„Django Unchained“ oder Die Abenteuer von Doc Schultz und seinem Freund Django
„Django Unchained“
(2012) von Quentin Tarantino
Nachdem seine ersten beiden Filme die non-linear erzählten Geschichten cooler, schwarzweiß gekleideter Gangster waren und zwei seiner Drehbücher von kriminellen Liebespaaren in feindlicher Umwelt handelten, kam Tarantinos große Eastern-Hommage schon von sich aus im Doppelpack. Zwischendrin noch seine (meines Erachtens) schwächsten Filme „Jackie Brown“ und „Death Proof“, die keine gemeinsame Linie fuhren. Wozu diese Aufzählung? Weil „Django Unchained“ ziemlich exakt wie „Inglourious Basterds“ ist. Hat diese Anordnung zu Zweierpackungen irgendeinen übergeordneten Sinn? Ich weiß es nicht, aber weil schon soviel über „Django Unchained“ geschrieben wurde, brauchte ich irgendetwas Ungesagtes für den Anfang und da passte diese kleine Beobachtung doch ganz gut.
Ungeachtet des Namens seines Helden hat der Film wenig bis gar nichts mit den alten „Django“-Filmen zu tun. Diese handelten von einem finsteren Anti-Helden und Außenseiter, der auch dem Zuschauer immer etwas verschlossen blieb, hier haben wir einen Ex-Sklaven, der die meiste Zeit mit einem guten Kumpel unterwegs ist, während er auf der vollkommen nachvollziehbaren Mission ist, seine Frau zu befreien. Das ist natürlich kein Minuspunkt, sollte aber angemerkt werden – der Film ist also keine Wiederbelebung der alten Reihe, sondern wie der Rest im Werk seines Machers ein Remix aus alten Genres, in dem sich Verneigungen vor diesen mit gegenwärtigen Stilen und Techniken mischen, so beginnt er mit einer Version des klassischen „Django“-Songs, zum blutigen Showdown läuft aber Hip Hop und bewusst altmodische, wackelige Zooms mischen sich mit modernem Schnittgewitter.
Stilistisch ist es also wie immer perfekt, auch Längen fühlte ich trotz der Laufzeit von drei Stunden keine, die Dialoge waren wie immer gekonnt, die Besetzung makellos und die Gewalt gab es in den Geschmacksrichtungen cool wie auch erschreckend (wobei, wie schon beim Vorgänger, nicht immer klar war, was von beidem gerade der Fall war) so dass man ob letzteren Punktes wieder einmal einen fragenden Blick zur FSK werfen kann, die den Film dennoch ab 16 Jahren freigegeben hat.
All das wenig überraschend, sein Handwerk beherrscht der Mann mit dem großen Kopf halt. Wie sieht es also inhaltlich aus?
Das black empowerment, welches Tarantino zu liefern behauptet, fehlt auf jeden Fall größtenteils. Na klar, da kämpft ein schwarzer Revolverheld gegen weiße Sklavenhalter, aber dabei hält die meiste Zeit ein kluger Weißer seine schützende Hand über ihn, befreit ihn gleich zu Anfang, bildet ihn überhaupt erst aus und hat zudem ständig die besten Sprüche und Szenen. Zudem ist Django auch kein sauberer Held, sondern ein Kopfgeldjäger, der auch der Schurke eines anderen Films hätte sein können: So unternehmen er und sein Mentor Doc Schultz nie auch nur einen Versuch, einen Gesuchten lebendig zu fassen und knallen in einer Szene einen Unbewaffneten aus sicherer Distanz mit dem Gewehr vor den Augen seines kleinen Sohnes ab. Sympathisch konsequent und ebenfalls im Sinne des Vorgängers (auch, wenn das oft anders gesehen wird – meine Gedanken dazu folgen vielleicht demnächst), dass der Held hier nicht als saubere, positive Figur gezeichnet wird, obwohl sein Gegner ein fraglos verabscheuungswürdiges System ist.
Seine Behandlung des Themas Rassismus ist nicht uninteressant: Der große Schurke des Films, der von Leonardo DiCaprio fantastisch schmierig und charismatisch zugleich gespielte Calvin Candie ist im Alltag erstaunlich nett zu seinen Sklaven. Er lobt sie wenn sie etwas gut gemacht haben, scherzt mit ihnen und gibt ihnen gerne mal einen Drink aus. Wenn seine Untergebenen sie brutal misshandeln trifft ihn das nicht, aber er zeigt auch kein Gefallen an der Grausamkeit. Daneben aber treibt er sein menschliches Eigentum zu seinem Vergnügen zu Kämpfen auf Leben und Tod und lässt, um die Moral aufrecht zu erhalten, auch mal einen Sklaven lebendigen Leibes von Hunden zerfleischen. Er ist begeisterter Phrenologe und hält einen längeren Monolog über die angeborene Unterwürfigkeit des Afrikaners und wie diese an seinem Schädel ablesbar ist – dennoch aber teilt er die Herrschaft auf seinem Anwesen mit dem alten Haussklaven Stephen, ohne Probleme zu haben, auf einen Schwarzen zu hören und sich von diesem zurechtweisen zu lassen – unter vier Augen wohlgemerkt; in der Öffentlichkeit gibt Stephen eine bizarr überzogene Onkel-Tom-Karikatur.
Mit dieser außergewöhnlichen Figur, steht auch auf der Gegenseite prominent und zentral ein Schwarzer, mit dem Django entsprechend auch die letzte Konfrontation des Films ausficht.
Somit kann man den Film leicht vom Verdacht des weißenfeindlichen Rassismus’ freisprechen (dass der einzige Weiße hier, der die Sklaverei offen ablehnt, gerade ein Deutscher ist, könnte man zudem als Kommentar zur Diskussion um die „Basterds“ lesen), aber zusammen mit seiner Überzogenheit, Spiel- und Zitierfreude verliert er damit auch an Relevanz zum echten historischen Thema. Auch hier hätte ein Anfangstitel, der den Film zum Märchen erklärt, sicher geholfen. Denn sowenig wie IB zum Faschismus, sagt DU im Grunde zur Sklaverei: Die Sklavenhalter sind hier fast alle hasserfüllte Sadisten, die sich beständig in Exzessen ergehen; dass sie böse sind, ist klar und offensichtlich. Dass aber auch im Haushalt eines netten „Masters“, der niemanden auspeitscht oder verstümmelt Menschen als Eigentum behandelt werden und dies das eigentlich himmelschreiende Unrecht ist, bleibt außen vor.
Doch der Film hat auch sonst seine Schwächen. Auffällig ist, dass Djangos Motivation zwar die Liebe ist, sie im Film selbst aber praktisch nicht vorkommt. Immer wieder glaubt er seine Frau Broomhilda zu sehen, wenn er in die Landschaft schaut, doch so könnte er auch einer Verstorbenen, die er zu rächen gedenkt hinterher trauern. Wenn das Paar sich schließlich wieder begegnet, hat es kaum Szenen zusammen und wechselt nur wenige Worte. Gefühle für sie beweist Django vor allem dadurch, dass er immer wieder die Hand auf den Colt legt, wenn ihre aktuellen Besitzer etwas besonders Übles tun oder sagen – nur, wenn sie mit Gewalt verbunden ist, scheint die Liebe Tarantino hier zu interessieren, wirkliches Interesse für die Beziehung selbst fehlt. Der (eventuell) angedeutete Inzest zwischen Candie und seiner Schwester scheint da wesentlich lebhafter.
Ebenso steht Django selbst über drei Viertel des Films im Schatten Doc Schultz’, womit Christoph Waltz jetzt schon im zweiten Tarantinofilm die Titelhelden komplett überstrahlt. Er ist witzig, er ist eloquent, er ist das Zentrum des Films und der eigentliche Motor der Handlung – ohne ihn wäre Django Sklave geblieben bzw. gleich nach seiner Befreiung in sein Verderben gelaufen. Um dem entgegen zu wirken, zieht Tarantino schließlich die Notbremse, indem er ihn aus der Rolle fallen und den bislang stets im Rahmen der Gesetze und höchst rational, klug und beherrscht vorgehenden Schultz emotional, dumm und kriminell handeln lässt. Auch dies eine Parallele zum Vorgänger, wo der teuflisch intelligente Landa sich, als er die Bedingungen diktieren kann, den Status als Kriegsgefangener wünscht, obwohl er weiß, dass sein Gegenüber gerade für die Misshandlung von solchen bekannt ist.
Dank dieses Gewaltaktes kommt es so dann doch noch dazu, dass am Ende die bislang nur die zweite Geige spielenden Helden die Oberhand gewinnen, doch es bleibt ärgerlich, da es gekünstelt und gezwungen anfühlt und nicht wirklich aus dem bisher Geschehenen entwickelt.
Auch der kleine Gastauftritt des Original-Djangos Franco Nero ist leider mehr Ärgernis als Highlight, da er die Handlung stoppt und sein kurzer Dialog sehr gezwungen und artifiziell herüberkommt und die Besonderheit dieser Begegnung so krampfhaft betont, dass es den Film stört.
Es ist also keineswegs ein Meisterwerk, oder Meilenstein, weder der Filmgeschichte, noch im Gesamtwerk Tarantinos, aber ein unterhaltsamer, handwerklich fantastischer Film, der einem ein paar kurzweilige Stunden Westernvergnügen bietet, so man sich mit den Gewaltexzessen anfreunden kann. Um nun auch mit etwas (hoffentlich) nicht so häufig Gesagtem schließen zu können, werfe ich noch einmal ein, dass die vage und nicht wirklich erfüllte Siegfried-Parallele noch dazu falsch erzählt wird: In keiner mir bekannten Fassung haben der Drache und der Feuerring etwas miteinander zu tun. Soviel zu „In Deutschland kennt jedes Kind diese Geschichte“, mein lieber Herr Doktor!
(Dirk M. Jürgens)
Dietmar
27. Januar 2013 @ 22:21
Großartige Kritik, vielen Dank und Kompliment!