„Man of Steel“ oder St. Superman gegen die Wissenschaft
„Man of Steel“
(2013) von Zack Snyder
Dass Superman Jesus ist, weiß eigentlich jeder, der sich näher mit ihm beschäftigt. Und an sich ist das auch vollkommen unproblematisch, da er immer auf die richtigen Teile der Göttlichkeit reduziert wurde: Er ist ein allmächtiges und unendlich gütiges Wesen, welches der Menschheit wohlwollend zur Seite steht. Im durchwachsenen „Superman Returns“ (der nicht so schlecht war, wie er oft gemacht wird, nur eben seine Gewichtung auf Seifenoper, statt Übermenschentum legte) gab es diesen Moment, der ihn perfekt traf: Ein Gangster feuert ihm aus kurzer Entfernung eine Kugel direkt ins Auge, die aber an seiner Netzhaut zerdrückt wird, ohne dass Superman auch nur blinzelt oder das Schmunzeln von seinem Gesicht vertreibt. Obwohl er versucht hat, ihn zu töten, nimmt Superman es ihm nicht übel, sondern lächelt ihn nur an, da dieser ja keine Gefahr für ihn darstellt. Diese Szene zeigte ihn mächtig, doch eben auch gütig.
„Man of Steel“ versagt tatsächlich bei beidem und macht den netten Schutzgott Superman zum amerikanischen Fundamentalistengott, wie er ja durch die Homo-Ehe-Debatte auf der Weltbühne wieder recht präsent ist.
Bevor wir zur Ideologie kommen, erst einmal der Mangel an Übergröße. Das war etwas, was ich bei Snyder wirklich nicht erwartet hatte! Pumpte er die als Versager konzipierten „Watchmen“ zu Halbgöttern auf, obwohl es nicht in ihr Konzept passte, scheitert er meist dabei, den Stählernen so groß zu inszenieren, wie er sein müsste. Es gibt ab und zu Szenen, in denen er etwa durchs Feuer geht oder seine Grenzen testet, die wirklich jene Allmacht ausdrücken, für die Superman stehen soll, doch diese sind erstaunlich selten, da es in der ersten Hälfte vor allem darum geht, seine Kräfte zu verstecken. Ist er dann endlich so weit, das Kostüm anzulegen, tauchen auch schon die Schurken aus der Phantomzone auf, die ihm bald gleichrangig sind, so dass er nicht mehr hervorsteht.
Deren Raumschiffe, Rüstungen und Technik tun ein weiteres, von der Macht der Kryptonier selbst abzulenken. Ist das alles aus dem Weg und es kommt zum Finalen Duell mit General Zod, erreicht dies aber wirklich die titanischen Ausmaße, die man sich bereits vorher gewünscht hätte.
Das ist enttäuschend, aber zumindest nicht verwerflich. Die ideologische Ausrichtung des Films hingegen schmeckt doch äußerst übel.
Zunächst einmal wird Supermans göttlicher Status mehr betont, als je zuvor. So wird er wiederholt als „Sohn des El“ bezeichnet und erklärt, sein kryptonischer Familienname bedeute „Hoffnung“. Ich spreche kein Kryptonisch, allerdings weiß ich, was „El“ im semitischen Sprachgebrauch bedeutet und was hier entsprechend die einzige Hoffnung ist: Gott.
Diese verborgene Andeutung im Superman-Mythos wird noch unterstrichen, indem sein verstorbener Vater Jor-El als Hologramm diesmal allgegenwärtig ist, wie eine Szene, in der er Lois Lane durch ein Raumschiff geleitet, ohne sich zu bewegen, da er überall zu gleich ist, auf die Spitze treibt.
Zweifelt Superman in einer Kirche an seiner Bestimmung, kniet hinter ihm im Glasfenster auch Jesus im Garten Gehtsemane. Wie dieser wandert er hier zwischen Kindheit und der Annahme seiner Bestimmung durch die Welt und wie dieser muss er sich in die Gefangenschaft der Menschen begeben, die er erretten will.
Problematisch wird es, wenn eine Frage beantwortet wird, die ich mir schon lange stellte: Warum ist Jor-El nicht selbst vom sterbenden Krypton geflohen, anstatt nur seinen Sohn zu schicken? Hatte die Superzivilisation, die im ganzen DC-Universum bekannt ist, sonst keine Raumschiffe? Hier erfahren wir, dass er es für richtig hält, dass die Kryptonier untergehen. Sie haben sich im Terraforming versucht (welches am Ende das Werkzeug des Schurken wird) und ihre Kinder werden genetisch verbessert und schon vor der Geburt à la Huxley auf spätere Karrieren vorbereitet. Mit diesen Eingriffen in die Natur haben sie sich versündigt und müssen allesamt untergehen – wie der alttestamentarische Bringer von Sintfluten kümmert ihn der einzelne Unschuldige dabei nicht.
Später im Kampf mit Superman prahlen die Schurken mit eben dieser genetischen Manipulation und erklären, sie seien Ergebnisse der Evolution und daher nicht wie er an Moral gebunden. – Das ist ein ziemlicher Haufen unstimmigen Blödsinns (Evolution ist Natur, Genetik Kultur und Moral ein ganz anderes Thema), in der heutigen Situation ordnet es sie aber ganz klar einem Lager zu. Wissenschaft, zu der auch Evolutionsglauben gehört, wird automatisch als Gegensatz von moralischem Handeln dargestellt, womit beides nicht miteinander vereinbar dargestellt wird. Positive Figuren sind entsprechend auch Feinde der Aufklärung: Der gütige Zeitungsherausgeber will keine Belege über die Existenz von Aliens publizieren, da er die Menschen nicht aufregen will – dafür verzichtet er gern auf seine Sensation. Auch Supermans irdischer Adoptivvater Jonathan sieht Geheimhaltung seiner Kräfte als oberste Pflicht.
Zumindest letzteres ist generell verständlich, doch wo Geheimhaltung wichtiger als Menschenleben wird, verliert Superman seine zweite wichtige Eigenschaft, nämlich seinen Humanismus. So wird er dafür kritisiert, einen vollbesetzten Schulbus aus dem Fluss zu ziehen und Jonathan opfert sich (vollkommen unnötig) selbst in einem Sturm, um einen Hund zu retten, den sein unverwundbarer superstarker Sohn ohne Probleme hätte herausholen können. Die Botschaft ist auch hier wieder, wie unwichtig der Mensch angesichts des höheren Wesens und höheren Zieles ist und das ist gerade NICHT das Prinzip von Superman.
Seine Ausbildung findet schließlich ein Ende, als er endlich das zielgerichtete Töten lernt. Natürlich nur in Notwehr, um Unschuldige zu retten und natürlich vergießt er danach ein paar Tränen, aber nur so kann das Happy End erreicht werden und das ist angesichts vorheriger Lektionen auch nur folgerichtig.
Man könnte es für einen kleinen Moment der Subversion halten, wenn Superman eine Armeedrohne zerstört, die seine geheime Identität ausspionieren will, aber indem er anschließend betont, ob seiner Jugend in Kansas so amerikanisch wie nur irgendwie möglich zu sein und dann einem hochrangigen Militär sein Vertrauen ausspricht, ist auch das zunichte.
So haben wir am Ende also einen uramerikanischen Jesus, der die Menschheit lenken soll, vom geringen Wert des einzelnen weiß und nicht weltbürgerlich, sondern national denkt und dessen Feinde die Wissenschaft verkörpern.
Der Film macht zuweilen Spaß, er hat seine gelungenen Actionszenen und schicken Bilder, er ist sicherlich besser als der dritte und vierte Reeves-Superman-Film, aber ideologisch vollkommen ungenießbar. Ich kann mir wie bei „300“ vorstellen, dass Snyder nie so weit gedacht hat (denn wenn er zu denken versucht, kommt so etwas wie „Sucker Punch“ dabei heraus), aber von dem, was Superman nicht nur zu einem Kerl im Kostüm, sondern einer positiven Figur gemacht hat, hat er offenbar nichts verstanden.
(Dirk M. Jürgens)
heino
2. Juli 2013 @ 20:05
Ganz ehrlich, ich habe während des Films zwar die recht penetranten Erlöserszenen wahrgenommen, aber über die unterschwellige Ideologie nicht wirklich nachgedacht. Und sosehr ich Snyder für die blödsinnigen Änderungen in Watchmen und 300 kritisiert habe, sehe ich hier doch eher Goyer und Nolan in der Pflicht, da die Story von Goyer stammt und Nolan Snyder als Produzent im Griff halten sollte. Man muß also in meinen Augen alle 3 verantwortlich machen.
Dirk M. Jürgens
2. Juli 2013 @ 21:09
Dem würde ich auch nicht widersprechen!
Und gerade Nolan ist mir, so sehr ich ihn an sich mag, ja auch schon bei „The Dark Knight Rises“ ( http://www.weirdfiction.de/article_database/the-dark-knight-rises/ ) unangenehm konservativ aufgefallen.
Nur bei Snyder habe ich halt noch immer das Gefühl, dass er es gar nicht meint, nur eben grundsätzlich nicht darüber nachdenkt, was er da so inszeniert. 😉
Marcus
2. Juli 2013 @ 22:23
“ und erklärt, sein kryptonischer Familienname bedeute „Hoffnung“.“
Nein. Es fragt ihn (so ziemlich am Ende, mein ich) einer, was das S-Zeichen bedeute. Er antwortet „Hoffnung“. Das war m.E. nicht wörtlich gemeint und ist daher sicher kitschig, aber nicht wirklich ein Beweis für deine These.
„Später im Kampf mit Superman prahlen die Schurken mit eben dieser genetischen Manipulation und erklären, sie seien Ergebnisse der Evolution und daher nicht wie er an Moral gebunden.“
Falsch. Zumindest in der DF war das andersrum: Zods weiblicher Lieutenant sagt, dass sie anders als Supes keine Moral kennen, und dass ihnen das „einen evolutionären Vorteil verschafft.“. Das ist nicht dasselbe. Damit ist deine folgende These („Wissenschaft, zu der auch Evolutionsglauben gehört, wird automatisch als Gegensatz von moralischem Handeln dargestellt,“) m.E. vom Film nicht gedeckt.
„Warum ist Jor-El nicht selbst vom sterbenden Krypton geflohen, anstatt nur seinen Sohn zu schicken? Hatte die Superzivilisation, die im ganzen DC-Universum bekannt ist, sonst keine Raumschiffe? Hier erfahren wir, dass er es für richtig hält, dass die Kryptonier untergehen.“
Bitte was? Er verbringt doch so ziemlich die erste Szene des Films damit, den hohen Rat Kryptons davon zu überzeugen, den Planeten zu evakuieren. Das ist das genaue Gegenteil von „er hält es für richtig, das die Kryptonier untergehen“. Und er ist nicht selber geflohen, weil er in das einzige Raumschiff, dass er gerade da hatte, nicht reingepasst hat – und Zod abwehren musste, damit der den Start nicht verhindert. Und mit dem Raumfahrertum der Kryptonier war es hier auch nicht weit her – es wurde gesagt, dass sie ihre Außenposten schon lange aufgegeben hatten.
„Zweifelt Superman in einer Kirche an seiner Bestimmung, kniet hinter ihm im Glasfenster auch Jesus im Garten Gehtsemane. Wie dieser wandert er hier zwischen Kindheit und der Annahme seiner Bestimmung durch die Welt und wie dieser muss er sich in die Gefangenschaft der Menschen begeben, die er erretten will.“
Okay – aber die Szene in der Bibel, wo Jesus durch Wände guckt, per Röntgenblick Magengeschwüre diagnostiziert und dann seine Fesseln zerbröselt (und sich dann von Pilatus zusammen mit Maria Magdalena an Aliens ausliefern lässt), die muss ich überlesen haben. 😉 Will sagen, man kann es auch übertreiben. Und wenn einer wie Snyder, dem das coole Visual über alles geht, losgelassen wird, wird es gerne mal so vage, dass man alles und nix hineininterpretieren kann.
„Nur bei Snyder habe ich halt noch immer das Gefühl, dass er es gar nicht meint, nur eben grundsätzlich nicht darüber nachdenkt, was er da so inszeniert.“
Da will ich nicht widersprechen. Wie wir seit „Sucker Punch“ wissen, gibt es nix Feministischeres als Pantyshots unter Schulmädchenuniformen – solange das Mädel dabei nur bewaffnet ist 🙂 .
Der Punkt im Film, dass Jonathan Kent seinem Ziehsohn gelehrt hat, dass Geheimhaltung wichtiger ist als Leben zu retten, störte mich aber auch ein wenig. Man könnte ihn so interpretieren, dass er den Wunsch seines Vaters respektiert und ihm damit zeigt, dass er ihm vertraut, als er ihn sterben lässt – aber richtig überzeugend fühlt sich das nicht an.
In Summe – der große Wurf war „Man of Steel“ sicher nicht. aber auch nicht so schlecht, wie er jetzt von vielen (auch von Dir) gemacht wird.
Udo
2. Juli 2013 @ 23:15
Snyder hat bis auf das passable „Dawn of the Dead“ Remake doch eh nichts Ordentliches zustande gebracht. Wieso hat man ausgerechnet ihn auf dem Regiestuhl Platz nehmen lassen? Das verstehe ich bis heute nicht.
Dirk M. Jürgens
3. Juli 2013 @ 10:54
@Marcus:
Na gut, mag sein, dass ich Familiennamen und -wappen durcheinander gebracht habe, aber es bleibt halt dabei, dass der Familienname „Gott“ schon bezeichnend ist. 😉
Und in jedem Fall macht die Schurkin die zwei Lager „Superman + Moral“ und „Zod + Evolution“ auf und dieser Einteilung wird nirgendwo widersprochen. Wie sie deren Kausalität behauptet, ist nicht der Punkt, es kommt mir eben darauf an, dass sie das beides voneinander trennt, obwohl es es keine unvereinbaren Lager sind. Wer das heute so tut, trifft damit eine Aussage zur aktuellen Debatte.
Tatsächlich versucht Jor-El anfangs den Rat zu überzeugen, aber später verkündet er direkt, dass die Kryptonier mit ihrer genetischen Manipulation verändert wären. Auch im Dialog zwischen Zod und Superman heisst es schließlich, Krypton habe seine Chance gehabt, es zu zerstören sei folglich legitim.
Die Kirchenszene an sich wäre für mich kein Problem, da Clark ja nun einmal gläubig ist und daher ruhig dort Rat suchen kann. Nur die Jesus-Parallelisierung ist eben relativ durchgehend und wäre ja auch völlig okay, wenn er, wie in den Comics eben ein gütiger Gott wäre. Seine Lernkurve des Films ist aber eben die Notwendigkeit des Tötens: Beim Schulbus macht er es noch falsch, bei Jonathan schafft er es dann zumindest, sich auf dessen direkte Anweisung zurückzuhalten und im Showdown tötet er dann endlich aktiv, womit seine Entwicklung zum Helden abgeschlossen ist.
Natürlich war es innerhalb der Handlung eine gerechtfertigte Tötung, aber Superman ist eine idealistische Figur, die man nur in solche Lagen bringt, um sie zu dekonstruieren. Das wurde aber nicht getan, im Gegenteil: Wenn am Ende die bekannte Superman-Standardsituation erreicht ist, zeigt man damit, dass er nun den richtigen Weg gefunden hat. Über das Töten.
Und das ist einfach nicht das, wofür Superman steht und stehen sollte und in einer Zeit, in der das US-Militär (dem er ja vertraut) regelmäßig ohne Gerichtsprozess Staatsfeinde liquidiert, das Symbol humanistischen Idealismusses auf ihre LInie zu bringen, halte ich für äußerst bezeichnend.
Der Film hat noch diverse andere Drehbuchprobleme (die dramaturgisch störende Flashbackstruktur, Militär, welches, nachdem ihr Platzverweis vom Gericht kassiert wurde, Lois gleich in alle Pläne einweihen, Wanderarbeiter Clark wird von einem Tag zum anderen Reporter einer hoch angesehenen Zeitung…) über die man meinetwegen gerne wegsehen kann, um sich mit dem Film zu amüsieren, wie man sich ja auch gern mit „Red Dawn“ amüsieren darf, aber mir hat die Ideologie des Films einfach den Spaß zerstört.
Dirk M. Jürgens
3. Juli 2013 @ 10:56
@Udo: Snyders Probleme waren immer nur inhaltlich, stilistisch war er schon immer famos.
Die Überlebensgröße, die bei „Watchmen“ eben so fehl am Platz war, hätte für Superman genau gepasst, weswegen mich so überrascht, dass er sie hier nicht zustande bringt.
Mit einem vernünftigen Drehbuch wäre er an sich schon der richtige Mann für den Job gewesen.
Marcus
3. Juli 2013 @ 19:49
„Na gut, mag sein, dass ich Familiennamen und -wappen durcheinander gebracht habe, aber es bleibt halt dabei, dass der Familienname “Gott” schon bezeichnend ist.“
Ich kenne keinen „semitischen Sprachgebrauch“ („Gott“ im biblischen Originalton heißt jedenfalls nicht „El“) und glaub dir deine Übersetzung der Einfachheit halber mal ungeprüft. Das ist dann aber ein Problem der Figur „Superman“ an sich, die du kaum dem Film vorwerfen kannst.
„es kommt mir eben darauf an, dass sie das beides voneinander trennt, obwohl es es keine unvereinbaren Lager sind. Wer das heute so tut, trifft damit eine Aussage zur aktuellen Debatte.“
Ähm, nein. Sie behauptet ja nur, dass keine Moral zu haben ein evolutionärer Vorteil ist, und impliziert damit, dass Evolution eine Entwicklung ist, die von Moral wegführt.
Aber erstens ist sie ein Schurke, und die sagen nun mal böse Sachen. Für mich war das einfach einer dieser comictypischen arroganten Superschurkensprüche. Diese Aussage dem Film als Message zuzurechnen ist abenteuerlich, zumal der Film die Aussage ja ganz klar NICHT unterstützt. Die „evolutionär Überlegenen“ verlieren ja am Ende, nicht wahr?
Zweitens streckst du dich ziemlich weit, wenn du ihre Aussage gleich auf Wissenschaft als ganzes ausweitest. (So verstehe ich dein „in der heutigen Situation ordnet es sie aber ganz klar einem Lager zu. Wissenschaft, zu der auch Evolutionsglauben gehört,“) Das ist so, als wenn ich sage, ich möge keinen Hiphop, und du sagst, „hey, weißt du, wer noch keinen Hiphop mag? Der KKK. Jeder, der heutzutage sagt, dass er keinen Hiphop mag, stellt sich ganz klar auf die Seite von Rassisten.“
“ Auch im Dialog zwischen Zod und Superman heisst es schließlich, Krypton habe seine Chance gehabt, es zu zerstören sei folglich legitim.“
Einspruch. Hab den Originalwortlaut gerade nicht parat, aber das kann er so nicht gesagt haben. Zwischen Zod und Superman ging es nicht mehr um die Rettung von Krypton (schon lange zerstört), sondern darum, ob es gerechtfertigt ist, Krypton auf Kosten der Menschheit auf der Erde neu zu erschaffen. Dies mit der Aussage „Krypton hat seine Chance gehabt“ abzulehnen, ist doch wohl legitim.
Wir sprachen außerdem von Jor-El, der – ich bleibe dabei – nie gesagt hat, dass er will, dass Krypton stirbt. Er wollte seine Kultur retten und er wollte, dass das künstliche Heranzüchten der Kryptonier aufhört.
Zum ganzen Rest im wesentlichen: d’accord. Wie gesagt, dass er seinen Vater sterben lässt, fand ich auch nicht überzeugend. Der Film ist drehbuchseitig eher schwach, da sind wir uns einig. Ich sehe nur eben die „fragwürde Message“ nicht. Das ist für mich alles viel zu vage, gerade bei einem Typen wie Snyder, der visuell erzählen will und inhaltlich eigentlich wenig zu sagen hat.
Beim Wortvogel hatte einer mal ein Review von Mark Waid verlinkt, der einen guten Vorschlag hatte, wie man die Ermordung Zods im Kontext von Supermans Charakter besser „rechtfertigen“ hätte können: wenn der Endkampf so verlaufen wäre, dass Superman permanent auf die Fresse bekommt, weil er immer wieder seine Aufmerksamkeit von Zod abzieht, um Unschuldige zu retten, die ins Kreuzfeuer geraten sind, und so klar wird, dass Superman verlieren wird und noch viel mehr Leute sterben werden, wenn er den Kampf nicht schnellstmöglich beendet.
Wie gesagt: schwaches Drehbuch, ja.
Dirk M. Jürgens
4. Juli 2013 @ 9:52
Die „El“-Sache (zur Wortquelle verweise ich auf „eli eli lama asabtani“ – „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“) ist tatsächlich Teil des Superman-Mythos‘ an sich und mit der allein habe ich auch kein Problem. Supie war schon immer eine Götterfigur und das ist ja auch vollkommen in Ordnung, da es ein Archetyp ist, den man natürlich benutzen kann. Das macht ihn ja auch so eindrucksvoll.
Es hier so besonders herauszustellen (Kirchenszene, diverse Kreuzposen) wäre an sich auch kein Problem, nur wenn man es bei der heutigen Debattenlage so inszeniert, dass seine Gegner explizit Geschöpfe der Wissenschaft (und er der einzig natürliche Kryptonier) sind, die sich noch dazu recht beliebig zur Evolution bekennen und aus ihr Rechtfertigung ableiten, dann ist das auffällig. Der Film unterstützt natürlich nicht die Aussage von evolutionärer Überlegenheit, sondern dem natürlichen Weg Els, aber er macht eben diese beiden Lager auf.
Das „wissenschaftliche Lager“ sehe ich eben (anders als durch bloße Gemeinsamkeit, wie im KKK-Beispiel) dadurch charakterisiert, welche wissenschaftlichen Elemente bei ihnen betont werden: Evolution (als Moral) und Genmanipulation (als Herkunft) – das sind gerade zwei der zentralsten Punkte, um die momentan zwischen Wissenschaft und Kirche gestritten wird. Wenn jemand zwei beliebige historische Gestalten hasst und diese sind Martin Luther King und Malcolm X, ist auch nicht anzunehmen, dass es zufällige Abneigung ist, sondern er ihre Sache an sich nicht mag.
Ich halte „Man of Steel“ auch nicht für ein Message Movie und glaube durchaus an Snyders Blauäugigkeit (wie ich auch glaube, dass er „300“ versehentlich noch ein ganzes Stück weiter nach rechts verschoben hat), aber diese Zusammenhänge sind nun einmal in dem Film. Eine göttlich assoziierte Hauptfigur lernt die Notwendigkeit des Sterbenlassens und Tötens im Kampf gegen ausdrücklich wissenschaftliche Schurken. Das mag durchaus Zufall sein, ist aber dennoch komplett auf Linie der Fundamentalisten.
Dirk M. Jürgens
4. Juli 2013 @ 11:52
Oh, ich vergaß die „Krypton hat seine Chance gehabt“-Sache:
Im realen Leben wäre es als Antwort natürlich vollkommen okay gewesen, aber in einem Film zählen die Details mehr. Und der Grund, dass Superman das Raumschiff zerstört ist ja tatsächlich nicht, dass er ein neues Krypton, sondern die Auslöschung der Menschheit verhindern will. Trotzdem gibt er als Begründung nicht „Aber nicht auf Kosten der Menschheit!“, sondern eben eine Rechtfertigung gegen die Kryptonier. Dass es aufgrund ihrer Entartung seine Richtigkeit habe, tröstete auch Jor-El schon seine Frau.
Damit wird einfach eine Gewichtung geschaffen, die es vorher nie gab. Kryptons Untergang wurde immer als furchtbare Tragödie behandelt, jetzt auf einmal kommt erstmals ein „Na ja – irgendwie hatte es schon seine Richtigkeit“ dazu. Und als Begründung wird die Genmanipulation angegeben – deren Gegensatz hier von einer Jesusfigur verkörpert wird. Das passt alles zu einem unschönen Gesamtbild.
Marcus
4. Juli 2013 @ 19:35
Ich sage nicht, dass das alles völlig aus der Luft gegriffen ist, was du sagst. Aber es ist mir zu dünn, zu vage, zu leicht völlig anders interpretierbar bzw. ignorierbar, um da ein „Gesamtbild“ deutlich genug zu sehen, dass es mich stören würde.
Dass deine Lesart von Snyder vermutlich nicht gewollt ist, sehe ich auch so. Ich verweise abermals auf „Sucker Punch“, wenn es darum geht, dass der Mann einfach nicht weiß, wie man eine Aussage unfallfrei in Filme einbaut.
Deshalb waren auch „Watchmen“ und „Dawn of the Dead“ seine besten Filme – da konnte er nicht viel kaputtmachen, weil man ihm eine gute (im Fall „Watchmen“: geniale) Storyvorlage gegeben hat, die er nur abarbeiten musste.
heino
5. Juli 2013 @ 14:50
Ich will Snyder keine Rechtslastigkeit unterstellen, aber es ist schon auffällig, dass seine Inszenierungen oft sehr – vorsichtig ausgedrückt – wertkonservativ ausfallen. „300“ war da sicher der krasseste Fall, aber auch die Änderung von Night owl und Silk Spectre zu skrupellosen Tötungsmaschinen sprachen da für mich Bände. Im Verbund mit Nolan (der allerdings laut Goyer gegen die Tötungsszene gewesen sein soll, aber überstimmt wurde) ist Blauäugigkeit da wahrscheinlich noch eine sehr vorsichtige Unterstellung.
Trotzdem hatte ich mit der Tötungsszene keine Problem, denn es ist ja deutlich, dass Supes Zod nicht besiegen kann und es selbst im Erfolgsfall keine Möglichkeit gäbe, ihn zu neutralisieren, da einfach kein entsprechendes Gefängnis existiert. Dass Superman durchaus auch zu extremen Maßnahmen beriet ist, wissen wir ja spätestens seit „Death of Superman“, wo er absichtlich in Kauf nimmt, Doomsday zu töten, weil er ihn nicht anders aufhalten kann.
Insgesamt (die ideologische Frage mal außen vor gelassen) fand ich den Film trotz allem sehr unterhaltsam und im Gegensatz zu Snyders bisherigem Schaffen auch im Pacing sehr ausgeglichen, was man von Watchmen z.B. nicht sagen kann.
DJ Doena
10. Juli 2013 @ 14:56
Ich hab den Artikel mal nach besten Wissen und Gewissen übersetzt und hier in diesem Film-Forum gepostet:
http://www.dvdcollectorsonline.com/index.php/topic,8158.msg165115.html#msg165115
Dirk M. Jürgens
11. Juli 2013 @ 13:36
Oha, das sieht man nicht alle Tage. Da fühle ich mich geschmeichelt!
DJ Doena
13. Juli 2013 @ 7:49
siehe auch: http://shoebat.com/2013/06/17/man-of-steel-heavy-on-christian-anti-islamic-symbolism-2/
“Mamma Mia!” oder Würdelosigkeit – Der Film | Weird Fiction
7. August 2013 @ 14:26
[…] DJ Doena bei „Man of Steel“ oder St. Superman gegen die Wissenschaft […]
Robin
4. Oktober 2014 @ 21:01
Ich weiß nicht, ob es dich noch interessiert, aber meines Wissens nach heißt „El“ nach Jerry Siegel und Joe Shuster auf kryptonisch *trommelwirbel* Stern!
Dass die beiden, die sicher hebräisch konnten, eigentlich aber „Gott“ auf dem Schirm hatten, ist definitiv möglich 🙂
Dirk M. Jürgens
4. Oktober 2014 @ 21:21
Das interessiert mich durchaus noch. Danke für die Info! ^^