Gernot Gricksch: „Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe“
Gernot Gricksch: „Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe“ (2005)
(Knaur) Romantikkomödie
Gernot Griksch hat ein Buch über Godzilla geschrieben, damit hat er schon einmal einen Stein im Brett. Der charmant lange Titel des vorliegenden Romans und dass sein Held den bürgerlichen Namen Bob Dylans trägt, sind ebenfalls Pluspunkte. Und tatsächlich ist es auch ein wirklich netter Roman geworden, der aber dennoch nicht frei von Problemen ist.
Der Titelheld arbeitet bei einem Videospielhersteller, ist jung, wohlhabend und so attraktiv, dass er schon immer ohne größere Mühen jede Frau bekam, die er haben wollte. Damit dürfte er für den Großteil der Leser nicht gerade eine Identifikationsfigur sein, doch um das abzumildern beginnt Gricksch in medias res mit einem am Boden zerschlagenen Robert, der im Flugzeug Mitreisenden erzählt, dass er gerade seine große Liebe verloren hat – wie das kam und wie er sie überhaupt gefunden hat, sind die Rückblenden, die den Großteil des Romans ausmachen.
Die Dame seines Herzens ist Monika, eine ältere Angestellte einer Reinigung, die seine Mutter sein könnte und darum im Folgenden auch zum Teil dafür gehalten wird. Das ist in der Tat eine ungewohnte Wendung, doch sie leidet daran, dass Autor und Ich-Erzähler es nie schaffen, uns diese Monika schmackhaft zu machen und einen Eindruck davon zu geben, wieso sie denn so liebenswert sein soll. Hier und da reißt sie mal einen ganz hübschen Spruch, den Robert dann bejubelt, als wäre er einem siamesischen Zwilling aus Oscar Wilde und Billy Wilder begegnet, aber nichts, was wirklich vom Hocker reißt und auch die äußerlichen Tribute so ziemlich aller anderen weiblichen Figuren werden eindrucksvoller geschildert.
Eine Liebesgeschichte, in der die zentrale Liebe eine Behauptung bleibt. Das ist suboptimal.
Hat man sie aber akzeptiert, findet man einen sehr vergnüglichen Roman vor, der mit seiner unerwachsen wirkenden Hauptfigur zuweilen gar an Nick Hornby erinnert. Was ihn jedoch von diesem unterscheidet, ist vor allem, dass Hornby wirklich von Menschen zu erzählen weiß, während es bei Gricksch immer wieder auf Stereotypen hinausläuft. Insbesondere negative Figuren sind pure böse Comicgestalten – Monikas Bruder etwa ist nicht nur ein fetter Rassist, sondern beherrscht auch keine Grammatik und schlägt seine Frau. Roberts intriganter Kollege Jens ist ein erbärmliches Weichei an den Strippen einer Femme fatale (die wiederum kindisch und albern ist).
Auf der Gegenseite haben wir Monikas Sohn aus erster Ehe, den schwarzen Nat. Der ist makellos und fehlerfrei! Intelligent, locker, erwachsen und er betrachtet den ihm überall entgegenschlagenden Rassismus mit der ironischen Weisheit eines Winnetou. Er ist es schließlich auch, der das glückliche Ende mit einem einzigen Monolog herbeiführt. Auch ohne die immer wieder erzwungen wirkende politische Korrektheit bezüglich Hautfarben, Geschlechterrollen und gewalttätigen Videospielen wäre der Roman stärker. Denn man merkt, dass Grickschs Herz eigentlich für das Erzählen, nicht das Predigen schlägt.
Was allgemein über Geschlechter gesagt wird, läuft zudem meist auf simple Klischees hinaus: Frauen können besser reden und mit ihren Gefühlen umgehen, Männer hingegen sind unreif. Alles nicht über die Handlung vorgeführt, sondern direkt aufgesagt. Im vergeblichen Versuch, die Aussagen zu belegen, wird die Schuld am Konflikt gegen Ende praktisch gänzlich Robert zugeschoben, obwohl er sich nur eine Taktlosigkeit leistete. Eine wirklich grobe zwar, aber nach all den Liebesbeweisen, die er für sie erbracht hätte, hätte Monika da Nachsicht zeigen können. Tut sie aber nicht und muss sie nicht, da das Buch diesbezüglich die Schiene der romantischen Komödie fährt, dass Frauen keine Verantwortung zu tragen haben.
Solche Grobheiten sind es, die eine Distanz zum Geschehen und den Figuren schaffen, wie es sie bei Hornby, der jedem Trottel eine eigene Sichtweise und ein paar zumindest bemitleidenswerte Züge gibt, immer vermieden wird.
Dennoch ist es beim besten Willen kein schlechter Roman. Gricksch erzählt flüssig und locker und hat ein Händchen für Metaphern und Beschreibungen. So wird etwa die Attraktivität eines Bekannten von Robert damit ausgedrückt, er sähe aus wie „der skandinavische Gott der Surfer“, der an einer Stelle zudem einen so liebenswerten Ausdruck trägt, dass „Lala, der tuffigste aller Teletubbies, dagegen wie Charles Bronson wirkte“. Überhaupt wirken die popkulturellen Bezüge (bei einem Filmjournalisten wenig überraschend) gekonnt und ungekünstelt und eine der besten Stellen dürfte relativ zu Anfang sein, wenn Robert sich bei Nat einschmeichelt, indem er mit ihm ein noch unveröffentlichtes Ballerspiel seiner Firma spielt. Das weckt in Monika erst Zweifel an seiner Reife und er will sie eigentlich damit beruhigen, dass das Spiel erst ab 18 sei (und von Nat eigentlich noch gar nicht gespielt werden dürfte), kommt aber im letzten Moment darauf, dass das keine wirklich gute Idee wäre.
Vor allem aber verzichtet der Roman die meiste Zeit über auf eine unangebrachte Schwere und ist (obwohl er durch die Rückblendenstruktur ja schon gleich geschickt zeigt, dass es zu Problemen kommen wird) die meiste Zeit über relativ konfliktfrei was die zentrale Liebesgeschichte angeht. Um unsere Helden herum gibt es Scheidungen, Fehlgeburten und Krisen, doch sie selbst bleiben lange davon verschont. Diese Alltagszeit nutzt Gricksch, um die beiden einfach als funktionierendes Paar zu zeigen, so dass im Laufe der Zeit das Problem mangelnder Eindrücklichkeit der Liebe dadurch ausgeglichen wird. Mag man nie wirklich verstehen, was Robert anfangs an seiner Monika gefunden hat, versteht man später auf jeden Fall, warum er ihre Gemeinschaft erhalten will.
Und das ist mehr, als viele tränentriefende Liebesdramen fertig bringen und damit ein achtenswerter Erfolg für eine Komödie.
(Dirk M. Jürgens)