„Unsere Mütter, unsere Väter“ oder Im Zweiten nichts Neues.
„Unsere Mütter, unsere Väter“
(2103) von Philipp Kadelbach
Es gibt Filme, bei denen ist es schwer, unvoreingenommen heranzugehen und es gibt andere, bei denen es zulässig sein mag, es gar nicht erst zu tun. Dieser Dreiteiler, mit dessen Titel das ZDF offen zugibt, welche Zielgruppe es hat, ist wohl ein solcher Fall. Er wurde produziert von Nico Hofmann, dem wir auch „Dresden“ und „Rommel“ verdanken und der demnächst auch einen Film über Leni Riefenstahl machen wird und Teil der Fließband-Nazifilmproduktion, deren dokumentarischer Flügel von Guido Knopp beherrscht wird.
Entsprechend werden seine tatsächlich vorhandenen Qualitäten immer wieder von dem Eindruck überdeckt, das alles schon gesehen zu haben. Die grün-graue Optik des Dritten Reiches (aufgelockert nur durch das Rot der Hakenkreuzflaggen und des trotz früher Sendezeit reichlich vergossenen Blutes), die eingeschnittenen Dokumentaraufnahmen und auch ein großer Teil der Dialoge sind nicht von einer spezifischen Quelle abgekupfert, sondern allgemeiner Bestandteil des Genres.
Auch inhaltlich bleibt alles auf festen Schienen. Man kennt die Konflikte und Figuren und für echte große Gefühle ist wenig Platz, da ja auch die Reaktionen festgelegt sind und man um Himmels Willen nichts Kontroverses sagen will. Schließlich fühlt man sich seinem Lehrauftrag verpflichtet und will ohne große Reflexionen oder gar Gegenwartsbezüge nur oft gesagte Lektionen wiederholen. Wie Ekkehard Knörer zutreffend sagt: „Das hat mit Didaktik alles und mit Kunst nichts zu tun.“
Zu Handlung: Fünf Freunde (einer Jude, zwei weiblich, die anderen beiden Brüder) leben 1941 unbeschwert im Dritten Reich, stellen dann aber bald fest, dass der Krieg unheroisch und das Regime verbrecherisch ist.
Als erzählerisches Stilmittel wohl zulässig, aber dennoch unfreiwillig komisch ist, wie oft sie sich dabei über den Weg laufen: Mag einer von ihnen auf der Flucht, eine andere Schlagersängerin und wieder ein anderer Frontsoldat sein, ob im Lazarett, bei der Truppenbetreuung oder als Gegner im Partisanenkampf läuft man sich alle halbe Stunde mal wieder über den Weg. Die Ostfront war wohl ein Dorf.
Dies wäre weniger schlimm, würde es für Konflikte und Kontraste der verschiedenen Personen und Positionen genutzt, doch das findet kaum statt. Überhaupt ist das Innenleben der Protagonisten erstaunlich leer. So denunziert die Krankenschwester eine jüdische Kollegin, die nicht nur ihre Freundin ist, sondern ihr auch enorm bei der Arbeit hilft, aber warum tut sie es? Zuhause ist ein guter Freund von ihr Jude und man hat sie nie etwas Antisemitisches äußern lassen. Ist es ihre reine Gesetzestreue? Solche, heute bizarr scheinenden Fälle sind überliefert, sie näher zu betrachten hätte Potential gehabt, man hätte es nur eben irgendwie ausführen müssen.
Aber für einen Film, der mit seinem Titel angibt, keine Einzelschicksale, sondern eine ganze Generation zu portraitieren, ist „Unsere Mütter, unsere Väter“ doch sehr zurückhaltend, was die Verstrickung seine Figuren in Schuld angeht. Obiges Beispiel wird durch das nie begründete Überleben der Jüdin relativiert (vielleicht hat die SS ihr nur eine Verwarnung gegeben, in Zukunft nicht mehr so jüdisch zu sein?) und wenn einer unserer Soldaten einen russischen Kommissar exekutiert, so natürlich im Befehlsnotstand. Sein Bruder hat die Idee, die Kriegsgefangenen beim Minenräumen zu verheizen, aber damit es soweit kommt, hat man ihn erst im „Full Metal Jacket“-Stil brechen lassen.
Denn die Nazis, da ist sich der Film sicher, sind die anderen!
Um sie klar von den Eltern der Zielgruppe abzugrenzen, sind sie natürlich keine auch nur ansatzweise runden Figuren, sondern durch und durch böse Pappkameraden. Der ölige Gestapo-Mann, der nebenbei seine Frau betrügt und keine persönlichen Absprachen einhält, der SS-Offizier, der Bonbons kaut, während er Kindern in den Kopf schießt und der Anführer des Bewährungsbataillons, der sich nur schreiend ausdrücken kann, grundlos seine Untergebenen würgt und niederschlägt und jeden um sich herum psychotisch säuselnd befummelt. Das waren die Schurken, welche all die schlimmen Dinge getan haben!
Denen legt man darum auch die Endsieg-Phrasen in den Mund, an die unsere Helden, die alle früher oder später wehrkraftzersetzend tätig werden, natürlich nicht glauben. Es ist also noch nicht einmal eine Geschichte von Verführung, wie Bernhard Wickis „Die Brücke“ (den ich persönlich übrigens nicht für apologetisch, sondern eben nur auf einen einzelnen Aspekt konzentriert sehe), sondern von direktem physischem Zwang.
Wir sehen (mit Ausnahme eben der Landminenszene, aus der aber nichts weiter folgt) keine Verrohung und keine Menschen zu Verbrechern werden, auch wenn sie es sich reumütig immer wieder eingestehen. Im SPIEGEL-Interview verweist Hofmann übrigens auf seine eigenen Eltern als Zeugen für die Authentizität des Films, was zu kommentieren mir hier müßig erscheint.
Die einzigen ambivalenten Figuren sind die polnischen Partisanen, die ebenfalls nicht unbedingt Freunde der Juden sind und nur aus nationalistischen Gründen kämpfen. Das hätte an sich ein Pluspunkt sein können, im Kontrast zur Deutschendarstellung hier wirkt es aber etwas fragwürdig.
„Unsere Mütter, unsere Väter“ ist nicht schlecht. Nur eben ziemlich flach und unoriginell. Immer wieder bietet sich die Chance, an Tiefe zu gewinnen, doch dann scheut er zurück und erliegt stattdessen dem Reiz, auf einfache Filmtricks zurück zu greifen. So sind seine Kriegsszenen gelungene Filmaction, doch wenn ein Protagonist in den Rambo-Modus schaltet und sich allein und ohne Deckung durch die Russenheere kämpft, wirkt es gewaltig deplatziert innerhalb dessen, was der Film sonst zu sein versucht.
Deutlichstes Beispiel einer verpassten Chance ist für mich das Ende des ersten Teils, wenn in einer gelungenen Montage die fünf Freunde in ihrer jeweiligen Lage gezeigt werden, unterlegt von einem melancholischen Lied der Sängerin. Hier kommt einmal Gefühl auf und kurz wird der Eindruck eines Panoramas erreicht und es hätte der perfekte Abschluss für diesen Teil werden können. – Doch nein: es werden noch ein paar Minuten herangepappt, in denen einer der Helden scheinbar erschossen wird (in den Anfangsminuten des zweiten Teils bereits aufgeklärt), damit man einen billigen Cliffhanger hat. Die Fernsehkonvention siegt über künstlerische Qualität und so ergibt sich eine Miniatur des Problems, welches den Film als Ganzes, wie so viele seiner Kollegen in der Durchwachsenheit hielt.
(Dirk M. Jürgens)
comicfreak
22. März 2013 @ 16:43
..vielen Dank. Ich wusste, du hättest mehr dazu zu sagen als die üblichen Jubler 😉