„Kokowääh“ oder Halt wieder mal Schweigers alte Leier
„Kokowääh“
(2011) von Til Schweiger
Gestern sah ich im Fernsehen das US-Remake von „Das Experiment“ und konnte dabei den äußerst seltenen Gedanken denken, dass hier der deutsche Film besser als die amerikanische Konkurrenz wäre. Heute sah ich „Kokowääh“ um nicht zu vergessen, wie selten Stolz auf den deutschen Film angebracht ist.
Steige ich, Unvoreingenommenheit simulierend mal damit ein, dass ich etwas Positives über Til Schweiger sage: Seine Filme sehen gut aus. Zwar ist ihre Optik immer so ziemlich dieselbe, aber diese ist äußerst gelungen und hebt sich angenehm von der hierzulande sonst beliebten grauen Lustlosigkeit ab. Nun überrasche ich natürlich niemanden, wenn ich sage, dass diese bekannte Optik aber tatsächlich alles irgendwie Gute an „Kokowääh“ ist. Denn mag director Schweiger (ja, die Credits sind englisch) auch Bilder inszenieren können, so kann er keine Schauspieler führen und das phänomenale Unvermögen des Autors Schweiger übertrifft ja noch bei weitem die Mängel des Schauspielers Schweiger. Zumindest letztere fallen hier aber tatsächlich etwas weniger auf als sonst, doch das liegt schlicht daran, dass sie vom noch größeren Unvermögen der Schweigertochter Emma überstrahlt werden. Ich verstehe ja, dass der Blick des stolzen Vaters subjektiv verklärt ist, aber ihr mühsames Aufsagen von cool gemeinten, aber meist peinlichen Sprüchen ist eine Katastrophe ganz eigenen Ausmaßes. Denn als Dreh- und Angelpunkt des Films soll sie offenbar einnehmend und schlagfertig wirken und darauf ist die Inszenierung auch vollständig ausgerichtet – nur erreicht sie diese Wirkung einfach nicht, da sie nicht spielen kann.
Das sage ich nicht als Vorwurf gegen sie, sondern gegen ihren Vater und jeden, an der Produktion Beteiligten, der ihn nicht darauf hinwies. Es ist eine Sache, einen großen, eitrigen Pickel zu haben, aber ein anderer, ihn mit einem Scheinwerfer zu beleuchten, damit er auch allen ausreichend auffällt und nichts anderes ist die Inszenierung dieses Films.
Erspare ich uns eine Auflistung aller erzählerischen Schwächen und misslungener Versuche, entweder komisch (durch schlecht aufgesagte Sprüche oder Slapstick) oder dramatisch (durch die immer gleiche Klaviermusik) zu werden, fasse aber pro forma die Handlung zusammen: Schweiger ist die gleiche Figur wie immer, diesmal namens Henry und diesmal der superbeste Drehbuchautor der Welt. Wie üblich stehen die Frauen bei ihm Schlange und betteln ungeachtet seiner Unfreundlichkeit um die Gnade seines Götterpenisses und auch sonst geht er aus den meisten Szenen als Sieger hervor. Seine Ex-Freundin (Jasmin Gerat – immerhin kurzhaarig) hat gerade einen Bestseller geschrieben (natürlich auf Grundlage seiner Geschichte, denn es kann ja nicht sein, dass eine Angehörige des von Schweiger verachteten Geschlechtes besser ist, als er), den er zu einem Drehbuch umarbeiten soll, als auf einmal die achtjährige Magdalena auftaucht und verkündet, seine Tochter zu sein. Ihre Mutter ist mit schlimmen beruflichen Problemen in Amerika (typisch Frau, kriegt natürlich nichts hin) und deren Mann Tristan, der sich bislang für den Vater hielt, will nichts mehr mit ihr zu tun haben. – Also vorerst. Da sie auch eine Schweiger ist, kann er ihr natürlich nicht lange widerstehen und wird schließlich, wenn auch relativ spät, zum obligatorischen Bimbo dieses Films. Charakterlicher Reifeprozess usw. usf.
Schon im Verhältnis zwischen Tristan und Henry fällt auf, dass ersterer seinen Groll einzig und allein auf diesen richtet, obwohl es seine Frau war, die ihn betrog und jahrelang belog. Aber Frauen sind (so sie nicht seine Gene tragen) in der Welt Schweigers einfach zu unwichtig und subhuman, als dass man sie dafür, oder für ihr Versagen als Mutter verantwortlich machen könnte. Kennt man ja.
Ebenso wenig überraschend der maßlose Egozentrismus Schweigers, der auch in der ersten Hälfte, in der sein Charakter noch makelbehaftet sein soll und auch kurz vor Ende, wenn der obligatorische Twist ins Dramatische kommt, sehr darauf achtet, bloß nicht wirklich ambivalent dazustehen. Könnte der Gedanke aufkommen, dass sein Ehebruch nicht ganz richtig war, zeigen sich gleich die damalige Gespielin und Tristan als so überzogen daneben, dass man unseren armen Helden in Schutz nehmen will.
Wenn sie sich am Ende zu einer Patchwork-Familie zusammenraufen, hat er natürlich immer das letzte Wort in Erziehungssachen und überhaupt löst er natürlich mit seinem rauen Charme allerlei Probleme, denen Tristan hilflos gegenüberstand. So befreit er seine Tochter mit einem kurzen und wenig überzeugenden Gespräch von den multikulturellen Schutzgelderpressern die sie schon länger bedrohten und bastelt ihr schnell selbst einen Schlafanzug, was, wie sie erklärt, Tristan nicht gekonnt hätte. Am Ende schreibt er innerhalb des Films das Drehbuch zu „Kokowääh“, welches ihm nicht nur das Herz seiner Ex gewinnt, sondern auch als großartig gelobt wird, falls uns entgangen ist, dass wir hier gerade etwas Tolles sehen.
Besonders letztere Idee ist besonders deshalb peinlich, weil der reale Film „Kokowääh“ ein einziger Beleg dafür ist, dass Schweiger eben kein guter, ja nicht einmal ein auch nur irgendwie passabler Autor ist. Besagte Schutzgelderpresser sind in ihrer nächsten Szene auf einmal Magdalenas Freunde, die Frage, warum das Mädel keinen Schlafanzug mitgenommen hat, wenn sie woanders schlafen soll, wird auch nicht beantwortet und auch sonst lässt der mit Preisen überhäufte Publikumserfolg jede Spur einer Dramaturgie vermissen und geht jedem echten Konflikt und allem, was nicht ausreichend seicht sein könnte, großzügig aus dem Weg. .
Sein Erfolg ist unverdient, ärgerlich, sowie eine Schande für Deutschland und (aus jeweils unterschiedlichen Gründen) beide Geschlechter, aber nicht unerklärlich. Denn perfekt ausgedrückt wurde es von der TITANIC-Humorkritik vom Mai 2011:
„Gern gesehen werden TSF [=Til-Schweiger-Filmkomödien]von weiblichen Wesen, die das Pech haben, ihre Lebenszeit mit eben solchen Arschlöchern zu verbringen, wie sie TS am Anfang einer TSF verkörpert. Ihre Hoffnung, daß sich die eigenen Arschlöcher im wirklichen Leben unter ihrem guten Einfluß ebenso bessern könnten wie TS im TSF, ist allerdings unbegründet.“
Man könnte also weiterführend sagen, Til Schweigers Filme erlauben es Frauen, sich darüber hinweg zu trösten, dass sie mit miesen Typen zusammen sind, statt diese für bessere Typen zu verlassen. Dieses Jahr erlitt die Welt ja bereits ein „Kokowääh 2“ und ein US-Remake steht auch schon an. Als dieses Opium der Männergeschmacklosen machen diese Filme also alles richtig, was ich ihnen aber trotzdem nicht als positiv anrechnen mag.
(Dirk M. Jürgens)
comicfreak
2. April 2013 @ 11:48
..so gruselig das klingt, dem Göttergatten hat er gefallen..
Lutz
2. April 2013 @ 13:31
Nicht gesehen, trifft aber meine Erwartungen gegenüber dem Film sehr gut.
Ich bin kein Schweiger-Hasser, aber inzwischen schon ein „TSF“-Hasser. Ich halte Schweiger nicht einmal für einen schlechten Schauspieler, lediglich für einen limitierten. In Produktionen anderer Regisseure, wenn er mal eine etwas andere Figur spielt, kann er häufig sogar ganz gut sein.
„Barfuss“ [sic] fand ich gar nicht mal soooo übel, die Schweigersche Vorliebe für Vetternwirtschaft hat mich da aber schon genervt. Alles, was danach kam hat mich nicht mehr gereizt und sogar geärgert. insbesondere, da sich die Vetternwirtschaft ja immer weiter zu Nepotismus entwickelt hat. Irgendwie hat so etwas, mit wenigen Ausnahmen, fast immer einen negativen Beigeschmack, ganz egal, ob die stolzen Eltern nun Smith oder Schweiger heißen.
Was mich am meißten stört, ist dass Schweiger anderen Film-Genres zwar ihre Daseinsberechtigung zugesteht, das Feld, in dem er arbeitet, jedoch für das einzig zufriedenheitsversprechende beim Zuschauer hält und anderen Regisseuren dadurch doch Vorwürfe macht. Wenn man dabei sieht, was für ein dümmlich-konservatives und auch extrem sexistisches Bild er von dem Verhältnis zwischen Männern und Frauen und Familien im Allgemeinen hat, kann ich mein Würgen nur schwer zurückhalten. In sofern ärgert es mich auch, dass so verdammt viele Zuschauer bereit sind, seine Einstellung durch den Kauf einer Kinokarte zu bestätigen.
Ich finde es gut, dass wir in Deutschland jemanden haben, der tatsächlich auch versucht, sich als Star aufzubauen (davon könnten wir in Deutschland gerne ein paar mehr haben) und ich habe großen Respekt davor, mit welchem Ehrgeiz er sich in die Arbeit stürzt. Ich will ihm nicht einmal ein gewisses Talent absprechen, aber seine Einstellungen sind mir einfach zuwider. Und das sage ich als jemand, der immer wieder versucht, ihn doch gern zu mögen.
Dirk M. Jürgens
2. April 2013 @ 15:41
@comicfreak:
Das klingt allerdings wirklich gruselig… O_O
@Lutz:
Ja, auch ich meine, das Schweiger an sich durchaus was kann und dass das vielleicht das Traurigste an der ganzen Nummer ist. Clint Eastwood (der in „Kokowääh“ ja gleich zweimal im Fernsehen zu sehen ist – bewusste Anlehnung?) hat seine gesamte Karriere auch mit einem einzigen Gesichtsausdruck absolviert und trotzdem Großartiges vor und hinter der Kamera geschaffen. Und tatsächlich war auch Schweiger etwa in Bucks „Männerpension“ (der fast wie eine vorweggenommene Parodie seiner späteren Filme wirkt) genau richtig besetzt und als Regisseur zumindest visuell ambitionierter als viele seiner deutschen Kollegen. Durch seinen Bekanntheitsgrad und seine treuen Fans könnte er also wirklich was bewegen, aber die Fließbandproduktion von ideologisch Unschönem, auf die er sich beschränkt, ignoriert all diese Chancen.
Peroy
26. Juli 2013 @ 15:05
http://www.youtube.com/watch?v=Swi_V4jf7lI