Robert A. Heinlein: „Die Reise in die Zukunft“
Robert A. Heinlein: „Die Reise in die Zukunft“ (1964)
(dt. Ausgabe/Heyne. Originaltitel „Farnham’s Freehold“) Science Fiction
Als Phillip K. Dick in einer Krise war, schenkte ihm sein Freund Robert A. Heinlein ein Notizbuch, in dem er lauter Ideen für Geschichten hatte, die er selbst nicht umsetzen wollte, da er genug weitere hatte. Das ist rührend und grundsympathisch!
Ist, der hier in doppelter und mit einem Comic gewürdigte „Starship Troopers“ vielleicht doch nur eine seltsame Verwirrung im Werk eines sonst ganz netten Kerls? Nun – nach der Lektüre dieses Romans, glaube ich diese Interpretation verwerfen zu können.
Die Geschichte beginnt bei einem Abend mit Freunden im Hause Farnham. Grace, die Frau des Patriarchen Hubert ist Alkoholikerin, was nicht nur schlecht für sie, sondern vor allem eine Unverschämtheit gegenüber ihrem Mann ist, denn: „Was hatte diese Frau für ein Recht, heimlich zu trinken, fett zu werden und sich gehenzulassen, wenn sie so einen Mann besaß?“
Eine weitere ihrer Verfehlungen ist es, Hubert stets davon abgehalten zu haben, ihren Sohn Duke zu schlagen, so dass er nun als Erwachsener doch tatsächlich so unfassbar naiv ist, die Russen für Menschen und noch dazu vernunftbegabt zu halten und entsprechend nicht mit ihrem unprovozierten atomaren Erstschlag zu rechnen.
Genau dieser erfolgt aber und nur dank Huberts Bunker überlebt die bunt gemischte Gesellschaft. Apropos bunt: Der schwarze Diener Joseph ist ab sofort kein bezahlter Dienstbote mehr, sondern ein Mieter, der seinen Platz im Bunker abzuarbeiten hat. Woher dieser Statuswechsel? Hubert, der starke, aufrechte Mann von echtem Schrot und Korn ordnet ihn an, denn sogleich erklärt er, wer im Notfall das Sagen hat: „Der mit der Waffe in der Hand.“
Diese Waffe wird auch sogleich benötigt, da Duke darauf besteht, seinen Anweisungen zu folgen, wenn er sie als richtig erkennt (was er bislang tut) nicht aber als blinder Befehlsempfänger. Unser Held Hubert befiehlt Joseph, den (theoretisch) abtrünnigen Sohn zu erschießen, so er sich nicht sofort unterwirft, was dieser unter Druck auch tut. Doch aus unverständlichen grollt der der verkorkste Sohn seinem Vater nun. Als nächstes wird Heinleins FKK-Zwang gefolgt und – ebenfalls mit einer Kugel als Alternative – allgemeines Entkleiden ob der Hitze angeordnet. Demokratie SCHTONK!
Um gleich zu demonstrieren, wie wenig ein wahrer Mann sich um Zusammenhänge schert, ist Farnham übrigens Katzenfreund, der Hunde ob ihres unterwürfigen Wesens verabscheut, da ihn schon „die geringste Andeutung von Sklaverei verrückt“ macht. All das, während er allein über Leben und Tod, sowie den Kleidungszustand aller entscheidet.
Durch einen Fall von SF-Wissenschaft wird der Bunker um Jahrtausende in die Zukunft geschleudert und in dieser neuen Welt kann Farnham beginnen, eine bessere Gesellschaft aufzubauen. Das heißt natürlich, dass überkommene Regeln verworfen werden müssen, wie etwa das Inzestverbot. Es kann doch nicht angehen, dass sich der kleine Rest der Menschheit nach Stimmung und Gelüsten fortpflanzt, anstatt dass etwa der vorzügliche Mann Farnham mit seiner würdigen Tochter einen höherwertigen Menschen zeugt – auch ihr gefällt der Gedanke, ist ihr Papa doch der beste.
Es kommt aber nicht mehr dazu, stattdessen werden sie bald alle von der neuen Zivilisation, die diesen Planeten jetzt beherrscht eingefangen und versklavt. Hier erklärt sich auch, warum Duke (der sonst die Gefahr barg, sympathischer als der Diktator Farnham zu wirken) ständig rassistisches Zeug von sich gibt, denn die neuen Herren der Erde sind Farbige.
Farbige, welche die Weißen versklaven, ihre Männer (so nicht zur Zucht bestimmt) kastrieren, mit ihren Frauen (die bei ihnen „Bettwärmer“ heißen) schlafen und bei denen Menschenfleisch ein Hauptbestandteil ihrer Speisekarte ist.
Ich wiederhole: Heinlein wirft ein paar „Nigger sagt man aber nicht!“-Nebelkerzen, um behaupten zu können, kein Rassist zu sein, um dann eine einzige Angstphantasie über die lüsternen, menschenfressenden Neger, welche die weiße Männlichkeit bedrohen, zu erzählen.
Wenig überraschend verrät Joseph seinen gutherzigen Arbeitgeber/Vermieter bald an sie und Duke lässt sich kastrieren, um ein bequemes, würdeloses Leben als Sklave zu haben. Alles mit Zustimmung seiner Mutter, die inzwischen Sexspielzeug eines Adeligen ist, der, wie für seine Rasse typisch, begeistert von ihrer Fettleibigkeit ist. Grace war es, die für Dukes anfängliche Verweichlichung verantwortlich war, indem sie ihm die männliche Strenge vorenthielt, die ja notwendig ist, um ein kluger und moralischer Mensch zu werden. All das wurde ja ebenso schon in „Starship Troopers“ ausgeführt, wo Rico, wäre er dem Rat seiner Mutter gefolgt, ein Opfer der Bugs, statt eines Kriegshelden geworden wäre.
Farnham würde den Tod dieser Demütigung natürlich vorziehen und wagt die Flucht. Mit einer aus dem Hut gezauberten Zeitmaschine und einer angemessen jüngeren Frau reist Farnham schließlich in die Zeit vor dem Krieg zurück, um Vorbereitungen für einen männlichen, weißen Wiederaufbau zu treffen, auf dass die schwarze Schreckensherrschaft nie eintreten möge.
Dass Heinlein einer der großen Klassiker der SF ist, kann niemand bestreiten. Dass es in der deutschen Wikipedia aber gerade mal heißt, er sei Libertarist gewesen und die „Ansichten und Werte seiner Zeit“ und seine „militärischen Erfahrungen“ hätten sein Werk stark beeinflusst, befremdet jedoch. Himmel! Selbst im Artikel zum kurz nach Erscheinen des Romans ausgestrahlten „Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffs Orion“ wird erwähnt, dass zeitgenössische Kritiker die Serie als faschistoid bezeichneten. Bei Heinlein, der einen Gewaltherrscher im Kampf gegen erst die (politisch) rote, dann die (rassisch) schwarze Gefahr, sowie Verräter an der Männlichkeit verherrlicht, kein Wort darüber?
Ich kenne mich trotz unerquicklicher „Atlas Shrugged“-Lektüre nicht genug mit dem Libertarismus aus, als dass ich jetzt eine große Debatte führen könnte, wo dessen Grenzen und Unterschiede zum Faschismus liegen, aber ich möchte ein paar Überlegungen zitieren, die Farnham im zweiten Kapitel in seinem Bunker anstellt:
„Barbara, so traurig bin ich gar nicht über das, was geschehen ist. […] Dieser Krieg wendet das Blatt vielleicht. Denn zum erstenmal in der Geschichte werden nicht die Tapfersten und Klügsten getötet. […] bisher haben die Kriege immer am schrecklichsten unter den jungen starken Männern aufgeräumt. Die Jungen, die diesmal beim Militär stecken, sind verhältnismäßig sicher. Und die Zivilisten, die Köpfchen genug hatten, sich gegen den Krieg zu rüsten, dürften eher durchkommen als die anderen. Im Durchschnitt jedenfalls. Das wird die Spezies verbessern. Aber das ist noch nicht alles. Kannst du dir vorstellen, was für Kämpfe uns erwarten, sobald wir die Bunker verlassen können? Zerstörtes Land, Hungersnöte, radioaktive Verseuchungen… Nur die Stärksten werden es schaffen.“
Mag es Libertarismus, Sozialdarwinismus oder sonst etwas sein. Ungeachtet des Labels, weiß ich, was ich von derartigem Gedankengut und denen, die es propagieren, halte.
(Dirk M. Jürgens)
heino
14. April 2013 @ 22:17
Heinlein ist echt ein schwieriges Thema. Bei „Starship Troopers“ wird ja gerne übersehen, dass im Roman tatsächlich in einem Nebensatz erwähnt wird, dass die Menschen den Krieg angefangen haben, während der Film das komplett unterschlägt. P.K. Dick, der ja ein guter Bekannter von Heinlein war, vertrat die Ansicht, dass dieser nur schreiben würde, was seiner Meinung nach Erfolg versprechen könnte. Dem steht aber die generell reaktionäre Aussage vieler seiner Romane (z.B. Puppet Masters oder The Moon is a harsh mistress) und die Tatsache, dass er die Hippies, deren esoterische Phantasien er mit „Stranger in a strange land“ bediente, zutiefst verachtete und auch tatsächlich auf sie schoß, als sie zu seinem Haus pilgerten. Ich kann seinen Kram nicht mehr lesen, weil die meisten seiner Bücher auch nicht gut geschrieben sind, aber als Vertreter der Abenteuer-SF ist er nach wie vor bedeutsam, wenn auch thematisch fragwürdig.