Stieg Larssons „Millennium“-Trilogie
Die Verfilmungen von Stieg Larssons „Millennium“-Trilogie
(„Verblendung“, „Verdammnis“, „Vergebung“; 2009)
von Niels Arden Oplev
Meinen Hass auf die Bücher habe ich ja schon lang und breit in den einzelnen Reviews dazu kundgetan, dank der sechsteiligen Ausstrahlung der Langfassungen im ZDF habe ich nun auch die Filme hinter mich gebracht.
Sie waren zumindest nicht ganz so schlimm wie die Bücher, da sie zumindest deren Lobeshymnen auf die Salander im Erzähltext und die überflüssigen, heuchlerischen Statistiken herauskürzen und einige Dinge offen lassen, um seine Figuren besser dastehen zu lassen. Wenn Lisbeth etwa nach der Anzahl ihrer Sexualpartner „Zwei…hundert. Oder dreihundert?“ entgegnet, versteht der Zuschauer es natürlich als Aussageverweigerung. Im Buch hingegen wird klargestellt, dass die Zahlen stimmen, der Autor beeilt sich aber gleich zu erklären, dass sie keineswegs herumvögele, das seit halt eine etwas überaktive Zeit zwischen ihrem achtzehnten und zwanzigsten Lebensjahr gewesen.
Auch sonst hat man sie etwas geglättet, so dass es nun allerdings unverständlich bleibt, warum sie unter staatlicher Betreuung steht. Sie ist nicht mehr gestört, sondern nur noch unfreundlich – damit natürlich auch nicht gerade sympathisch, aber eine Verbesserung bleibt es. Der männliche Held Mikael hingegen ist mitsamt seiner Handlung komplett langweilig und soll darum erstmal noch ignoriert werden.
Es gibt meist ganz schöne Bilder und teils eine tatsächlich nette Stimmung, was aber nicht darüber hinweg täuschen kann, dass auch hier die ideologischen Probleme übernommen wurden: Nirgendwo wird irgendwie angesprochen oder problematisiert, dass Lisbeth fremde Daten ausspäht und Selbstjustiz übt (letzteres sogar in einem Fall in dem sie Beweismaterial hätte um den Schurken auch gesetzlich zur Rechenschaft zu ziehen) und das plumpe, schwarzweiße Menschenbild (bei dem böse, glatzköpfige Konzernbosse in dunklen Büros sitzen, um schurkischer zu wirken) hilft auch nicht gerade, die Filme ernst zu nehmen.
An der Spannung hapert es des Öfteren. Um möglichst eng an der Vorlage zu bleiben hat man etwa das Ende des ersten Romans komplett übernommen, so dass es nach dem Showdown noch fast eine halbe Stunde weitergeht. So etwas geht im Medium Roman, in einem Spielfilm ist es dramaturgisch höchst unglücklich. Dafür hat man sich die Freiheit genommen, den Tod des Mörders etwas zu modifizieren, auf dass er qualvoller ist und die Salander die Möglichkeit hätte ihn zu verhindern. Sicher im Sinne des Autors, den der Mangel an Selbstjustiz in seinem Erstling wohl sicher später wurmte.
Ansonsten ist man ihm treu geblieben, indem die Figuren eindimensional sind und Frauen mehr Rechte haben, als Männer – oder könnte sich einer vorstellen, sein Mikael hätte von sich aus in Lisbeths Bett gehen, sie wortlos beschlafen können und anschließend verärgert sein, dass sie nun auch neben ihm schlafen will?
Die Verfilmung von „Verdammnis“ war besser als der dramaturgisch verkorkste erste Film, da es diesmal auch nicht nur um Archivarbeit, sondern Flucht und Verfolgung mit höherem Body Count geht. Beim Buch war es ja schon ähnlich, aber während das dafür mit Blödsinnigkeiten ersten Grades überquoll, merkte man dem Film den zurückgenommenen Einfluss Larssons angenehm an, da man so Leute mit gesundem Menschenverstand etwas gerade bügeln lassen konnte, was er vermurkste.
Exemplarisch nehmen wir mal den Anfang in der Karibik: Hier sehen wir Lisbeth nach einem Gespräch mit ihrem Buchhalter noch mit einem Einheimischen am Strand sitzen und später neben ihm aufwachen. Sie verabschiedet sich, bietet ihm ein Frühstück an und geht, während er ihr verblüfft nachsieht.
Im Buch hingegen beobachtet sie zufällig, dass ihr (natürlich reicher, weißer, sexistischer) Zimmernachbar seine Frau umzubringen plant, rettet diese aber und killt ihn, während sie sich die Zeit damit vertreibt, ein mathematisches Jahrhunderträtsel im Kopf zu lösen. Dabei fällt ihr Blick auf einen 16jährigen Einheimischen, der an seinen Mathematikhausaufgaben sitzt, den die erwachsene Frau mit dem Angebot, ihm dabei zu helfen verführt (er bittet, das Licht beim Sex zu löschen, aber das ignoriert sie), dann noch vor einem Hurrican rettet, aber anschließend das Land verlässt, ohne ihn noch einmal zu sprechen.
Ersteres zeigt halt einen One Night Stand, von dem wir nichts weiter wissen und an dem auch nichts dran auszusetzen ist, letzteres eine übermenschliche Sextouristin deren Verhalten ihrem Drittwelt-Boy Toy gegenüber nie problematisiert wird.
Derartiges geschieht öfters. Auch, wenn etwa ihr Chef Lisbeth für ihr Verhalten kritisiert, wird es nicht durch Erzähltext relativiert, der betont, welch Gottheit sie ist und der Kampf gegen den Nazi-Übermenschen am Schluss lässt man auch realistischer ausgehen.
Ideologisch bleibt es natürlich dennoch problematisch, dass Folter als legitimes und effektives Mittel der Wahrheitssuche gepriesen wird (wobei letzteres durch die fehlende Innenperspektive des Opfers, welches Lisbeth als „Göttin“ sieht zumindest nicht ganz so offen als Fetisch-Szene des Autors erkennbar ist) und auch die Charakterzeichnung ist nach wie vor stumpf und eindimensional, aber es ist eben nur noch ein bedenklicher Standardkrimi mit hübscher Optik, statt einer geisteskranken Missgeburt, wie der Roman.
Ach ja, dass die Heldin sich die Haare hat wachsen lassen, nehme ich allerdings persönlich.
„Vergebung“ fällt danach als Gerichtsdrama mit Fokussierung auf den Langeweiler Mikael wieder etwas ab, doch neue Aspekte kommen nicht dazu. Was bislang misslang, misslingt weiter, was man bislang gerade rückte, rückt man weiterhin gerade. Zumindest putzt sich Lisbeth gegen Ende mal wieder etwas exzentrischer heraus.
Nach der Ausstrahlung des ersten Teils brachte das ZDF noch eine Dokumentation über den Autor, welche ein journalistisch und stilistisch armseliges Stück Heldenverehrung war, in dem Larsson ohne jede Ironie als „für das Gute“ kämpfend gelobt wird und in jedem zweiten Satz von „Demokratie“ geschwärmt wird, ohne dass je jemanden der Kontrast zu seinem schriftstellerischen Werk auffällt, oder der Umstand, dass er Kommunist war. Und ohne jetzt eine „Kann Kommunismus demokratisch sein?“-Grundsatzdebatte zu beginnen, werden mir wohl die meisten Kommunisten zustimmen, dass jemand, dessen Bücher Folter, Hinrichtung und die Abschaffung von Privatsphäre propagieren eher dem stalinistischen Lager zuzuordnen ist und sich damit als Demokrat so ziemlich disqualifiziert.
Ein kleines Kunstwerk konnte ich schaffen (mangels Kamera leider nicht festhalten), als ich den Videotext über die Szene legte, in der Lisbeth ihrem gefesselten Anwalt nach einigen Tritten in die Rippen einen Dildo in den After rammt und ihn dann mit einer Tätowiernadel entstellt, während der Text Larsson lobt, stets Gewalt verabscheut zu haben.
Warten wir auf die Verfilmung David Finchers, die mein Leid verlängern soll.
(Dirk M. Jürgens)
heino
6. Februar 2013 @ 17:06
Ich habe nur den ersten Band gelesen und konnte da schon nicht verstehen, warum der Mann so gehypt wird. Die männliche Hauptfigur stellt sich strunzdämlich an, kriegt aber trotzdem jede Frau ins Bett, Tante Lisbeth ist eine wandelnde, Klischee beladene Kastrationsfantasie und die eigentliche Handlung umfasst gerade mal 200 von 700 Seiten und ist völlig lächerlich. Die beiden klären nur mit Hilfe des Internets eine Mordserie auf, die schon über 30 Jahre zurück liegt und in der die Polizei absolut keinen verwertbaren Hinweis finden kann. Ja, klar doch..
Dirk M. Jürgens
6. Februar 2013 @ 18:20
Zumindest den letzten Punkt klären ja die späteren Bände: Die Polizei löst grundsätzlich keine Fälle, weil sie ja (bis auf einige, wenige und ständig unterdrückte und gemobbte Superweiber) ein Verein rechtslastiger, korrupter Chauvischweine sind, die Verbrechen an Frauen grundsätzlich nicht aufdecken. 😛
heino
8. Februar 2013 @ 10:40
Ach so, da hätte ich also doch weiterlesen müssen:-)
Was der gute Mann da als Sozialkritik verkaufen wollte, ist dermassen lächerlich, dass mir die Spucke wegbleibt