„Supreme: The Story of the Year“ Band 1
Von Alan Moore, deutsche Ausgabe bei Nona Arte, 2011.
Ich brauche meine abgöttische Verehrung für Alan Moore wohl nicht auszubreiten oder zu begründen und es wird wohl niemanden überraschen wenn ich sage, dass ich seit der ersten Ankündigung gierig nach der, vom neuen Comicverlag Nona Arte versprochene „Supreme“-Ausgabe lechzte.
Den originalen Supreme Rob Liefelds kenne ich nicht, ebensowenig die Serie „Youngblood“, in der er erstmalig auftrat, doch dem Vernehmen nach habe ich da wenig verpasst – er scheint ein simpler Superman-Klon zu sein, der nur eben die typische Blutrünstigkeit des Image-Labels aufzuweisen hatte. Während Moore sonst in seinen Reboots bis dahin harmlose Franchisen verdüsterte („WildC.A.T.S.“, „Miracleman“) machte er sich also diesmal umgekehrt daran, eine bereits düstere Serie heller zu machen.
Dazu bedient er sich schamlos und offen beim heiteren Superman des Silver Age, indem er seinem Helden allerlei altbekanntes gibt: Eine, nur mit einer Brille als Tarnung auskommende Geheimidentität (allerdings nicht als Reporter, sondern als Comiczeichner, was natürlich für einige Meta-Gags genutzt wird), an das Ehepaar Kent gemahnende Eltern in einem Dorf, ein weibliches Gegenstück („Suprema“), einen Superhund, die Empfindlichkeit gegen ein bestimmtes Meteoritengestein, Roboterdoppelgänger und eine abgeschiedene Festung mit Trophäen alter Kämpfe, sowie früheren Mitgliedschaften in Heldenteams.
Diese aufgesetzte Naivität wird jedoch doppelbödig, wenn Moore die Ebenen verwischt und auch Supreme seine Welt erst erforschen lässt, da sie auch für ihn neu ist: Anders, als sonst im Comic üblich, bemerkt er nämlich, dass er rebooted wird, trifft sogar im Limbus eine ganze Armee vorheriger und alternativer Versionen seiner selbst (darunter eine schwarze Frau, ein Doppelgespann aus „Supreme Weiß“ und „Supreme Gold“ sowie eine sprechende Maus), die alle einmal den Job des Helden hatten. So wird die Selbstfindung des Helden zu einem Streifzug durch Comic-Konventionen, bei dem Rückblenden in unterschiedlichen Zeichenstilen alten Stilrichtungen, wie dem Golden Age, oder sogar einer „Mad“-Parodie nachempfunden werden. Das ist nicht nur ein reizvolles Spiel für den Kenner, sondern darüber hinaus als Ausblick auf das zu sehen, was Moore später in seinem ABC-Label mit seinem eigenen Helden Tom Strong machen sollte. Einem durchs Internet geisternden rant Liefelds zufolge, verwertete Moore bei ABC später hauptsächlich Konzepte, die ursprünglich für Image gedacht wurden. Strong füllte dabei Supremes Fußstapfen aus, während Prometheas Geschichte (eines der ambitioniertesten Werke Moores) ursprünglich der Superheldin Glory (die hier auch auftaucht) zugedacht war.
Aber warum auch nicht? Es sind großartige Ideen und es wäre eine Schande gewesen, sie verkommen zu lassen. Und Moore hat seine eigenen Figuren und deren Welten ja durchaus detailliert genug gestaltet, dass man nicht die vorherigen Helden durchschimmern sieht. Ähnlich ging ja auch „Watchmen“, Moores größtes Werk, aus Überlegungen hervor, was mit alten, von DC aufgekauften Charlton-Charakteren anzufangen wäre – Dr. Manhatten war ursprünglich Captain Atom, Nite Owl Blue Beetle und Rorschach The Question. Durch dieses Wissen wird das Meisterwerk ja auch nicht geringer.
Doch auch unabhängig von solchen Überlegungen und Spielereien ist Moores „Supreme“ einfach verdammt gute Superheldenkost!
Zwar oftmals augenzwinkernder und mit seiner zeitweisen Albernheit nicht jedermanns Geschmack und weit entfernt, von den Dekonstruktionen, denen Moore seinen frühen Ruhm verdankt, aber eine unterhaltsame Hommage an unschuldigere Zeiten, deren Science Fiction-Elemente durchaus physikalisch durchdacht und originell sind.
Ein zweiter Band ist inzwischen erschienen und hält das Niveau des Vorgängers. Mit einem dritten sollte auch der Rest von Moores „Supreme“-Schaffen abgedeckt werden, da aber Nona Arte mittlerweile jede Kommunikation mit seinen Kunden aufgegeben hat, steht in den Sternen, ob dieser tatsächlich noch erscheint. Zu wünschen wäre es natürlich.
(Dirk M. Jürgens)