Sebastian Fitzek: „Der Augensammler“
Sebastian Fitzek: „Der Augensammler“ (2010)
(Droemer) Psychothriller
Die Seiten und Kapitel sind rückwärts nummeriert, bei jedem Szenenwechsel wird klar und deutlich der Name des nun folgenden Protagonisten vorangestellt und der Epilog (konsequent am Anfang) warnt davor, das Folgende zu lesen, da es zu niederschmetternd wäre. Formal ist Fitzek hier wirklich originell und hatte sogleich meine Sympathien.
Inhaltlich benutzt er dann leider ein paar alte Hüte, die mich schon seit geraumer Zeit stören. Man muss ihm zugestehen, dass er teils mehr mit ihnen spielt, aber wirklich schaltet das ihre Nervigkeit auch nicht aus.
Es geht um einen Mörder, dessen Opfer Familien sind, denen er die Mutter tötet, die Kinder entführt und dem Vater 45 Stunden lässt, sie zu finden, ehe er sie ertränkt. Er gehört dabei der neuen Schule der Schurken aus Sieben, „Saw“ und „Gesetz der Rache“ an, die mit der Allwissenheit eines barocken Gottes vorausberechnen können, was wie wann passiert, damit ihr Spiel auch aufgeht. Schon das nicht unbedingt ein Pluspunkt für die Konstruktion.
Schlimmer jedoch, dass unser Held (Reporter, Ex-Polizist und Ich-Erzähler) auf seine Spur gerät, weil eine blinde Hellseherin Visionen gehabt hat. – Dario Argento und Dean Koontz haben schon dieses billige Plot-Device gewählt, um einen einfachen Weg zu haben, dem Helden schwierige Ermittlung zu ersparen, aber jede Verwendung davon, ist schon eine zuviel. Man muss Fitzek zugute halten, dass er es nicht dabei belässt, sondern den ganzen, sehr zentralen Hellseherei-Handlungsstrang am Ende auf einen Twist hinauslaufen lässt (nein, nicht den, dass die angebliche Seherin die Mörderin ist – das wäre zu billig und nahe liegend gewesen), auch wenn dieser Twist leider ein furchtbarer Kopfpatsch-Moment der Unplausibilität ist.
Zudem nervt die Figur der Seherin auch sonst, da Fitzek bemüht ist, seine ausgiebige Recherche zum Thema Blindheit in Gänze einzubringen und auf jeden Fall zu betonen, dass alles, was wir darüber zu wissen glauben, Blödsinn ist. Darum hängt ihre Wohnung voll mit bunten Bildern, ihre Haut ist tätowiert und ihre Garderobe schrill, sie erkennt niemanden an der Stimme und wartet nur darauf, andere Leute anzugiften, weil sie es wagen, ihr unangebrachte Rücksicht entgegen zu bringen. In einem Nebensatz erfahren wir dann auch noch, dass sie schon Sex mit Frauen hatte, weil Bisexualität ja bekanntlich Charakterisierung ersetzt und Tiefe schafft.
Ich vermerkte positiv, dass der Sohn des Helden Verständnis dafür hat, dass dieser nicht zu seinem elften Geburtstag kommen kann, da er unter Mordverdacht steht und er unter Zeitdruck das neuste Opfer finden muss, aber da der Schluss des Romans genau daraufhin (ziemlich dämlich) ausgerichtet ist, entziehe ich diesen Punkt wieder. Apropos Schluss: Sowohl Motiv, als auch Methode des Mörders sind übrigens dämlich und nur wenig plausibel.
Es ist also kein wirklich toller Roman, keiner, den ich weiter empfehlen würde, aber auch keiner, mit dem man seine Zeit verschwendet. Die Erzählweise ist straight und schnörkellos. Es gibt praktisch keine Nebenhandlungsstränge und so ziemlich alles, was über die Figuren bekannt wird, wird auch irgendwo relevant für den Plot. Zusammen mit dem Countdown-Feeling der Seitenzahlen verhindert das, dass die ca. 440 Seiten irgendwann langweilig werden. Das Schreibhandwerk beherrscht der Autor, hoffen wir, dass er sich trotz seines Erfolges auch dem Konstruktionshandwerk zuwendet.
(Dirk M. Jürgens)
Sebastian Fitzek: “Das Kind” | Weird Fiction
15. Dezember 2012 @ 14:05
[…] seinem „Augensammler“ merkte ich an, Fitzek könnte großartig schreiben, möge aber noch etwas an seinen Stories selbst feilen. Der […]