#17 Vom Ende der Welt bis zum Tod der Komik
Es ist ehrlich nicht mein erklärtes Ziel, hier möglichst große Kontraste zwischen hoher und niedriger Kultur aufzubauen (bin sogar nicht einmal ein Fan dieser Trennung), aber irgendwie ergibt es sich schon wieder so. Denn gestern sah ich zwei Filme, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten.
Zuerst war ich im Kino, um mir Lars von Triers mit Preisen überhäuften „Melancholia“ anzusehen. Zur Handlung, falls nicht bekannt: Die depressive Justine feiert ihre Hochzeit im Hotel ihres reichen Schwagers, versaut aber durch ihre Stimmungsschwankungen und eine absolute Rücksichtslosigkeit alles, doch kurz darauf prallt eh der Planet Melancholia auf die Erde und vernichtet diese. Das ist kein Spoiler, die kosmische Katastrophe wird bereits am Anfang gezeigt, so dass alle Spekulation der Figuren später sinnlos wirkt und wirken soll.
Ich bin etwas gespalten: Die erste Hälfte könnte man sich fast komplett sparen, was an Charakterzeichnung für Kirsten Dunsts Figur (Justine) geleistet wird, hätten die ersten Minuten der zweiten Hälfte auch erledigt und zudem steht da eh ihre Schwester (Claire) im Mittelpunkt. Wegen letzterem sehe ich auch weniger einen Zusammenhang im Sinne von „erst geht eine persönliche Welt unter, dann die ganze“. Das bleibt also rätselhaft und hätte gern gewaltig gekürzt werden können – obwohl auch der erste Teil nicht schlecht ist.
Stilistisch knüpft „Melancholia“ ganz stark an den Vorgänger „Antichrist“ an (wird das vielleicht wieder mal eine Trilogie?), nur wo der eben auf Hässlichkeit und Krankheit setzte, herrscht hier morbide Schönheit. Wie da steigen wir mit einer sehr langen, von Klassik (diesmal Wagner statt Händel) untermalten Zeitlupenszene ein, an die das Ende direkt anknüpft, der Titelschriftzug ist ähnlich gestaltet und die filmischen Mittel der Stimmungserzeugung werden reichlich ausgeschöpft (wenn auch das Ende der Menschheit relativ unterkühlt dargeboten wird).
Sehr überraschend ist, dass der Film Udo Kier als comic relief einsetzt und das sogar funktioniert, aber am Ende herrscht dann natürlich wieder großer, wagnerianischer Ernst und der Weltuntergang wird so eindrucksvoll wie selten inszeniert, so dass ich zumindest alle Längen des Anfangs vergessen hatte. Ich weiß nicht, ob er uns groß etwas sagt oder überhaupt sagen will, aber als ästhetisches Erlebnis wieder mal ein voller Genuss!
Zuhause tat ich mir dann im Fernsehen „Disaster Movie“ an, wissen, dass der mir die Laune verderben und dem Humorgehalt der Welt schlimmer mitspielen würde, als der fehlgeleitete Planet im Film zuvor der Menschheit.
Ich habe in masochistischem Komplettismus schon diverse Friedberg & Seltzer-Filme („Date Movie“, „Fantastic Movie“…) gesehen und nicht einer hatte irgendwas gutes an sich. Dieser hier jedoch schaffte es, selbst innerhalb der Reihe noch besonders schlecht zu sein. Dass diese Filme, obwohl sie es behaupten, keine Parodien sind, da ihren Machern der Grips fehlt, etwas zu parodieren (da man es dazu halt durchschauen muss), sondern einfach fremde Szenen nachstellen, um sie dann durch Furze oder Transvestiten zu bereichern, dürfte bekannt sein und läuft auch hier wieder so. Dass ihr Sex- und Fäkalhumor selbst innerhalb des Sex- und Fäkalhumorbereichs noch besonders unkomisch ist, ist auch wie gehabt und ihre sinnlosen Promi-Parodien (die einfach die letzte Schlagzeile zu irgendeinem Schauspieler nehmen und nachplappern) sind hier wieder ebenso peinlich, wie die Angewohnheit, direkt zu sagen, was oder wen man hier gerade angeblich parodiert, da man die Zielgruppe nicht überfordern will. Worin der Film die anderen noch übertrifft ist aber, dass er NOCH weniger erzählerisch drauf hat, als die anderen, also von einer sinnlosen und unkomischen Szene zur nächsten stolpert, seine uninspirierten Musikeinlagen und Möchtegerngags NOCH länger auswalzt (und so selbst die zerstört, die etwas hätten werden können) und NOCH beliebigere Scheiße als sonst aneinanderreiht. Selbst in ihren anderen Filmen habe ich so etwa zwei- oder dreimal geschmunzelt, hier gar nicht. Kiers Figur in „Melancholia“war also tatsächlich komischer als diese ganze, selbsternannte Komödie. Ehrlich: Wenn ich morgen in der Zeitung lese, dass Friedberg und Seltzer entführt, vierundzwanzig Stunden lang gefoltert, erniedrigt und vergewaltigt wurden, ehe man sie lebendig begrub, wird meine erste Reaktion sein „Die sind viel zu leicht davon gekommen!“. Denn das wären sie.
Puh… Ich fühle mich schmutzig.
Schließe ich wieder mal mit etwas kulturellerem und angenehmeren: Ich habe gerade Dostojewskijs „Schuld und Sühne“ (was jetzt ja den vielleicht passenderen, aber weniger klangvollen Titel „Verbrechen und Strafe“ trägt) gelesen und es stimmt tatsächlich, dass der dort auftretende Staatsanwalt Porfirij Petrowitsch die Vorlage für Inspector Columbo ist. Ich hatte es ja schon öfters gehört, aber immer nie wirklich geglaubt, doch die Ähnlichkeit ist definitiv da. Überraschend!
(Dirk M. Jürgens)