Nein. Die TV-Zeitschrift hat mir von dem abgeraten und der vertrau‘ ich mehr als dir… 8)
Udo
1. April 2014 @ 0:19
Da ich in meiner Rezension auf deine verlinkt habe, wollte ich dich mal drauf aufmerksam machen: http://trugbilder.blogspot.co.at/2014/03/helden-wenn-dein-land-dich-braucht-von.html