„Tatort: Willkommen in Hamburg“ oder Ein Problem namens Schweiger
„Tatort: Willkommen in Hamburg“
(2013) von Christian Alvart
Bevor ich den, in der Presse ja schon im Vorfeld heiß umstrittenen ersten „Tatort“ Til Schweigers einschaltete, hatte ich mit dem Gedanken gespielt, meine Kritik schon vorher zu schreiben und dann nur noch die Punkte zu ergänzen, in denen ich dann doch falsch lag. Ich hätte es mal tun sollen, denn der künstlerische Stillstand Schweigers war so absolut wie erwartet.
Vorausgeschickt sei, dass sich „Willkommen in Hamburg“ tatsächlich vom „Tatort“-Einerlei unterschied, welches sonst oft in reinem Aktengewühle erstickt und meist dröge und überraschungsfrei abläuft. Die so vollmundig angekündigte Action war nicht sonderlich spektakulär, aber für ihre Preisklasse ganz in Ordnung; der von mir geschätzte Alvart beherrscht eben sein Handwerk. Das zweite große Problem der Reihe nahm man dafür vollkommen mit, da die selbsternannte Stimme des Volkes Schweiger es sich natürlich nicht nehmen ließ, dramatisch und sozialkritisch über das Übel des Menschenhandels zu monologisieren, um dem Film den Anstrich zu geben, irgendwie wichtig zu sein.
Doch wenn nur eines der beiden Übel der Reihe erfüllt wird, ist es dann nicht auch schon eine Verbesserung? An sich ja, doch dafür wird ja ein neues, noch fataleres eingebracht. Denn das Standbild steht nun einmal auf schweigernen Füßen. Nahezu alles, was an dem Film missraten war, ließ sich direkt oder indirekt auf Til Schweiger zurückführen.
Schon gleich nach der Schießerei zu Anfang beginnt er, all das abzuhaken, was er in jedem seiner Filme wiederkäut. Er ist der Härteste der Harten, kontrastiert es aber mit familiärer Überforderung (hier in Form seiner realen Tochter Luna, die leider sein schauspielerisches Unvermögen ebenso wie sein Nuscheln geerbt hat). Der gelegentlich eingestreute Humor ist quälend, schlecht dargebracht und kreist bevorzugt um ungelenke Anzüglichkeiten und auch Darmgase werden erwähnt.
Wie immer leistet Schweiger sich einen Bimbo-Charakter, der ihm hilft, durchaus was kann, aber stets zu ihm aufzuschauen hat, weil niemand so geil wie Schweiger sein kann. In „Keinohrhasen“ war es Matthias Schweighöfer, in „Schutzengel“ Moritz Bleibtreu, hier Fahri Yardim, der (wie letzterer) die meiste Zeit angeschossen im Bett oder im Rollstuhl verbringt, also gewissermaßen ohne Unterkörper entmännlicht ist, um seinem Meister keine Konkurrenz zu bieten. Frauen sind (bis auf die Tochter, die ihm wiederum seine Großartigkeit bestätigt) vor allem Probleme: Weil seine Ex-Frau die abstruse Idee hatte, einen Job in Hamburg anzunehmen, statt für ihn am Herd zu stehen (natürlich besteht ein sehr vorhersehbarer Handlungsstrang darin, dass er auch das Wunder des Kochens selbst erlernt), musste auch er nach Hamburg ziehen, um für seine Tochter da zu sein. Und natürlich versteht er diese Tochter viel besser, als dieses unweibliche Karriereding, welches ihm nicht ausreichend dafür dankt, von ihm geschwängert worden zu sein. Eine alte Freundin hat mit seinem ehemaligen Partner (wie gesagt, niemand darf mit Schweiger auf Augenhöhe bleiben) die Seiten gewechselt, versucht eine Kollegin auch nur eine Zeugin abzuholen, versagt sie natürlich kläglich und die weltfremde arrogante Staatsanwältin ist natürlich eh eine dumme Pute, welche den Helden nur in seiner Arbeit behindert.
Letztere ist dabei natürlich doppelt schuldig, weil sie nicht nur weiblich, sondern auch Vertreterin des Gesetzes in dem Film ist. Und das ist natürlich, wie Stammtischheld Schweiger weiß, nicht viel mehr als ein Werkzeug des Täterschutzes. So hat unser neuer Kommissar in der Vergangenheit schon Selbstjustiz geübt, darf auch hier erklären, dass die schnellen Tode, die er austeilt viel zu gnädig sind, einen am Boden Liegenden treten und am Ende noch eine Scheinhinrichtung vollziehen. Alles nicht etwa als dunkle Seite der Figur inszeniert, sondern gerade als Beweis seines am rechten Fleck sitzenden Herzens. Schließlich geht es gegen türkische Menschenhändler und da wäre Rechtstaatlichkeit fehl am Platze. So kann sich auch sein Vorgesetzter schließlich noch als einer von den Guten erweisen, indem er ein Beweisstück vernichtet, welches den Strahlemann belasten könnte.
Wenn dieser dann am Ende die Zwangsprostituierten befreit und sie ihm in einer Zeitlupenszene aus dem Dunkel eines Lagerhauses in Licht und Freiheit folgen, wird deutlich, was der positive Gegenentwurf des Films zu dieser sinnlosen Bürokratie ist: Ein starker Führer, der niemanden Rechenschaft schuldig ist und anschließend seine weiche Seite zeigt, indem er seiner Tochter Frühstück macht.
Vielleicht ist Til Schweiger trotz seines ernormen und enorm unverdienten Erfolges irgendwie auch zu bemitleiden, bedenkt man, dass er offenbar in die falsche Zeit geboren wurde. Was für ein Filmstar hätte er in den 20ern sein können! In der Desorientierung der Weimarer Republik hätte man den großen Einzelnen als Verkörperung männlicher Werte noch geschätzt, seine Bimbos hätten tatsächlich schwarz geschminkte Weisse können, Achtung für Frauen hätte er nicht heucheln brauchen und da der Tonfilm noch nicht erfunden war, hätte auch sein Genuschel nicht gestört.
Dass die Quoten heute Abend explodiert sein werden, dürfte aufgrund der vorhergehenden Debatte fest stehen. Nun ist abzuwarten, ob das egomane Trauerspiel als solches erkannt wird, oder ob die weibliche Zielgruppe weiterhin ausreichend Unterstützung für ihren narzistischen Chauvi aufbringt, um ihm weitere Einsätze zu ermöglichen. Wenn man – ohne Schweiger zu sein, denn der darf es natürlich, wie er ja gerade wieder gezeigt hat – deshalb auf sie herabsieht, kann sie ja den nächsten #aufschrei starten.
(Dirk M. Jürgens)
Mark Avedisian
11. März 2013 @ 1:23
Wir können natürlich zu Gustl Bayrhammer als Tatortkommissar, nein, oder am besten zum guten alten Derrick zurückkehren, das war ja noch richtig bodenständige öffentlich rechtliche Krimiunterhaltung zum Feierabendbierchen, richtig schön spiessig, schafft die ARD leider immernoch, vor allem am Freitagabend, nun gut auch die gebührenzahlende Omi muss ja zufrieden gestellt werden…. Til Schweiger ist ein toller Schauspieler, und dürfte glücklicherweise genügend Selbstbewusstsein gegenüber Kritikern haben, die sich das Fernsehen aus den siebziger Jahren zurückwünschen!!
henrik
11. März 2013 @ 11:15
Ach, viel zu viele tiefgründige Gedanken zu ´nem Tatort.
Er hat ehrheblich mehr unterhalten als die meisten anderen Folgen der Serie, hatte einige gute (wenn auch vielleicht nicht beabsichtigte) Lacher und hatte, im besten Sinne der Unterhaltung, Ami- Niveau.
Das Schweiger kein Super-Schauspieler ist, sonder eher Charakter-Darsteller, der eben nur sich selbst spielen kann…nu´, was solls, das macht er doch besser als jeder andere.
Dirk M. Jürgens
11. März 2013 @ 12:09
@Mark Avedisian:
Gustl Bayrhammer? Derrick? Fernsehen der Siebziger?
Irgendwie finde ich nicht wirklich Sehnsucht danach in meiner Kritik. Der Punkt von oft drögen und überraschungsfreien „Tatort“-Einerleid deutet auch nicht gerade in diese Richtung.
Aber ein solches, halt an meinen Ausführungen vorbei gehendes Totschlagargument ist natürlich handlicher, als auf meine Punkte (künstlerischer Stillstand, plumper Humor, fragwürdige Ideologie) einzugehen.
@henrik:
Ami-Niveau? Nee… das sehe ich da nicht.
Dass er gerade durch die unfreiwillige Komik keineswegs langweilig war, will ich nicht leugnen und das ist beim „Tatort“ ja leider keine Selbstverständlichkeit, aber solange wir Langeweile durch Dämlichkeit ersetzen, bin ich mit dem Tausch noch immer nicht zufrieden.
Sebastian Kempke
11. März 2013 @ 12:50
Schade, daß es offenbar nicht vorraussetzt ist, die Kritik gelesen zu haben, um ihr zu widersprechen, wie man an Herrn Avedisians Argument durchaus sehen kann.
So nehme ich mir denn auch die Freiheit heraus, der Filmkritik zuzustimmen, ohne jedoch den Tatort gesehen zu haben. So einfach ist das 🙂
Ubrah
11. März 2013 @ 14:37
Der Tatort reiht sich in die lange Reihe der Tatorte ein, die schon durch Till Schweiger zu einem Tatort wurden. Eigentlich ist Till Schweiger ein Serien-Filmmörder.
Und dieser Tatort ist genauso dröge, genauso langweilig, überspielt die Langeweile aber „gekonnt“ mit präpubertärer Komik, Vater/Tochter-Momenten und ist mehr eine Art Bastard aus einem schlechten Actionfilm(die „Namen“ der Protagonisten) und einem langweiligen deutschen TV-Film mit Till Schweiger.
Und im Grunde, kann man sehr wohl die verschiedenen Elemente(Krimi-, Action, etc.) kombinieren, wie’s zum Beispiel Martin Scorsese mit „Departed“, „Boardwalk Empire“ bewiesen hat, auch wenn der Vergleich etwas hinkt.
btw: Schönes Review, sauber abgerissen, hoffentlich werden die folgenden Episoden weiter verrissen.
heino
11. März 2013 @ 16:08
„Das Schweiger kein Super-Schauspieler ist, sonder eher Charakter-Darsteller, der eben nur sich selbst spielen kann…nu´, was solls, das macht er doch besser als jeder andere.“
Charakterdarsteller werden nicht so genannt, weil sie nur den eigenen Charakter auf der Leinwand verkörpern. Von diesem Etikett kann Schweiger wirklich nur träumen, denn dann hätte er die Klasse eines DeNiro oder Hopkins
Peroy
14. Mai 2013 @ 20:48
Christian Alvart ist ein größeres Ärgernis als Schweiger.