Richard Laymon: „Das Grab“
Richard Laymon: „Das Grab“ (1989)
(dt. Ausgabe/Heyne. Originaltitel „Resurrection Dreams“) Horror
Wenn Brian Keene das literarische Horror-Fast Food ist, welches man Stephen King früher zu sein zuschrieb, ist er noch immer ein leckerer Cheeseburger mit Spezialsoße. Der bei ihm in den Danksagungen stehende Richard Laymon eher eine Portion pappiger, übersalzener Pommes von einem fahrbaren Imbissstand, die zwar auch den Hunger stillen, aber Bauchschmerzen verursachen.
Dieser Roman (in dem übrigens kein Grab vorkommt, aber deutsche Verlage lieben kurze, vereinheitlichte Titel bekanntlich mehr, als den Fusel, der sie durch den Tag bringt) handelt von der Ärztin Vicki und dem in sie verliebten Tankwart und Außenseiter Melvin. Er ist schmierig, hässlich und geisteskrank (also… Melvin, nicht der Roman… obwohl… der auch) und zudem ein Serienmörder, der das Ziel hat, sich Zombies zu erschaffen. Ohne dass es im Roman als etwas Außergewöhnliches dargestellt wird, gelingt es ihm schließlich tatsächlich, Tote mittels eines nicht näher mythologisch ausgearbeiteten Rituals wieder zu erwecken und dann gibt es diverse Sexszenen und Splatter.
Dass Laymon es nicht schafft, ja nicht einmal versucht, ein so großes, weltbewegendes Ereignis wie die Wiedererweckung Toter irgendwie hervor zu heben, ist schon ein ausreichender Offenbarungseid seiner schriftstellerischen Fähigkeiten, aber tatsächlich nicht das größte Problem des Romans.
Auch die himmelschreiende Dämlichkeit, mit der nahezu alle Figuren des Romans geschlagen sind, ist nicht das größte Problem. – Dennoch sei von dieser kurz mein Lieblingsbeispiel gebracht: Ein Mann wurde ermordet, die Ärztin vermeldet der Polizei, dass Melvin, der sozial gestörte Typ, der mehrere Jahre wegen Leichenschändung in der Psychiatrie war, am Vorabend der Tat gedroht hat, das spätere Opfer umzubringen. Man nimmt es aber nicht zur Kenntnis, weil die Zeugin ja eine Frau ist. Of course!
Doch besagtes größtes Problem ist die Lüsternheit, die den ganzen Roman erfüllt.
Gleich am Anfang befummelt ein Typ eine Verkehrstote, ohne sich an ihrem fehlenden Kopf zu stören. Wie wohl jeder Leser nahm ich an, dass dies noch wichtig würde, dass wir hier den Weg einer später zentralen Figur in die Nekrophilie miterleben… aber dem ist nicht so. Der Kerl tauch noch zweimal am Rande auf, hat vielleicht noch drei Sätze Text und ist nirgendwo auch nur ansatzweise handlungsrelevant. Was hier passiert ist, erscheint Laymon wohl so normal und alltäglich, dass es keiner weiteren Erläuterung bedarf. Was, wie erwähnt, auch für die Auferstehung der Toten gilt, die reichlich oft auftreten, mit ihrem Meister Melvin reden, aber nie etwas über ihre Hintergründe mitteilen. Sie haben nicht mehr die Erinnerungen ihres Lebens, fressen Menschenfleisch und wollen alles und jeden vergewaltigen. Wenn unsere Heldin den Schändungsversuchen ihrer verstümmelten Körper entkommen kann, macht sie das gleich so spitz, dass sie es mit einer Nummer mit ihrem Freund feiern will. Die Anzahl der Bettgefährten ihrer Mitbewohnerin ist bald aus dem Bereich des Zählbaren entschwunden (und wird auch nicht durch ein paar spätere entstellende Narben vermindert), weshalb ich sie hier gar nicht erst zu schätzen versuchen will.
Doch es sind nicht nur die Figuren, auch Laymon selbst schreibt, wie „Blutschwestern“ inszeniert war. Ständig ziehen sich alle Frauen des Buches um und jedes Mal führt er detailliert aus, welche Körperteile dabei ver- und enthüllt werden, wie ihre Brustwarten darauf reagieren, dass jetzt Stoff über sie gezogen wird und wie das Hinsetzen zum Anziehen der Schuhe die Hinterbacken verformt. Durch diesen Tick gilt der Kleidung der Figuren wesentlich mehr Aufmerksamkeit, als etwa dem Horroranteil des Buches. Zudem hilft es nicht gerade, unsere Heldin ernst zu nehmen, wenn ihr die Brüste öfters raus fallen, als einer Busladung weiblicher C-Promis, wenn sie Paparazzi wittern.
Ich weiß, dass Eros und Thanatos ein wirksames Gespann bieten können, aber hier wird nicht, wie etwa bei Clive Barker, der Horror sexuell aufgeladen, hier herrscht einfach eine allgemeine Lustmolchigkeit, welche alles, was das Buch eventuell bieten könnte, überwuchert und erstickt.
Zusätzlich unangenehm die Zeichnung Melvins, der immer wieder als, von Kindheit an unterdrückter Außenseiter betont wird und dessen Geschichte seiner Ausgrenzung ja auch völlig recht gibt. Eine große Charakterisierung erfährt er nicht – er ist halt geil und möchte Sex-Zombies und zudem noch Vickie. Der Grund, dass er von ihr besessen ist und sie den diversen Schrecken aussetzt, ist, dass sie als einzige früher nett zu ihm war. Tatsächlich bereut sie es auch und lernt also, dass man die Unterdrückten zu Recht unterdrückt. Falsche Rücksichtnahme, wie im geschilderten Dummheitsbeispiel von der Polizei verstärkt nur das Problem, welches die Andersartigen für unsere Gesellschaft darstellen
Glaube ich, dass Laymon das tatsächlich so sagen wollte? Natürlich nicht. Ich traue diesem klotzköpfigen Groschenroman tatsächlich keinerlei Intention zu, als seinem Autoren einen neuen Rekord im einhändigen Schreiben aufstellen zu lassen.
(Dirk M. Jürgens)
heino
27. März 2013 @ 10:17
Von Laymon habe ich letztes Jahr den Roman „Der Pfahl“ gelesen. Was auf dem Cover nach beinhartem Vampirhorror klang, entpuppte sich als verhinderter „Missbrauch von Minderjährigen“-Thriller, der nur durch den strunzdoofen Endtwist noch in Richtung Horror kippte, das allerdings auf fürchterlich kitschige Weise. Und auch in diesem Buch hat man den Eindruck, dass Laymon während des Schreibens immer mit einer Hand im Genitalbereich zugange war. Gleich 3 Personen denken die ganze Zeit nur an Sex und Laymon ergeht sich äusserst ausführlich in der Schilderung ihrer Phantasien, die alle gerne pervers und erschreckend wären, aber eigentlich nur peinlich verklemmt sind.
Dirk M. Jürgens
27. März 2013 @ 12:29
Ah, das passt also ins Bild! Von „Die Insel“ habe ich so ziemlich das gleiche gehört.
heino
27. März 2013 @ 14:30
Es gab mal bei sf-fan.de eine Diskussion zu Laymon, in der sich sehr viele Leute so über seine Bücher geäussert haben. Scheint ein generelles Problem zu sein