„Kriegerin“ oder Suche Filmpreis, biete Phrasen.
„Kriegerin“ (2011) von David Wnendt
Ich weiß nicht, wieso, aber irgendwie hatte ich echte Hoffnungen, dieses Neonazidrama könnte gut sein. Und das, obwohl der Regisseur inzwischen auch „Feuchtgebiete“ gedreht hat (und damit meine in meiner kleinen Bestsellerschau geäußerte Annahme, zumindest dieser werde nicht verfilmt, zerschlug). Der Look war auch ganz nett, die Nazis wirkten authentisch (so dass „nett“ vielleicht doch nicht der passende Begriff ist) und die Hauptdarstellerin leistet wirklich eine eindrucksvolle Vorstellung.
Das Problem (neben der obligatorisch miesen Tontechnik, die viel Dialog verschluckt) war aber das vollkommene Fehlen des inneren Dramas, worum es eigentlich gehen sollte. Da ist diese Nazibraut. Dann hilft sie einem Ausländer. Dann will sie keine Nazibraut mehr sein. Wie das in ihr vonstatten geht? Keine Ahnung, dafür interessiert sich der Film nicht.
Okay – sie hat seinen Bruder überfahren (was man inszenatorisch versaut, da kein Geld da war, es darzustellen… ist ja auch nur ein Schlüsselereignis). Insofern reiht „Kriegerin“ sich vielleicht in die lange, lange Reihe der Filme ein, die den Plot „X hat Y im Unfall getötet und kommt nun einem von dessen Hinterbliebenen nah“ immer wieder recyclen und trotzdem dafür gelobt werden, aber selbst dafür ist er einfach zu unfokussiert.
Zwischen Marisa, unserer Heldin und Rasul, ihrem Kontakt mit dem Ausland, gibt es einfach keine wirkliche Geschichte, keine echte Entwicklung. Am Anfang hasst sie ihn ob seiner Herkunft und überfährt deshalb seinen Bruder. Später sieht sie ihn hungern und gestattet ihm, sich im Supermarkt, in dem sie arbeitet, zu versorgen. Da kann man schließen, dass wohl Schuldgefühle im Spiel sind, aber gezeigt oder fühlbar gemacht wird uns das nicht. Ja, ein normaler Mensch SOLLTE da Schuldgefühle haben, aber wir haben es hier mit einer mit Hakenkreuz tätowierten Extremistin zu tun… wenn die auf einmal solche menschlichen Gefühle entwickelt, sollte das Thema sein und nicht einfach angenommen werden.
Herrjeh! Dies ist die Geschichte einer Nazi, da erzählt sie uns doch bitte auch.
Ab und an hat der Film durchaus gelungene Momente, aber das tröstet nicht über das Fehlen seines Zentrums hinweg. Er beginnt mit einem Off-Text, in dem Marisa erklärt, Demokratie sei falsch, weil da auch Idioten, Kinderschänder und Leute, denen Deutschland scheißegal ist, mitbestimmen können. Man schließt mit einem Off-Text, in dem sie die Demokratie als das beste lobt, was Deutschland je passiert sei.
Wo ist der Kontext? Wo wurde diese Botschaft vermittelt? Auch wenn wir jetzt klaglos ihre Beziehung zu Rasul hinnehmen, geht daraus noch nicht die Richtigkeit der Demokratie hervor. Ideologien sind keine festen Pakete, in denen man nur alles oder nichts bekommt. Sie kann Ausländer durchaus als Menschen sehen, aber noch immer an die jüdische Weltverschwörung, den Behinderten als Staatsfeind und den Homosexuellen als Zersetzer glauben. Doch da die Innere Wandlung nicht erzählt wird, stellen sich keine solchen Fragen. Man begnügte sich einfach damit, Sätze aus den „Informationen zur politischen Bildung“ zu kopieren, aber das heißt nicht, dass man sie filmisch veranschaulicht hat.
Damit schafft man kein kritisches Bewusstsein, lädt niemanden zum diskutieren ein, sondern arbeitet mit, die Leute zu konditionieren. Man fordert niemanden heraus, über das Gesehene nachzudenken, sondern will ihn sofort blindlings auf das Signal (hier: „Nazi-Drama“) reagieren lassen (hier: Zustimmung). So bildet man Menschen bestimmt nicht.
„Kriegerin“ behauptet seine Geschichte nur, erzählt sie aber nicht. Er stellt die Entwicklung einer Figur in den Mittelpunkt, die er dann ebenfalls nicht ausführt, sondern einfach behauptet. Für die Kunst des Erzählens oder gar für Menschen interessiert er sich nicht und damit war ihm der Ruhm im deutschen Kino, welches für diese Fähigkeiten eh nichts übrig hat, gewiss. Vor Jahren las ich mal nacheinander die Pressemappen für „Arlington Road“ und „alaska.de“ und mir wurde deutlich, wieso der deutsche Film so unproduktiv, publikumsfern und zum größten Teil nutzlos ist. Denn während das Werbematerial des Hollywoodthrillers betonte, welch großartige andere Filme seine Beteiligten schon gedreht hätten, konzentrierte sich die Mappe des deutschen Problemfilms auf all die guten Taten ihrer Macher in deren Privatleben. Es ist schön, wenn jemand gegen Jugendarbeitslosigkeit, Drogen oder Rassismus kämpft, als Künstler zeichnet ihn das aber nicht aus. Doch die Wertung hierzulande sieht das leider anders. Dass ein Film gut ist, ist nicht so wichtig, wie dass er gut gemeint ist.
Um, statt mit der Hoffnungslosigkeit des deutschen Films, mit einer heiteren Note zu schließen: Amüsiert hat mich, dass Marisas Wandlung darin gipfelt, dass sie Rasul hilft, das Land zu verlassen. Sie zeigt also, keine Rechte mehr zu sein, indem sie einen Ausländer aus Deutschland entfernt.
(Dirk M. Jürgens)