„Achtung Polizei! – Alarm um 11 Uhr 11“ oder Talentfrei in Köln
„Achtung Polizei! – Alarm um 11 Uhr 11“ oder Talentfrei in Köln
(2013) von Rolf Silber
Eigentlich macht es wenig Sinn, sich hier länger über das Totalversagen einer harmlosen TV-Komödie, die vermutlich erst in hundert Jahren mal wiederholt wird auszulassen. Doch irgendwo habe ich noch immer den narzisstischen Traum, dass andere Filmschaffende meine verzweifelten Hasstiraden lesen und zumindest versuchen, die von mir beklagten Punkte in ihren eigenen Werken zu vermeiden. Es ist unwahrscheinlich, aber man lasse mir doch meine Träume…
Wie dem auch sei: Es ist Rosenmontag in einem Kölner Polizeirevier, als eine Evaluation angekündigt wird. Das führt sofort zu lustigen Effekten mit Alarmsirenen und Rotfiltern, wie man sie aus Doku-Soaps, Castingshows und ähnlichen Formaten kennt, wenn sie einem zu suggerieren versuchen, es geschähe gerade irgendetwas. Die daraus entstehende Panik bleibt dem Zuschauer größtenteils verschlossen: Wir sind bei der deutschen Polizei, bei Beamten – wenn man da nicht absolut alles verbockt, kann da nicht soviel passieren.
Dass sich der Prüfer als Ex der Reviersleiterin Carla herausstellt, könnte theoretisch etwas Konfliktpotential bringen, wird aber von dem Umstand überstrahlt, dass ihr Kollege Rick (gespielt mal wieder von Christoph Maria Herbst) sie auch bislang die ganze Zeit über zurück zu gewinnen versuchte, so dass der Eindruck überwiegt, dass sie offenbar mit allen Kollegen mal was hatte.
Die einzige wirkliche Gefahr besteht darin, dass unsere Helden nun einmal tatsächlich einen miesen Job machen: Da wird der Empfang unbesetzt gelassen, alles und jeder bedroht und ein Volltrunkener, der nicht mal mehr laufen kann, wieder freigelassen, weil er keine Papiere bei sich hatte, mit denen man seine Identität hätte feststellen können. Später in der Ausnüchterungszelle (in die er nur durch das kleinkrämerische Paragraphengereite des Prüfers gelandet ist) trinkt er munter weiter, bis es lebensgefährlich wird. Schockiert erkennen unsere kompetenten Ordnungshüter, dass er eine ganze Ladung Schnaps dabei hatte. Zitat: „Darum wollte er sich nicht durchsuchen lassen!“
Moment… ich musste das auch sacken lassen.
…
„Darum wollte er sich nicht durchsuchen lassen!“
Tja…
Hoffen wir, die Mächte der Ordnung geraten nicht mal an einen Bankräuber, der darauf beharrt, eine Bank auszurauben, oder gar einen Terroristen, der überhaupt nicht einsieht, dass er nichts in die Luft sprengen soll. Liebe Macher des Films… könnt ihr nachvollziehen, warum „Auf der Flucht“ nicht halb so spannend wäre, wenn Dr. Kimble am Anfang, für den Zuschauer deutlich, tatsächlich seine Frau umgebracht hätte? Was die Parallele dieses Beispiels zu eurem Drama von der bösen Supervision ist, die den Leuten einfach so in ihre Arbeit pfuscht, mögt ihr selbst ausrechnen.
Irgendwo nebenbei laufen auch noch private Konflikte, die einen nicht kümmern, da die Figuren nie ausreichend rund gezeichnet wurden. Dass Carla zur Kripo will, ist ein schlimmer Verrat an ihren Kollegen? Na sieh einer an – hätte man sie man irgendwie alltäglich zusammen interagieren sehen, hätte man das vielleicht nachvollziehen können. Dreh- und Angelpunkt ist der unglaubliche Stress am Rosenmontag (was viele Straßenaufnahmen von Kostümierten, sowie zwei längere Unterbrechungen mit Karnevalsmusik rechtfertigt), den man uns aber nie irgendwie vorführt. Unsere Helden scheinen kaum etwas zu tun zu haben, sitzen herum, starren ins Leere oder ziehen sich in Besenkammern zurück, um ihre Beziehungen zu diskutieren. Die Fähigkeit, das, was die Handlung sagen will auch irgendwie bildlich darzustellen, geht dem Film völlig ab. Ebenso wie er bei allen menschlichen Konflikten versagt, da er uns seine Menschen einfach nicht richtig vorstellt.
Auszugleichen versucht er es mit diversen Split-Screens oder bunten eingeblendeten Gestalten, sowie regelmäßigen Datumseinblendungen, die von Kostümierten umtanzt werden. Die Mutter des Verantwortlichen würde das vermutlich als stilistisch ausgefallen loben, aber mir erschien es eher aufgesetzt und gezwungen.
Ich erspare mir die Rekapitulation weiterer Details, sondern merke noch kurz an, dass parallel zu unserer Handlung noch ein Einbruch stattfindet, der am Ende dann wichtig wird, sowie eine komplizierte, aber nicht interessante Verschwörung. Als die Hysterie ob der Evaluation ausbrach, witzelte ich noch, dass, wenn diese nicht bestanden würde, das Revier vermutlich dicht gemacht und von einem bösen Konzern abgerissen würde. Dieses Lachen bereute ich bitter, als sich später tatsächlich herausstellte, dass genau das der zentrale Plottwist war. Ach ja, und an sich war es übrigens eine Komödie, was man wohl daran erkannte, dass sie den alten „Jemand glaubt, wer anderes hätte Sex in einem Abstellraum gehabt“-Gag mit dem ähnlich alten „Jemand glaubt, wer anderes hätte gekokst“-Gag kombinierten. Ansonsten war „Achtung Polizei!“ so humorlos wie der Kölner Karneval selbst.
Also, liebe eventuell mitlesende Filmschaffende: Erinnert euch bei künftigen Projekten bitte doch einfach nur mal daran, dass es der Handlung hilft, wenn sie das, wovon sie zu handeln angibt auch zeigt, dass es der Identifikation mit den Figuren hilft, wenn sie einem irgendwie nahe gebracht wurden und vor allem, dass es nicht verboten ist, beim Drehbuchschreiben das Gehirn einzuschalten.
Nein, ich weiß nicht, ob sich diese Regeln mit einer Karriere beim deutschen Fernsehen vereinbaren lassen.
(Dirk M. Jürgens)