„Der Rote Baron“ oder Der Nazifilm ohne Nazis
„Der Rote Baron
(2008) von Nikolai Müllerschön
In seinem „Lancelot – Ritter der Königin“ verweigert sich Robert Bresson bewusst den Konventionen des Ritterfilms, indem er bei Turnieren nur die Hufe der Pferde zeigt, oder in Schlachten die Figuren mit geschlossenem Visier ununterscheidbar macht, so dass bis heute sogar gestritten wird, wer am Ende gewinnt. Eine Zeit lang dachte ich, Nikolai Müllerschön gehe mit seinem Film einen ähnlichen Weg und habe es sich zum Ziel gemacht, einen Kriegsfilm ohne Kriegsszenen (die ja unfreiwillig immer glamourös werden) zu drehen.
Denn nach einem gelungenen Anfang (in dem der Baron vom Flugzeug aus einen Kranz auf den Sarg eines gefallenen Feindes abwirft) verweigert der Film beharrlich die Flugszenen, wegen derer man ihn eigentlich ansieht. Man erklärt Richhofen, dass der Brite Hawker das größte Fliegerass des Krieges wäre und er diesen besiegen müsse, um zur Legende zu werden und schon in der nächsten Szene steht er an Hawkers zerschellter Maschine. Auch wenn Richthofen später im Kampf verwundet wird, sehen wir nicht, wie es passiert ist, sondern nur seine Landung und auch für seinen Tod wird vom Start des Flugzeugs direkt zu seinem Grab gewechselt.
Es hätte also ein zielgerichteter Ansatz sein können, der in einem Antikriegsfilm, der einen Kriegshelden zur Hauptfigur wählt, durchaus sinnvoll gewesen wäre. Doch da es dann später eben doch die eindrucksvollen, bombastischen und äußerst gelungenen Schlachtenszenen gibt, in denen sich tollkühne Doppeldeckerpiloten gegenseitig vom Himmel holen, scheint es wohl doch eher erzählerisches Unvermögen zu sein. Dafür spricht auch, dass es ansonsten eine recht kunstlose Aneinanderreihung von Klischees bleibt und zuweilen furchtbar unbeholfen Inszeniert wird. Denn dem Problem, wie der Baron – dessen Leistungen nun einmal kriegerische waren – darzustellen, ohne den Krieg zu verherrlichen, begegnete man auf die älteste und unoriginellste Weise überhaupt, indem man eine Liebesgeschichte mit einer französischen Krankenschwester in den Mittelpunkt stellte. Diese ist als Frau natürlich jeder Gewalt abgeneigt (diese alte Lüge ist zu Zeiten der Merkel-Regierung noch falscher als sonst) und öffnet ihm die Augen über die Schrecken des Krieges. Nur schlägt sich das, gebunden durch die Historie, nicht auf sein Handeln nieder. Da zeigt sie ihm die Verwundeten, beklagt die Schrecken des Krieges und er ist davon so betroffen… dass er gleich die nächste deutsche Großoffensive leitet. Er monologisiert oft und gern, aber viel Sinn kommt dabei nicht zusammen. Er scheint sich ob seiner Symbolwirkung in der Pflicht zu sehen, aber was er symbolisiert, scheint er nicht zu überdenken.
Spätestens, wenn er dann dem Kaiser dringlich zur Kapitulation rät, oder sich sein Bruder als fanatisch an den Endsieg glaubend entpuppt, fällt auf, dass man diese Geschichte um einen relativ sauberen, aber eben heute nicht mehr zeitgemäßen Helden des 1. Weltkrieges nach dem abgenudelten Erzählmuster des Nazifilms erzählt. Zur Weißwaschung unseres Barons gibt man ihm dann auch noch einen fiktiven jüdischen besten Freund, der einen Davidstern auf seine Maschine gemalt hat. Die meisten, offscreen abgehandelten Todesfälle seines Geschwaders nimmt Richthofen recht ungerührt hin, doch hier wird er auf einmal emotional, wirft sich über den Gefallenen und bricht in Tränen aus. Eine Schrifttafel am Ende des Films erklärt uns, wie viele Juden im kaiserlichen Heer gekämpft hätten und dass dieser symbolisch für sie alle stünde – dass man ihn bequem nutzt, um den zweifelhaften Helden besser zu stellen, merkt man nicht an. Man kann sich also an den legendären jüdischen/schwarzen/ausländischen/schwulen Freund erinnert fühlen, den Leute gerne anführen, bevor sie sich gegen eben diese Minderheit äußern. Im Grunde genommen ist der hier fröhliche, respektlose und meist zivil tragende Querkopf Manfred von Richthofen, der den Krieg nicht achtet und Patriotismus verlacht die gleiche Projektionsfigur, wie die Helden des späteren Entschuldigungsfilms „Unsere Mütter, unsere Väter“.
Das erzählerische Unvermögen und dieses feige Schielen auf den aktuellen Geschmack sind besonders deshalb bedauerlich, weil der Film teils in anderen Belangen höchst gelungen ist. Matthias Schweighöfer füllt die Hauptrolle gut aus, ein schnauzbärtiger Axel Prahl ist das perfekte Bild eines wilhelminischen Offiziers und auch mein spezieller Freund Til Schweiger, den man krampfhaft, obwohl er zu alt ist, in die junge Fliegertruppe gequetscht hat, stört nicht weiter. Die Effekte sind tadellos und wenn es denn mal wirklich Krieg zu sehen gibt, braucht der sich vor den Schlachten aus Hollywood-Filmen nicht zu verstecken. Das Problem beginnt jedoch schon damit, dass diese bloße, unübersichtliche Massengefechte sind, in denen ein besonderes Können Richthofens nicht auszumachen ist. Sein Kriegsheldentum selbst wird also ständig behauptet, aber nicht wirklich gezeigt. Der Film hätte wirklich Potential für einen Klassiker gehabt, könnte er sich nur entscheiden, ob er den Mythos des Roten Barons erzählen, oder dekonstruieren will. Stattdessen hat man ein unschlüssiges, unstimmiges Klischeefest voll Sorge um Zeitgeist und politische Korrektheit produziert, welches vor allem die geistige Lähmung und Uniformität des deutschen Historienfilms zeigt.
Und Snoopy kam auch nicht vor.
(Dirk M. Jürgens)