Heinz Rühmann als Pater Brown oder Heinz Rühmann wie immer
Father Brown lässt mich nicht los! Nachdem ich ja nun alle originalen Geschichten gelesen habe, gab ich mir nun auch mal die erste Verfilmung mit dem Gutmenschen und Göringkumpel Heinz Rühmann in der Hauptrolle, welche ja das Pater/Father-Brown-Bild der meisten Deutschen prägte.
„Das schwarze Schaf“ (1960) von Helmut Ashley
Man beginnt mit einer Kurzversion der Geschichte „Der Hammer Gottes“ (die bekanntlich erst vor kurzem von „Mord mit Aussicht“ geborgt wurde), leitet dann aber zu einem längeren eigenen Fall über, der immer wieder aus einzelnen Versatzstücken verschiedener anderer von Chestertons Originalgeschichten konstruiert ist. Das ist durchaus nicht ungeschickt! Ein gewaltiges Problem ist jedoch, dass man Brown, wie schon der Titel besagt, als „schwarzes Schaf“ darstellt, der mit seiner Detektivarbeit bei seinen Vorgesetzten aneckt und darum ständig strafversetzt wird. – Die Frage ist nämlich schlicht und ergreifend, was für ein Problem der Bischof mit ihm hat. Er überführt einen Mörder, der auf dem Grundstück seiner Kirche gemordet hat und bringt ihn dazu, aufzugeben, als er sich mit einem Gewehr verschanzt hat. Ist es nicht verdammt gute Presse für die Kirche, wenn sie so eine Seele retten und ihre soziale Nützlichkeit zeigt?
Ich vermute, ein Grund dafür war Imagearbeit an Rühmann. Der gab sich ja immer gern als der brave, tapfere Mann, der sich nicht scheut, seine Meinung zu sagen und immer den Kopf oben behält, ein biederer Revoluzzer, dessen Rebellion bloß niemanden erschrecken soll (und bloß niemand danach fragen lassen soll, was jener Herr Lichtgestalt denn so während des Krieges gemacht hat).
Man hätte es plausibel machen können, indem man zeigt, dass er die Messe verpasst, um einer Spur nachzugehen, oder das Geld der Kollekte kurzfristig ausleiht, um, einen Zeugen einfahren zu lassen – aber das wäre dem Publikum dann am Ende schon zu extrem gewesen.
Dieses Logikloch stört etwas, aber als Film ist „Das schwarze Schaf“ schon ob seiner durchaus einfallsreichen Regie nicht schlecht.
Als Verfilmung der Vorlage scheitert es aber natürlich von Anfang bis Ende an Rühmann, dem die Selbstgerechtigkeit ständig aus jeder Pore quillt, der (natürlich kreuzbiedere, aber damals für schlagfertig gehaltene) Sprüche klopft und im Grunde ständig an jedem herumnörgelt. Er ist damit definitiv NICHT der demütige, stille und unauffällige Brown der Vorlage. Dass man ihm als persönliche Story noch das Ziel gibt, eine größere Kirche zu bauen (da der Schlot einer nahen Fabrik höher ist als der Kirchturm, was, wie er erklärt, auf keinen Fall sein darf, da Gott offenbar was kompensieren muss) ist ein schönes Beispiel dafür, wie komplett missverstanden man ihn hat.
Brown mag Fußball und Würstchen und belästigt den Zuschauer bloß nicht mit irgendwelcher Theologie oder Philosophie, ja sein Priestersein beschränkt sich größtenteils auf ein paar simple „der liebe Gott“-Sprüche, ist aber für seine Art der Ermittlung unwichtig. Da passt er sich lieber bundesdeutschen Gedanken an, wenn er etwa alle Mörder als „krank im Gehirn“ bezeichnet, statt – wie er es sehen müsste – vom Teufel verführt. Auch der Film selbst mag nicht allzu christlich sein, weshalb er seinen Mörder am Ende dann doch erschießen lässt, statt ihn von Brown, wie so oft in der Vorlage, zur Reue zu bewegen.
Somit vermeidet der Film zwar die Abgründe des Fundamentalismus, die bei Chesterton immer wieder gruseln lassen, nimmt der Figur aber auch all ihren Charme, ja eigentlich alles, was sie ausmacht und macht sie zu einem recht normalen Detektiv, der halt eben im Hauptberuf Priester ist.
Das zwei Jahre später erschienene Sequel „Er kann’s nicht lassen“ folgt dem Vorgänger recht genau, so dass es hier wenig dazu zu sagen gibt, verweisen möchte ich jedoch auf den, wenn man ihn überhaupt als solchen bezeichnen möchte, dann höchst unkanonischen Nachfolger „Die Abenteuer des Kardinal Braun“ von (1967).
In dieser quälend unkomischen Krimikomödie vom (vor allem für seine Splatterwerke wie den legendär titulierten „Ein Zombie hing am Glockenseil“ bekannten) Schundregisseur Lucio Fulci stehlen peinlich trottelige Gangster (von denen einer aus irgendwelchen Gründen Käptn Haddock von „Tim und Struppi“ ist) Michelangelos Statue Pieta aus dem Vatikan. Ein von Rühmann gespielter Kardinal namens Braun, will es nicht anzeigen, um die Versicherung nicht noch höher zu treiben (oder aus welchen Gründen auch immer) und schickt darum alle Geistlichen Italiens auf eine sinnlose Verfolgungsjagd danach. Rühmann hat nur wenige Szenen, in denen er kaum etwas tut, die Namensähnlichkeit zu seiner anderen Rolle scheint Zufall zu sein (ein „schwarzes Schaf“ dürfte kaum Kardinal werden und kriminalistisch betätigt er sich auch nicht) und man kann sich für den Hollywood-Veteranen Edward G. Robinson schämen, der offenbar Geld brauchte. Der A-Capella-Soundtrack zermürbt die Nerven schon lange vor Mitte des Films, der plumpe Klamauk bleibt unkomisch, die Erzählung unfokussiert und der einzige Reiz, den der Film irgendwie bietet, ist es, Unmengen von Klerikern in verschiedensten Ordensgewändern in ebenso verschiedenen Fahrzeugen durch die Gegend rasen zu sehen. Das sorgt für ein paar hübsche Bilder und ist in Japan sicherlich ein Fetisch, aber es reicht nicht aus, um die in den Film verschwendete Lebenszeit zu rechtfertigen.
(Dirk M. Jürgens)