„Wir sind die Nacht“ oder Fürchte die Kampflesben!
„Wir sind die Nacht“
(2010) von Dennis Gansel
Ich trat an diesen Film mit enormen Vorurteilen heran, da ich zuvor nur Allerschlechtestes von ihm gehört hatte und er auch durch Trailer und Werbung seinerzeit nicht gerade verlockend wirkte. Das mag ihm nun geholfen haben, denn wie ich hier gleich vorgreifen möchte, ist er so schlecht nicht, aber wirklich gut natürlich auch nicht.
Die kleinkriminelle Lena beraubt wen am Geldautomaten, verpasst anschließend einem Polizisten, der sich erdreistet, sie deswegen zu belangen, einen Kopfstoß und rammt ihm dann noch ein Knie in den Unterleib. Das ist alles vollkommen okay, weil sich der Beraubte als Russe und Zuhälter herausstellt und der Polizist Tom sofort über sein blutiges Gesicht strahlt, kaum dass er Gewaltopfer geworden ist, weil das bei Frauen ja etwas anderes ist.
Kurz darauf wird Lena von der Vampirin Louise gebissen und zu einer Artgenossin gemacht, was sich vor allem darauf auswirkt, dass ihr Piercing und ihr Tattoo verschwinden und ihre zuvor hübschen kurzen Haare in Sekundenschnelle lang wachsen. Das soll uns zeigen, dass sie nun schön ist, da konform.
Super Botschaften eines super sympathischen Films!
Louise hat zwei Vampirsidekicks, die ständig düstere, kettenrauchende Charlotte aus den Zwanzigern und die ständig quietschend überdrehte Nora, die halbwegs kurze und gefärbte Haare behalten darf, weil sie aus der Techno-Szene der 90er kommt. Mehr Charakteristika haben die beiden Pappfiguren nicht, auch wenn man ab und zu halbherzige Szenen einwirft, in denen sie um wen trauern.
Männliche Vampire, so erfahren wir, gibt es nicht. Nicht mehr: Diese waren zu dumm und zu gierig und wurden deshalb von den Menschen stark reduziert und schließlich von ihren Artgenossinnen ganz ausgelöscht. Das ist nicht nur stark fragwürdig (und folgt gerade auf eine Shoppingtour und vor ein paar blutige Exzesse unserer Heldinnen, die ein seltsames Licht auf die behauptete Askese ihres Geschlechtes werfen), sondern vor allem erleuchtend, zeigt es uns doch, welches Monster die Macher des Films wirklich fürchten. Wenn es später zur erwartbaren Romanze zwischen dem Modenamenpaar Tom und Lena kommt, Louise den Macker bedroht und von ihr verlangt, ihr ihre Liebe zu versichern, haben wir vielleicht das deutlichste Bild männlicher Angst vor weiblicher Homosexualität seit langem.
So wenig Überraschungen der Film bietet (das Ende ist nur deshalb nicht vollständig vorhersehbar, da es ins Leere läuft und unbefriedigend offen bleibt), so sehr scheitert er bei dem, was ihn im Kern ausmachen sollte. Die Verführung des Dunkels kann er einfach nicht darstellen. Seine Handlung scheint in kürzester Zeit zu spielen, da werden ein paar Technopartys besucht (nachdem wir Louise anfangs schlecht in einem Gemälde der Flöte Friedichs des Großen lauschen hörte, erstaunt, wie gut sie ihren Musikgeschmack angepasst hat), etwas mit Limousinen gefahren, gegackert und gekichert, als wäre man bei „Sex and the City“ und das war es. Überraschend prüde für einen deutschen Film (vielleicht zwecks internationaler Vermarktbarkeit) zeigt „Wir sind die Nacht“, der sich so verrucht gibt, tatsächlich wenig Lustvolles. Die einzige Nacktheit taucht unerotisch in einer Polizeidusche auf, ehe das Schreckgespenst der Weiblichkeit dort alles niedermetzelt. Wenn Nora ihr Top ablegt, wendet sie der Kamera keusch den Rücken zu.
Man merkt deutlich den Einfluss von Kathryn Bigelows „Near Dark“, nur leider weicht „Wir sind die Nacht“ dessen Vorzügen gekonnt aus. Dort verstand man, was den Helden zur Nachtseite zog: Es war vor allem die Liebe zu einer Vampirfrau, für die er versuchte, sich mit den Monstrositäten der Untoten zu arrangieren. Hier hingegen gibt es ein wenig Luxushotels und viel Herumgesabbere mit Blut (welches unsere Heldin abstößt, also nicht gerade dafür gewinnen dürfte). Da ist die Wahl zwischen dieser Welt und der ihres lebendigen Masochistenlovers Tom nicht allzu schwer. Und ich hasse es, es ansprechen zu müssen, aber dem Film tut auch die Besetzung Louises mit Nina Hoss nicht gut. Sie wirkt einfach zu alt und zu wenig anziehend, um die Unsterblichkeit versprechende Königin der Nacht überzeugend verkörpern zu können.
So klafft dort, wo das Herzstück des Films sein müsste, ein großes Loch, da ihm einfach das fehlt, um das es in ihm gehen müsste.
Trotzdem bin ich, wie angekündigt, etwas nachsichtiger als üblich mit diesem undurchdachten und ideologisch verkorksten Film. Er langweilt tatsächlich nicht und Gansels Regie ist wirklich äußerst hübsch und dynamisch. Zudem sind seine Effekte wirklich gelungen und er lässt seine Heldinnen oft und gerne und nicht nur als kurzes Gimmick an Wänden herumlaufen. Selbst der finale Kampf findet schwindelerregend und agil an Wand und Decke statt. Das sieht man nicht häufig, das muss man loben.
Hinzu kommt, dass es ein deutscher Film ist, noch dazu ein deutscher fantastischer Film. Wenn wir bedenken, was uns da sonst so aufgetischt wird, ist er in diesem Umfeld ein einäugiger König. Diesbezüglich ist die deutsche Filmnation halt ein Kleinkind und wenn ein solches es hinbekommt, ein Pferd mit der korrekten Anzahl Beine zu malen, ist das doch schon ein Kompliment wert. – Auch wenn es natürlich schön wäre, wenn ihm keine Lesbe mit Teufelshörnern als Reiterin verpasst hätte.
(Dirk M. Jürgens)