„Willkommen im Krieg“
„Willkommen im Krieg“ oder Hier werden Männer gemacht!
(2012) von Oliver Schmitz
Ich würde wirklich gerne mal einen deutschen Film dafür loben, frisch, unkonventionell und unterhaltsam zu sein… aber ich finde einfach keinen. „Willkommen im Krieg“ hätte bei seiner Prämisse – eine Komödie über den Bundeswehreinsatz in Afghanistan – ein solcher sein können, oder aber eine komplette Totgeburt, etwas dazwischen ist schwer vorstellbar und natürlich ist es geworden, was ich befürchtet hatte. Man verstehe mich nicht falsch: So etwas kann durchaus funktionieren (man denke etwa an Robert Altmanns „M.A.S.H.“), doch dazu wäre eine Portion Subversion und/oder Zynismus nötig gewesen, wie ich sie dem deutschen Fernsehen einfach nicht zutraue. „Willkommen im Krieg“ geht aber schon gleich in eine völlig andere Richtung und ist im Grunde eine Rückkehr zu den deutsch-österreichischen Militärklamotten der 60er („Wenn Ludwig ins Manöver zieht“), gemischt mit einem Schuss Militärpropaganda des Wiederbewaffnungskinos der 50er, der halt statt dem Mythos der sauberen Wehrmacht, den des Staatsbürgers in Uniform pflegt.
Unser Hansi-Kraus-Charakter heißt hier Martin und ist eigentlich gar kein Soldat, sondern schleicht sich in die Truppe ein, um seinen Kumpel zu vertreten, der gerade Vater geworden ist. Ausbildung, erklärt er, als „Battlefield“-Spieler (er trägt ein entsprechendes T-Shirt) nicht zu brauchen, wodurch er gleich als Vollidiot jede versehentlich erlangte Sympathie verspielt. Die Stabsärztin Nina findet es bald heraus, deckt ihn aber, weil sie als emotionale Frau seinem moralischen Appell ob des jungen Vaters nicht widerstehen kann. Dennoch plaudert sie ihre Beteiligung an diesem Vergehen, welches ihre Karriere ruinieren und ihr sicher darüber hinaus noch einige Schwierigkeiten machen könnte, auch unter den Kameraden aus, die – weil sie sich einmal mit ihm zusammen besoffen haben – Martin als ihren besten Freund unterstützen und heimlich nachschulen. Diese Kameraden sind ein stummer Riese mit kindlichem Gemüt, ein Nerd mit Brille und eine martialische Kampfmaschine, so dass mit Martin als Clown und Nina als dem Quotenmädchen die Klischeegang vollkommen ist. Was in der alten Militärklamotte, bei der Wehrpflichtige sinnlos in Kasernen hockten noch Sinn ergab, ist beim Auslandseinsatz, wo nicht jeder Hinz und Kunz hingeschickt werden dürfte, höchst fragwürdig.
Ich selbst war nicht beim Bund, vermag also die Stimmigkeit der Details nicht zu beurteilen, aber ich wage doch stark zu bezweifeln, dass das, was dieser Film präsentierte, irgendwas mit der Realität zu tun hat. Man bewegt sich frei und unkontrolliert durchs Land, verlässt das Lager, wie man Lust hat und Offiziere (wie üblich gibt es den fanatischen, komischen Unsympathen, und den positiven Ersatzvater, letzteren sogar zweifach, wohl um die Menschlichkeit der Bundeswehr zu demonstrieren) müssen sich ihren Untergebenen gegenüber in Diskussionen behaupten, wenn sie ihre Befehle ausgeführt haben wollen. Was man so im Lager treibt, bekommt niemand mit, Wachen scheint es nicht zu geben.
Im Klischee-Erwachsenswerdungs-Prozess (weil Pro7 Angst hatte, die Zielgruppe könnte ihn nicht verstehen, extra als solcher bezeichnet, obwohl es nicht in die Handlung und zu den Figuren passte) will Martin sich erst an die Ärztin ranmachen, indem er ihr Krankenhaus im lokalen Dorf unterstützt, erkennt dann aber später (wenn auch die zaghaften Versuche von Pseudo-Humor und Plumpheiten, die man bislang als Komik zu verkaufen versuchte ausbleiben) dass hier ja alles voll ernst und wichtig und so ist und er den Menschen auch uneigennützig helfen muss – wofür er dann natürlich konsequenterweise doch mit der Frau belohnt wird.
Ach ja, das Material ihr Krankenhaus zu versorgen bekommt er von den Amerikanern, die, nachdem man ihnen für die Berliner Luftbrücke gedankt hat, mal eben so und ohne Umstände drei Laster mit zehntausend Einheiten Medikamenten rüberschieben. Die Army hat bekanntlich unbegrenzte Mittel, keine Verwaltung und ein großes Herz.
Es dürfte schon angeklungen sein: nach dem platten Prollcomedy-Anfang versucht der Film in ernste Gefilde zu schwimmen und ertrinkt dabei jämmerlich. In einem Intertextuellen Verweis auf den deutschen Anti-Kriegsfilm-Klassiker schlechthin sollen unsere Helden eine völlig sinnlose Brücke (got it?) verteidigen, während derweil das Dorf von den bösen Aufständischen angegriffen wird. Diese kommen (um ja keine Darstellung des realen Konfliktes zuzulassen) mit mehreren Jeeps von draußen aus der Wüste und haben keinerlei personelle Überschneidung mit den netten Afghanen, denen zu helfen man hier ist. Entsprechend sicher und unbesorgt bewegen sich unsere Helden auch gern allein und in voller Montur (aber unbewaffnet) im Dorf, und das Misstrauen des „bösen“ Offiziers gegen die Bevölkerung wird als spinnerte Paranoia abgetan. Als unter einem Fahrzeug eine Mine explodiert, glaubt man kurzzeitig angegriffen zu werden und die Kampfmaschine (übrigens einer der zahllosen Ochsenknechts) will auf eine Tür feuern, hinter der er einen Feind glaubt. Unser Held hält ihn zurück und fordert die Bewohner auf, heraus zu kommen – ein strahlender kleiner Junge und eine Frau kommen heraus. Entspannung, falscher Alarm, die Mine war noch von den Russen. Den Gedanken, dass diese netten Leute einen Attentäter verbergen könnten, lässt man hier gar nicht erst zu, weil das Böse wie gesagt eine externe und damit bekämpfbare Kraft ist. Ähnlich der Krieg, welcher das Land zerstört hat: Man erwähnt ihn gelegentlich, aber verschweigt, wer ihn den Leuten hier gebracht hat.
Verlogen auch die Kampfhandlung an besagter Brücke, bei denen einer unserer Helden draufgeht (obwohl er doch vorher sooo toll mit den einheimischen Kindern Nena gesungen hat und man diesen peinlichen Moment für rührend hält), trotz heftigsten Geballers aber niemand von der Gegenseite erschossen wird. Unsere soldatischen Helden töten also nicht, sie schützen nur. Krieg kann schlimm sein und Opfer abverlangen, aber man bleibt dabei sauber, wenn man auf der richtigen Seite steht.
Kommen wir langsam zum Ende: Unser Märtyrer wird nicht in dem Prunksarg bestattet, mit dem die Politiker (diese dreckigen Zivilisten) ihn für ihre Propaganda nutzen wollen (schließlich prahlt das Verteidigungsministerium stets mit seinen Toten), sondern mit Zustimmung der väterlichen Offiziere vor Ort begraben (in der Heimat wird sicher niemand bemerken, einen leeren Sarg bekommen zu haben). Dann kriegt unser Held endlich seine Frau und wir wechseln zum Ende nach Deutschland zu seinem Kumpel, der eigentlich in den Krieg hätte ziehen müssen. Der ist zerrütteter kaputter Kettenraucher mit schreiendem Baby, meckernder Frau und bösartigem Chef (besagtem „bösen“ Offizier, der wohl rausgeschmissen wurde, weil er Befehlsverweigerung für problematisch hielt). Mit anderen Worten, der Zivilist lebt würdelos unter allerlei Pantoffeln, während sein Kumpel beim Militär zum Mann geworden ist und sein Glück gefunden hat. „Quax der Bruchpilot“ lächelt ihm zusammen mit dem Roten Baron und den Nibelungen aus dem Himmel aus zu und die deutsche Wahnvorstellung, das Militär habe irgendetwas mit Unterordnung oder gar (Gott behüte!) Gewalt zu tun scheint besiegbar geworden zu sein.
(Dirk M. Jürgens)
Damien Crowley
10. April 2012 @ 15:56
Whoa…ich weiß, warum ich um diesen Shit mal wieder einen riesigen Bogen gemacht habe…
Kann es sein, dass dieser „Brücken“-Film schon mal von Pro7 geremaked wurde…mit einer ganzen Rotte von Daily-Soap-„Stars“ in der Besetzung?
Dirk M. Jürgens
10. April 2012 @ 17:27
Ja, das Remake gibt es tatsächlich.
Dem Zeitgeschmack und Thema „2.Weltkrieg“ angemessen übrigens mit zumindest teilweisem Happy End… passt!