Tele 5–Satireoffensive am Donnerstag
Bislang ja ausschließlich „Star Trek“-Wiederholungen und direct-to-dvd-Billigmonsterfilme zeigend (und Gott lohne ihn dafür) versucht sich Tele 5 nun an eigenen Formaten und startete mit ihnen geballt am gestrigen Donnerstag:
„Rüttens Bullshit-Universum“
Gleich zu Anfang ein schlimmer Fehlschlag. Der ehemalige Harald-Schmidt-Gagschreiber scheint sein Pulver für seinen alten Meister verschossen zu haben, für seine eigene Sendung, deren zu langer und klangloser Titel (deren fanfarenbegleitetes Logo mit einem ach so lustig kackenden Vogel gefühlte tausendmal durch die Sendung plärrt) hatte er zumindest keine übrig. Seine Moderation verfügt offenbar nur über einen einzigen abgezählten Gag, nämlich „Guck mal, wir sind live und die Regie will immer irgendwas“ und ist damit zäh und bisslos, die Beiträge aber auch nicht besser. Da greift er nämlich zur, im Internet verbreiteten Methode, Szenen aus Spielfilmen umzusynchronisieren – nur leider fehlen auch da völlig die Gags und selbst Grundideen sind nur selten zu erkennen. Es hilft auch nicht, dass der stimmliche Umfang des Sprechers äußerst begrenzt ist und alles auf endlose Länge ausgebreitet und totgequatscht wird. Wenn versehentlich mal etwas komisches dazwischen gerät, wie die zum Teil doch recht absonderlichen ursprünglichen Szenen, wird ihm so noch gekonnt jede Komik ausgetrieben. Ich habe ja selbst an einem ähnlichen Projekt mitgewirkt („Zombie 09“… meines Wissens nach noch immer nicht auf DVD erhältlich) und wage zu behaupten, dass wir uns da selbst in den zähesten Füllszenen (und anders als Rütten konnten wir uns unser Material nicht aussuchen) noch mehr um Inspiration bemüht haben, als er bei seinen zentralen Clips.
„Ulmen TV“
Wiederholungen des bekannten Formats: Christian Ulmen ist in Form seiner unsympathischen Kunstfiguren Knut Hansen (Enterteiner), Uwe Wöllner (zurückgeblieben) und Alexander von Eich (reicher Schnösel) unterwegs und befremdet normale Menschen. Nach wie vor gelungen – wenn Hansen gegenüber ein bayrischer Bürgermeister prahlt, wie er sein Dorf ausländerfrei hält, spürt man den „Borat“-Einfluss, der Fremdschäm-Faktor Uwes ist auch im Umgang mit einem Personal-Coach so hoch wie üblich, nur von Eichs Interview mit einer Tierschützerin war etwas unaufregend. Das ist natürlich immer das Risiko bei einem so auf Improvisation angelegten Format wie diesem, Ulmens Leistung, seinen Figuren in unberechenbaren Situationen treu zu bleibt, beeindruckt weiterhin. Nichts einzuwenden gegen die Show.
„Stuckrad-Barre“
Man merkt dem moderierenden Schriftsteller deutlich an, dass er gern ein zweiter Schlingensief wäre, aber dennoch war diese bizarre und konzeptlos wirkende Sendung recht unterhaltsam. Gast war Johannes Ponader von der Piratenpartei, wie Waldorf und Stattler saßen ein Herr von der BILD und einer vom SPIEGEL am Rande, ein echtes Gespräch kam aber nie zustande. Es begann mit einer knappen Fragerunde („Macht es Ihnen wirklich nichts aus, wenn Ihr bester Freund mit Ihrer Partnerin schläft?“ – „Wie sehen Sie das Rentenniveau im Jahr 2030?“ – „Was ist Ihr liebstes Herbstgeräusch?“), wenn Ponader später versuchte (Zitat) „Inhalte“ anzusprechen, verlor Stuckrad-Barre das Interesse („Ich war grade etwas eingenickt“); mitten im Satz taucht ein Mädchen in Anzug und Krawatte auf, welches Peer Steinbrück darstellt und Ponader einen Ausspruch desselben an den Kopf wirft und als die Spontanität der Piraten angesprochen wird, leitet das zu einem Stück Improvisationstheater. Dabei flüstern die Herren Journalisten Anweisungen wie bei der „Schillerstraße“, vermeiden aber jedes Niveau, indem sie, wie es sich gehört, bald Küsse und Fussmassagen sehen wollen, bis plötzlich Martin Semmelrogge auftaucht. Ziemlich seltsam, ziemlich wahnwitzig, aber mir hat’s gefallen, auch wenn es fraglich ist, inwiefern sich die Sendung zurecht als Polit-Talk bezeichnet. Das politische Phrasendreschen wurde zwar tatsächlich zumeist vermieden, aber die gebotene Alternative war eher Wirrnis, denn Tiefgründigkeit. Vielleicht ist das tatsächlich ehrlicher, als das, was Anne Will und Konsorten so fabrizieren (und bei denen mich immer aufregt, dass sie die letzte Bemerkung, egal wie daneben sie ist, stehen lassen, da die Ankündigung nachfolgender ARD-Programme dann doch wichtiger ist).
(Dirk M. Jürgens)