S. G. Browne: „Anonyme Untote“
S. G. Browne: „Anonyme Untote“ (2009)
(dt. Ausgabe/Heyne) Horrorkomödie
Andy und seine Frau sterben bei einem Autounfall, er kommt jedoch wie so viele Leute seit den Fünfzigern als Zombie wieder und fristet nun eine freudlose Existenz im Weinkeller seiner Eltern. Einzige Abwechslung sind einige Besuchen seiner Selbsthilfegruppe. Nachdem diverse Versuche, sich gegen die allgegenwärtige Diskriminierung zu wehren, gescheitert sind, finden unsere Untoten heraus, dass sie sich durch den Verzehr von Menschenfleisch wieder regenerieren können, was natürlich für weiteres Konfliktpotential sorgt.
In den letzten Jahren wurde ja viel mit Zombies gemacht, somit fällt die Grundidee schon nicht soweit aus dem Rahmen, als dass sie allein schon ein Pluspunkt für das Buch wäre. Leider sammelt es auch sonst nur wenige.
Die Schwärze des Humors kommt ziemlich erzwungen, wann immer ein Mensch gefressen wird, wird in jedem Satz x-fach betont, dass es gerade Menschenfleisch (von einem Menschen und aus Mensch gemacht) ist, welches man da gerade verzehrt. Browne kommt sich da wohl sehr verwegen vor. Ähnlich gezwungen wirken auch seine Versuche, popkulturelle Anspielungen zu machen, so dass Andy (der im übrigen weniger wie ein Familienvater, sondern wie ein rebellischer Teenager wirkt) ständig alles mit hingeworfenen Filmtiteln und Prominentennamen vergleicht. Soll den Stil wohl flapsig locker machen (was er in seiner Drögheit auch nötig hätte), wirkt aber nicht.
Um einen deftiven medias in res-Anfang zu haben, steigt der Autor so gegen Mitte der Handlung ein und begrüßt uns gleich mit der Information, dass Andy seine Eltern umgebracht und zerhackt hat. Das nimmt der kommenden Handlung mit den Eltern natürlich gleich alle Spannung und da sie auch durchgehend unsympathisch sind (na gut, dass sind die positiven Figuren des Buches auch), ist aller Kontakt mit ihnen dann nur noch ein bissloses Abklappern, bis das schon bekannte Ende erreicht ist. Alles für einen starken Schockanfang, den man mit der Enthüllung, dass unser Held ein verwesender Zombie ist, sicher nicht hätte bestreiten können. Das ist schließlich was alltägliches, nur Elternmord fällt irgendwie auf.
Das größte Problem ist aber nicht das handwerkliche Unvermögen des Autors, sondern das ständige, vollkommen misslungene Moralisieren des Romans.
Denn während im „normalen“ Horror die Leute es nicht schaffen zu vergessen, dass die fleischfressenden Monster mal ihre Freunde und Verwandten waren, ist hier die ganze Menschheit kollektiv damit beschäftigt die friedlichen Untoten zu hassen, zu beschimpfen, mit Lebensmitteln zu bewerfen (welche der Autor jedes Mal langweilig und penibel auflistet) oder gar zu verstümmeln und zu verbrennen. – Okay, oder sie rennen bei ihrem Anblick schreiend weg; das wechselt recht willkürlich und ist angesichts ihrer Ungefährlichkeit wenig plausibel.
Rechte haben Zombies keine, es gibt aber unzählige Gesetze gegen sie (so dürfen sie nicht ins Internet) und zuständig für sie ist aber nicht etwa die Polizei, oder eine eigene Behörde, sondern der Hundefänger. Dafür, dass das Phänomen so lange bekannt ist, hat die Gesellschaft sich irgendwie wenig darauf eingestellt, welche Meinung etwa Kirchen genau dazu vertreten (natürlich schmeißt ein böser Pfarrer an einer Stelle unseren hilfesuchenden Helden heraus) und wie die gesetzlichen und gesellschaftlichen Zusammenhänge genau sind, hat Browne anscheinend nicht näher überlegt.
Die Parallele zur schwarzen Bürgerrechtsbewegung ist überdeutlich, aber ungeschickt – schließlich hat ja nicht einmal Malcolm X Weiße getötet und gefressen, was nun ein echtes Problem im Zusammenleben gewesen wäre. Unsere sympathischen Helden halten sich, während sie ohne einen Hauch Ironie die Gemeinheit der Gesellschaft beklagen, vor allem an Obdachlose, die niemand vermisst und die so wenigstens zu etwas nützlich sind. Keine Position, von der aus sich gut moralisieren lässt. Die bösesten der Bösen sind dabei Studentenverbindungen, welche Zombies als Aufnahmeprüfung zerhacken, misshandeln und abfackeln. In der Tat ultimativ böse und spiegelt die gelegentlichen Untaten solcher Verbindungen gegen Obdachlose wieder… was angesichts dessen, wie mit denen hier verfahren wird, ein kleiner Heuchelei-Rekord sein dürfte.
Anderes Unrecht, welches den Zombies getan wird (wie ermüdend mehrfach wiedergekäut wird) ist, dass sie als Organspender oder Versuchsobjekt für angehende Ärzte und insbesondere plastische Chirurgen missbraucht werden. Macht Sinn, nicht wahr? Schließlich ist es ja nicht so, als wenn das lang und breit und mit pubertärem Stolz auf eigene Ekligkeit ausgebreitete Thema „Verwesung“ den Organen irgendwie schaden würde. Dass Leute, die eine Organspende bekommen, dafür mitten in der Nacht aus dem Bett geklingelt und die Organe per Hubschrauber geschickt werden, ist ja bekanntlich rein der Sportlichkeit geschuldet. Und wie übt man Operationen besser, als an einer Verwesenden, um sich schnappenden Kreatur, welche keine organischen Funktionen mehr hat und demnach nicht so funktioniert, wie die späteren Patienten für die man hier übt? Auch die Verwendung als Crash-Test-Dummies ist beliebt und super plausibel, da man ja auch im realen Leben mit Leichen machen darf, was man will.
Man merkt, in diesem gezwungenen, unkomischen, repetitiven und platten Buch ist kaum was durchdacht und nichts funktioniert. Ich rate daher dringend davon ab, dafür seine Zeit zu verschwenden.
(Dirk Jürgensen)