„Eine Insel namens Udo“ oder Endlich mal nichts zu meckern!
„Eine Insel namens Udo“
(2011) von Markus Sehr
Wer das Fernsehprogramm beobachtet, dem könnte aufgefallen sein, dass Sat1 seit längerem eine endlos scheinende Reihe romantischer Komödien mit fantastischem Element ausstrahlt. Meist geht es um Verwandlungen: Da tauschen Leute die Körper, werden Dünne dick, Schöne hässlich, oder Junge alt. Vermutlich würden diese Filme bestens in die Reihe dessen passen, was ich hier immer verreiße, aber gerade weil das so wahrscheinlich ist, fehlte mir bislang die Lust, sie mir überhaupt anzusehen.
Das wollte ich schon länger mal angemerkt haben, aktueller Anlass ist aber der Film „Eine Insel namens Udo“, der zeigt, wie so ein Film wirklich und richtig gut werden kann und tatsächlich als Behandlung eines fantastischen Konzeptes funktionieren, anstatt es nur als Aufhänger für Fließband-RomCom zu nehmen. Ja, ich sage es hier noch einmal in aller Deutlichkeit: „Eine Insel namens Udo“ ist ein verdammt guter Film!
Unser Held Udo (Kurt Krömer) leidet an einem seltenen Symptom, nämlich dass er für seine Umwelt unsichtbar ist, so er niemanden anspricht oder berührt. Dadurch hat er praktisch kein Sozialleben, ist aber ein legendär erfolgreicher Kaufhausdetektiv und passionierter Mundräuber. Irgendwann begegnet er Jasmin (Fritzi Haberlandt) die ihn sehen kann und deren Liebe ihn später auch für den Rest der Welt sichtbar macht – nun gilt es für ihn, sich in eine Gesellschaft einzufinden, neben der er bislang unbemerkt allein lebte.
Diese reizvolle Grundidee hätte in der Umsetzung ohne weiteres vollständig ruiniert werden können, doch zum Glück entschied man sich für eine trockene und leise Erzählweise, bei welcher der Zuschauer nicht für einen Vollidioten gehalten wird, sondern man ihm zutraut, Gags zu erkennen, die man ihm nicht auf dem Silbertablett und mit Scheinwerfer präsentiert. Allein der Anfang, in dem uns das zentrale Symptom erst in alten Filmaufnahmen erklärt und dann in stummen Szenen aus Udos Alltag illustriert wird, zeigt die behutsame aber treffsichere Inszenierung. Ein überdeutlicher Ich-Erzähler, wie er etwa „Der kleine Mann“ totquatscht hätte die Komik durch Zuschauerverachtung töten können, stattdessen zeigt man uns und lässt uns selbst denken.
Auch andere komödiantische Untugenden werden vermieden. Bin ich der einzige, dem auffällt, wie wenige Pointen in Filmen für gewöhnlich Frauen bekommen? Als mir mein Bruder die DVD-Boxen der an sich tollen Serie „Pastewka“ lieh, zählte ich mit und stellte fest, dass die Freundin des Helden in fünf Staffeln gerade mal drei Gags abbekommt und ansonsten in einer langweiligen straight man-Rolle gefangen ist. Hier nicht! Natürlich ist der Film auf den Sonderling Udo konzentriert, doch auch unabhängig von ihm bekommt Jasmin Lacher zugeteilt und kann so auch Szenen ohne ihn tragen.
Einer der wenigen Freunde Udos ist ein Transvestit, weshalb mir Übles schwante, doch auch hier bewahrte man Haltung und machte ihn nicht etwa zu einer kreischenden Tucke, sondern zu einer recht normalen Nebenfigur, deren „Besonderheit“ im Grunde nicht einmal wirklich bedeutsam war.
Zum letzten Drittel wird auch hier – wie so üblich und von mir gehasst – der Kurs auf ernstere Gefilde genommen, doch anders als in den meisten Komödien, bleibt auch dieser Teil gelungen. Sicher geht die Gagfrequenz herunter (ohne aber ganz abzuebben) und durchaus wirkt manches ein klein wenig gezwungen, aber trotzdem bricht der Film nicht ein. Ja, wenn am Ende der Konflikt durch einen emotionalen Monolog gelöst wird, gibt man sich nicht der Rührseligkeit eines Heinz Rühmann hin (der seine Filme ja gern so beendete) sondern wirft auch hier noch einen ziemlich schrägen Gag ein, um die Spannung zu lösen. Zudem vermeidet man es, in dem Konflikt das platte Sozialkritikerband abzuspielen, welches so viele deutsche Filmautoren stets parat haben. Die Beziehung der Helden und Jasmins Karriere kommen einander zwar ins Gehege, doch deshalb wird weder das Berufsleben an sich, noch ihr schwerreicher Chef dämonisiert. Stattdessen wird angenehm unaufgeregt darauf verzichtet, den Konflikt auf die Spitze zu treiben, oder einen Nebenschauplatz aufzumachen, den der Film nicht braucht.
„Eine Insel namens Udo“ ist kein perfekter Film und auch kein ewiges Meisterwerk der Komödie. Es gibt Details die mich störten, wie etwa eine unpassende Gesangseinlage oder einzelne Momente, in denen die Darsteller zu bewusst komödiantisch spielen, aber das sind Geschmackssachen, die jeder anders sehen kann. In jedem Fall ist es ist eine sauber konstruierte, pointiniert inszenierte und vor allem wirklich komische Komödie, die auch ihre ernsten Momente gefühlvoll meistert und die ich wärmstens empfehlen möchte. Vielleicht hat sie mir sogar den Glauben an den deutschen Film wiedergegeben, so dass ich vielleicht doch die nächste urkomische Sat1-Produktion, in der jemand den Geist mit seinem Schäferhund tauscht ansehen sollte, um diesen Silberstreif wieder vom Horizont zu wischen und mir viele Enttäuschungen zu ersparen.
(Dirk M. Jürgens)
comicfreak
4. Juni 2013 @ 11:23
..jetzt bin ich aber überrascht..