# 16 Eispiraten und Anspruchsliteratur
Heute gibt’s einen schönen Kontrast: Trash und Hochkultur…und ich sage gleich, dass ersteres besser abschneidet. Ersteres ist nämlich die SF-Komödie „Die Eispiraten“ aka. „Krieg der Eispiraten“ von 1984, in dem u.a. Ron Perlman und Anjelica Houston gegen die bösen Templer (vom Planeten Mithra) kämpfen, welche die letzten Wasservorräte des Universums horten. Bunt, abgedreht, mit…ähem…LUSTICHEN ROBOTERS, überdreht bunten Kostümen, grotesken Fahrzeugen, einem „Weltraum-Herpes“ als Parodie auf „Alien“ und einer Maschine, die Hoden frisst. Die Tricktechnik ist gerne mal sehr billig, als Computerdarstellung einer Raumschlacht darf dann schon mal ein „Space Invaders“-ähnliches Videospiel dienen.
Recht unbeschreiblich, aber es weckte doch öfters Erinnerungen an den guten „Captain Cosmotic“ und „Spaceballs“, wobei letzterer nach der Sichtung der „Eispiraten“ (so benannt, weil sie das wertvolle Wasser in gefrorener Form stehlen) doch gar nicht mehr so absurd und überzogen wirkt. Und so unglaublich es klingt, gegen Ende taucht tatsächlich eine ganz gute Science Fiction-Idee auf. Vielleicht kein wirklich guter Film, aber ein hochgradig unterhaltsamer.
Und das unterscheidet ihn schon von dem hochliterarischen Werk, durch das ich mich einige Zeit zuvor kämpfte: „Unendlicher Spass“ von David Foster Wallace. 1400 Seiten umfasst das Monster von einem Buch – eigentlich sogar 1600, aber die letzten 200 sind Endnoten, die ich g.T. nicht gelesen habe, obwohl sie zuweilen ganze ergänzende Szenen enthielten.
Man lese die Handlungsübersicht in der Wikipedia nach…klingt grandios, nicht? Aber leider scheitert es bei der Umsetzung: Es war nicht immer wirklich langweilig, sondern gab viele gute Einzelszenen, wirklich brillante Ideen und Dialoge, aber das alles ertrank einfach in leerem, uninteressanten Geschwallere und fokussierte nie irgendeinen Handlungsstrang, irgendein Thema oder irgendeine Figur. Stattdessen schwankte und sprang es ständig zwischen der Geschichte eines Junkies, dreier Brüder (von denen einer behindert und einer Tennisspieler ist), einem Film, der so unterhaltsam ist, dass man ihm immer und immer wieder guckt, bis man dabei verdurstet und ellenlangen Beschreibungen von Gegenständen, Spielregeln usw. usf. Natürlich mit viel Drogen, Kotze und Fäkalien – ist ja schließlich Hochliteratur.
Habe bald kapituliert und bin zum Querlesen übergegangen, so dass mir vieles entgangen sein dürfte, aber der Eindruck von Gelaber überwog doch alles. Ich hingegen bin nach der Lektüre mit einer Zeitmaschine ins Jahr 2008 gereist und habe den Autoren in seinem Haus umgebracht.
Anzumerken sei noch, wie die Presse gleich den preisgekrönten Übersetzer Ulrich Blumenbach mit in den Himmel lobte, obwohl der saudische Botschafter ihmzufolge kein Ausländer, sondern ein Alien ist und man eine Sache „in der Nussschale“ schildern kann. Solche Übersetzer braucht das Land!
Aber zumindest sei dieses wirklich gute Zitat einer nach ihrer Religion befragten Figur erwähnt:
„Sagen wir, Gott pflegt einen eher lockeren Managementstil, auf den ich nicht besonders abfahre. Ich bin ziemlich Antitod. Gott scheint nach allem, was man hört, Protod zu sein. Ich bezweifle, dass wir uns in dieser Beziehung einigen können, er und ich“
Ulrich Blumenbach
19. Januar 2012 @ 12:05
Ich weiß ja nicht, ob es Sinn hat, einem Übersetzungskritiker zu widersprechen, der die Übersetzung nach eigenem Bekunden nur quergelesen hat, aber wenn ein Armenier im Original ein beschissenes Englisch spricht, ja, dann spricht der bei mir ein beschissenes Deutsch und hält einen Vortrag ‚in einer Nussschale‘ (was außerdem ebenso wie der Titel „Infinite Jest“ ein Zitat aus dem „Hamlet“ ist). Und nicht der saudische Botschafter wird als „Alien“ bezeichnet, sondern Außerirdische, die in Boston einen Parkplatz suchen. Wenn im englischen Text „Alien“ steht, muss ich doch nicht so tun, als ob da „foreigner“ stünde. Aber vielleicht haben wir auch einfach verschiedene Auffassungen davon, was eine gute Literaturübersetzung ausmacht. Schönen Tach auch!
Ulrich Blumenbach
Dirk M. Jürgens
19. Januar 2012 @ 12:35
Erst einmal danke ich Ihnen für Ihren Kommentar – es ist in jedem Fall schmeichelhaft, von jemanden, über den man schreibt, gelesen und kommentiert zu werden.
Inhaltlich kann ich leider nur teilweise entgegnen (hatte das Buch nur geliehen und kann nicht mehr nachsehen), aber ein beschissenes Deutsch (bzw. Englisch) fiel mir ansonsten beim Sprecher nicht speziell auf, so dass die Formulierung heraus stach. Kann natürlich an meinem Querlesen gelegen haben. Da vermag ich jetzt also keine Garantie für meine Kritik zu erheben.
Ebenso habe ich die Formulierung über den Botschafter nicht mehr im Kopf, aber meiner Erinnerung nach ging es darum, dass er sich „wie jeder andere Alien“ bei Parkplatzsuche verhielte. Und da sehe ich einfach nicht den Bezug zu den Außerirdischen, an die der deutsche Leser dabei denkt. Im Englischen scheint das (Achtung, kein Anglist) mit den Ausdrücken lockerer zu sein: Der Schauspieler Angus Scrimm erzählte in einem Interview, dass er, als man ihm in „Phantasm“ eine Rolle als „Alien“ antrug schon dabei war, sich verschiedene Akzente zu überlegen, bis er erfuhr, dass es um einen extraterrestrischen Invasoren ging. Andersherum herrscht da also zumindest Unklarheit, insofern wäre mir an der Stelle „Ausländer“ nach wie vor passender erschienen. – Yes, von Daniel Foster Wallace zu „Phantasm“, ein Hoch auf die Postmoderne!
Wie auch immmer – wünsche einen ebenso schönen Tach!
DMJ
Ulrich Blumenbach
19. Januar 2012 @ 17:30
Lieber Herr Jürgens,
ich bin’s noch mal: Sie haben nämlich recht, und an der fraglichen Stelle ist nicht eindeutig zu sagen, ob vernunftbegabte Außerirdische oder Ausländer gemeint sind, insofern zieh‘ ich mir Ihren Schuh doch an. An anderen Stellen im Text kann „Alien“ zwar auch mal „Außerirdischer“ heißen (etwa in Anmerkung 327 — nur falls Sie irgendwann noch mal in den Roman reinschauen wollen), meist sind aber tatsächlich „Ausländer“ gemeint.
Nu‘ aber Schluss mit dem Fachgesimpel. Danke für Ihren Artikel und den Kommentar!
UB